Leichtathletik - Frank Busemann im Interview: "8 Meter oder du kriegst meine Freundin"

busemann-medaille
© imago images
Cookie-Einstellungen

Sie haben in der Zeit auch relativ viel Geld mit Börsenspekulationen verloren.

Busemann: Die Börsengeschichten sollten eine Kompensation werden. Den Nervenkitzel, den mir der Sport wegen der Verletzungen nicht mehr bieten konnte, wollte ich mir zuhause vor dem Computer holen. Ich habe im großen Stil Aktien gekauft, aber es lief nicht so erfolgreich. (lacht)

Dafür haben Sie das Schreiben als Art Seelenreinigung für sich entdeckt. Sie haben Ihr erstes Buch "Aufgeben gilt nicht" sogar gleich mal sich selbst gewidmet. Wie hat Ihnen das Schreiben geholfen?

Busemann: Ich bin so vom Sport weggekommen, ohne mich umzubringen. Ich wollte mich immer schreibend auf meinem Weg zu Gold begleiten, damit ich mal im Alter etwas in der Hand habe und alles nochmal durchgehen kann. Als ich mich dann in mein Kämmerlein zurückgezogen und geschrieben habe, bin ich extrem ehrlich mit mir umgegangen. Da kristallisierte sich für mich heraus, dass ich das, was ich erreichen wollte, einfach gar nicht mehr drauf hatte. Schau mal auf deinen Körper, Junge! Das Dreivierteljahr bis zum Karriereende tat weh, aber das Schreiben hat mir sehr geholfen. Jeden Abend, wenn meine Frau nach Hause kam, sagte ich ihr: Schatz, setz dich mal hin und schau mal, was ich wieder geschrieben habe, ich lese es Dir mal vor. Da war sehr viel Herzschmerz dabei. Die Erkenntnis, dass dein Körper nicht unbegrenzt belastbar ist, war ein Schock für mich. Wenn ich verletzt war, dachte ich immer, ich warte einfach etwas ab, lasse mich notfalls operieren, dann geht es schon wieder. Erst da habe ich festgestellt, dass man richtig auf seinen Körper aufpassen muss, sonst ist irgendwann Feierabend.

Sie konnten also dann auch ohne den Sport zufrieden sein?

Busemann: Ich habe irgendwann gemerkt: Ich brauche die 9000 Punkte nicht, um glücklich zu sein. Vielleicht war da auch ein Stück weit Selbstbetrug dabei und ich habe es mir eingeredet, um davon wegzukommen. Aber ich habe die ganze Thematik sehr facettenreich beleuchtet und mir die große Frage gestellt, ob ich mir denn in irgendeinem Gebiet irgendwas vorwerfen muss. Als ich dann zum Schluss gekommen bin, dass ich diese Frage guten Gewissens mit Nein beantworten kann, war es ein gutes Gefühl.

Sie haben sogar ein Schwangerschafts-Buch geschrieben, quasi 9 Monate aus Sicht des Mannes. Wie kommt man denn bitte da drauf?

Busemann: Für mich war klar, dass ich die Schwangerschaft meiner Frau schreibend begleiten will. Es ist ja eine skurrile Situation. Als Mann hast du bei dem Thema im Prinzip von nichts eine Ahnung, tust aber natürlich trotzdem so, als ob du den Durchblick hättest. Ich habe mich sehr für das Thema interessiert und mich richtig tief in die Materie eingearbeitet. Unsere Frauenärztin meinte am Ende sogar, dass an mir ein Mediziner verloren gegangen sei. (lacht)

Inzwischen geben Sie Management-Seminare und haben auch zu dem Thema eine Art Ratgeber herausgebracht mit dem Titel "Steh auf, wenn Du am Boden liegst". Was ist Ihr Ansatz dahinter?

Busemann: Die Idee ist, den Zehnkampf als roten Faden zu nehmen. Ich hole die Leute ab, indem ich ihnen erkläre, dass jeder von uns auf seine Weise ein Mehrkämpfer ist. Wie setze ich meine eigenen Ressourcen richtig ein? Wie gehe ich mit Rückschlägen um? Wie definiere ich Ziele? Jeder hat etwas, was ihm wichtig ist. Für mich waren es die 9000 Punkte, für andere ist es eine Beförderung im Job oder die perfekte Familienfeier. Wichtig ist nur, dass man sich die Ziele klar definiert, nur so kann man unglaubliche Energie freisetzen. Gerade heute ist es ja extrem schwierig, alles unter einen Hut zu bringen. Beruf, Familie, Hobby - wie soll das in 24 Stunden alles reinpassen? Mit diesen Fragen und Feldern beschäftige ich mich. Ich bin eigentlich gar nicht der Typ, der sich vorne hinstellt und Vorträge hält, aber ich habe das mit der Zeit lieben gelernt. Inzwischen habe ich auch eine Routine entwickelt, aber ich habe auch immer noch jedes Mal ein bisschen Schiss, ob alles klappt. Aber das brauchst du auch, um eine Top-Leistung abzuliefern. Es macht mir großen Spaß und es ist cool, dass das jetzt schon so lange so gut klappt. Das Erstaunliche ist, dass es funktioniert, obwohl ich bis jetzt gar nicht am Markt aktiv bin. Ich habe meine Homepage und lebe nur über Empfehlungen. Ich sitze also zu Hause rum und warte auf Anrufe. Und es klingelt! (lacht)

Sie wohnen in Dortmund. Sind Sie also inzwischen eingefleischter BVB-Fan?

Busemann: Ich bin da ein ganz komischer Vertreter. Ich bin für Dortmund, Schalke und Bayern. Schalke war mein erster Leichtathletik-Verein. Ich erinnere mich, wie ich mal zu Rudi Assauer meinte, dass ich 63-facher Kreismeister von Gelsenkirchen wäre, aber das wusste er alles. Ich habe zehn Jahre lang im Parkstadion meine Runden gedreht, insofern bin ich auch im Derby ein bisschen mehr auf Seiten der Schalker. Aber auf der anderen Seite lebe ich in Dortmund und will auch, dass der BVB gewinnt, damit alle gut drauf sind. Diese Religionsartigkeit, die der BVB in Dortmund hat, ist unglaublich. Und die Bayern sind eben der Klub der Superlative. Wenn die ihr 84. Spiel in Folge gewonnen haben mit 700:0-Toren, das finde ich auch super.

Inhalt:
Artikel und Videos zum Thema