Motorsport - Walter Röhrl im Interview: "Scheiß, auf den ich keinen Wert lege"

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Im Vergleich zum Fiat 131 mag der Opel Ascona 400 ein Fortschritt gewesen sein, Mouton fuhr aber den legendären Audi S1 mit Allradantrieb. Sie waren technisch hoffnungslos unterlegen.

Röhrl: Ich habe mein ganzes Leben darunter gelitten, dass ich nach Traktion gesucht habe. Beim Skisport habe ich früh begriffen, dass das Brett nach vorne wegfahren muss und nicht seitwärts rutschen darf. Mit dem Audi war das kein Problem mehr. Das war eine andere Welt: So wie man Gas gegeben hat, ist das Auto vorwärts gefahren - ob auf Schnee, Schotter oder bei Nässe. An diesem Auto ging kein Weg vorbei. Audi ist über die eigene Unfähigkeit gestolpert. Das Team war unprofessionell, hat Fehler beim Zusammenbauen gemacht. Deshalb hat es für mich gereicht. Und es gab noch einen Grund...

Ja?

Röhrl: Michelle Mouton hatte einen unglaublichen Röhrl-Komplex. 1980 startete Sie die Monte Carlo direkt vor mir, ich habe sie auf jeder Prüfung eingeholt. Danach hat sie nur noch in den Spiegel geschaut. In Brasilien führte sie im Audi mit vier Minuten Vorsprung. Es waren nur noch zehn Kilometer. Sie hätte rückwärtsfahren können, ist aber durchgedreht: "Beim Walter weißt du nie, was er tut. Der macht Unmögliches möglich." Genau so ist sie bei der Bandama-Rallye 1982 gescheitert.

Die über 4000 Kilometer lange Materialschlacht in Südafrika war die vorletzte Rallye im Kalender. Sie überholten Mouton kurz vor dem Ende und waren zum zweiten Mal Weltmeister. Wie erklären Sie sich, dass bis heute keine Frau an den Erfolg der Französin herankam?

Röhrl: Heute sage ich: "Scheiße! Mir hat der Titel nichts gegeben." Es wäre für die Ewigkeit gewesen, wenn eine Frau die WM gewonnen hätte. Auf Audi war sie eine Ausnahmeerscheinung. Vielleicht ist Motorsport immer noch ein typischer Männersport, weil man ihm eine gewisse Brutalität nachsagt und Frauen im Zweikampf eher zurückstecken. Rein vom Fahrtechnischen her gibt es keinen Grund, warum eine Frau nicht genauso viel Gefühl für das Auto haben sollte wie ein Mann.

Zurück zum Jahr 1982: Beim Finale in Großbritannien kam es zum Eklat mit dem Opel-Team. Sie starteten nicht.

Röhrl: Nachdem ich unterschrieben hatte, ist Teammanager Tony Fall zu Rothman's gegangen und hat sie dadurch als Sponsor bekommen. Er hat gesagt, ich gehöre ihnen mit Haut, Haar und Hose. Vier Tage vor dem Start zur Monte Carlo sollte ich einen Werbefilm drehen. Ich dachte, die wären nicht ganz dicht. Vier Tage! Da laufe ich allein durch den Bayrischen Wald und bereite mich vor. Für Marlboro habe ich später Reklame gemacht. Ich habe dem Manager von Anfang an gesagt, dass ich jedem erzählen werde, er soll nicht rauchen - auch wenn er mich nicht fragt. Der sagte zu seinem Mitarbeiter: "Pay him double." (lacht) Bei Opel war wegen meiner Weigerung vom ersten Moment an Krieg. Mit Tony Fall habe ich in elf Monaten keine drei Minuten gesprochen. Den gab es für mich nicht.

Und bei der RAC-Rallye sind Sie dann endgültig aneinander geraten?

Röhrl: Um 19 Uhr klopfte es an der Tür meines Hotelzimmers und die Pressedame sagte, dass ich eine Stunde später zur WM-Party müsse. Ich bin nicht hingegangen, weil mir vorher niemand was gesagt hat. Beim Frühstück sagte Fall dann: "Du bist nicht mehr bei uns. Es ist besser, wenn du nicht fährst." Das waren die ersten vernünftigen Worte aus seinem Mund. Ich bin aufgestanden und direkt zum Bahnhof, damit er es sich nicht anders überlegt. Die Firma, zu der ich bis heute am wenigsten Bindung habe, ist Opel. Wenn ich einen Audi-Test lese und die verlieren gegen BMW, bin ich sauer. Bei Opel ist das überhaupt nicht so, der amerikanische Vorstand hat sich nie interessiert.

Dabei haben Sie Opel zuvor lange die Treue gehalten.

Röhrl: Ich habe die Jahre zwischen '73 und '78 bei Opel vergeudet. Ich dachte, ich müsse ihnen dankbar sein, weil sie mir das Auto gegeben haben. Ich bin vollkommen undiplomatisch, geradeaus und stur. Aber wenn ich eine Entscheidung treffe, ziehe ich es durch - auch wenn ich weiß, dass es verkehrt ist. Mich hat das Geld nie interessiert. Ich habe kein einziges Mal in meinem Leben danach gefragt, immer das genommen, was man mir gegeben hat.

1983 ging es für Sie weiter zu Lancia. Sie haben von vornherein ausgeschlossen, Weltmeister zu werden und sind nur fünf Rallyes gefahren.

Röhrl: Ich wollte nur in Monte Carlo zeigen, wer der Chef ist. Dass ich trotzdem drei Rallyes gewonnen habe, Markku Alen nicht Weltmeister geworden ist und ich mit einem Punkt Rückstand Zweiter war - unglücklich. Ich habe mich aber nicht überreden lassen, dass ich mehr fahre. Das Jahr war wunderbar. Bei den Italienern ist immer eitel Sonnenschein. Wenn du gewinnst, bist du für die Mechaniker der liebe Gott. Nur der Teamchef Cesare Fiori war aalglatt.

Er hatte allerdings seinen Anteil daran, dass sie Ihren dritten Sieg in Monte Carlo eingefahren haben. Der Schnee war plötzlich verschwunden.

Röhrl: Das stimmt tatsächlich. Wir haben trotz Eis und Schnee auf Slicks gewechselt. Nach sechs Kilometern waren die folgenden 20 unerklärlicherweise frei. Fiori hat eine Woche vorher ein paar LKW mit 40 Tonnen Salz hingeschickt. Die haben kräftig gestreut, damit der Schnee weg ist. Ich war außen vor, weil ich so undiplomatisch bin, dass ich es offen erzählt hätte.