BBL - Chemnitz-Coach Pastore im Interview: "Maradona wird für immer als der Beste aller Zeiten gelten"

Von Ulli Ludwig
Im Interview mit SPOX spricht Chemnitz-Coach Rodrigo Pastore über die rasante Entwicklung der Niners und verrät, warum er Steffi Graf verehrte, aber nie ein Fan von Diego Maradona war.
© IMAGO / fotoduda

Rodrigo Pastore ist seit sechs Jahren Cheftrainer der Niners Chemnitz. Im vergangenen Jahr führte er die Sachsen in die Bundesliga, wo der Aufsteiger mit sechs Punkten Vorsprung auf die Abstiegsplätze bisher alle Erwartungen übertrifft. Im Interview mit SPOX spricht der 48-Jährige über die rasante Entwicklung der Niners und verrät, warum er Steffi Graf verehrte, aber nie ein Fan von Diego Maradona war.

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Außerdem erklärt der gebürtige Argentinier, welchen Einfluss Bayern-Coach Andrea Trinchieri auf seine sowie die Entwicklung in Chemnitz hatte. Pastore äußert sich zudem zur Entwicklung der BBL und seiner emotionalen Intelligenz.

Herr Pastore, Sie wurden in Buenos Aires geboren und haben dort Ihre Liebe zum Sport entwickelt. Wie würden Sie die Mentalität des argentinischen Sports beschreiben?

Rodrigo Pastore: Die argentinische Fußball-Mentalität überträgt sich auf den gesamten Sport im Land. Die Passion, der Wille und die Wichtigkeit des Gewinnens haben einen hohen Stellenwert. Dieses Extrem finde ich aber eher ungesund. Ich mag die deutsche Kultur mehr, wo Siege und Niederlagen als ein Ergebnis von etwas Größerem gesehen werden - nämlich dem Prozess, das Ziel zu erreichen. In Argentinien geht es mehr um das nackte Ergebnis.

Hat sich Ihre Mentalität im Laufe der Jahre in Europa verändert?

Pastore: Ich hoffe es. Die charakterliche Entwicklung als Coach nehme ich sehr ernst. Diese Passion und Intensität zu haben, den Willen zu gewinnen. Jeder Athlet muss das haben, wir machen die Dinge nicht nur, weil wir sonst nichts Besseres zu tun hätten, wir lieben unseren Job, der Wettkampf ist in unserer DNA. Man will sich selbst herausfordern, insbesondere gegen die Besten. Ich bin froh, dass ich das in mir habe, aber wie überall muss es einen Fokus auf den Prozess geben und darauf, was ein Team erfolgreich macht. Man kann nicht von Spiel zu Spiel schauen und dabei nur ans Gewinnen denken, denn darum geht es nicht nur. Ich bin erfahren genug, um verstanden zu haben, dass es vor allem um den Prozess geht, junge Spieler zu entwickeln und gemeinsam als Organisation zu wachsen. Es geht darum, der Beste zu werden, der du sein kannst.

Rodrigo Pastore (Mitte) während einer Auszeit im Spiel gegen die EWE Baskets Oldenburg.
© IMAGO / Fotostand
Rodrigo Pastore (Mitte) während einer Auszeit im Spiel gegen die EWE Baskets Oldenburg.

Denkt man an den argentinischen Sport, kommt man an Diego Maradona nicht vorbei. Welche Rolle spielt er in der argentinischen Gesellschaft?

Pastore: Uff, Sie bringen mich in Schwierigkeiten. Maradona ist in Argentinien für viele Menschen ein Held. Als Fußballer hat er unglaubliche Dinge getan. Ich persönlich verehre ihn als Spieler, aber er war nie eine Person, zu der ich aufgeschaut habe. Ich war ein großer Fan von River-Plate-Legende Daniel Passarella und auch im Tennis hatte ich viele Helden. Ich bewunderte Steffi Graf, die Intensität, die Emotionen, das Feuer und den Siegeswillen, den Sie hatte. Maradona war jemand, der den Argentiniern 1986 in schwierigen Zeiten etwas gab. Sie kamen aus einer Diktatur und lebten in einer jungen Demokratie, das Land steckte in Finanzproblemen und da war die Freude am Sport und die Art und Weise, wie das Team damals den WM-Titel holte einfach bemerkenswert. Für Argentinien ist Maradona ein Held und er wird für immer als der Beste aller Zeiten gelten, egal was andere auch tun mögen.

Sie selbst sind wie angedeutet Fan von River Plate, dem Erzrivalen von Maradona-Klub Boca. Wie wird man unter diesen Umständen nicht Fußballer, sondern Basketballer?

Pastore: Basketball ist ein sehr populärer Sport in Argentinien. Ich selbst bin Sohn eines Basketball-Trainers und Basketball-Trainer hören niemals mit Basketball auf. Sie bleiben Trainer bis zu ihrem letzten Atemzug. Eine meiner ersten Erinnerungen ist, wie ich als Kind die Ansprachen meines Vaters in der Kabine hörte. Ich bin mit ihm und seinem Team viel gereist, habe ganze Tage in der Trainingshalle verbracht, war eine richtige Gym-Ratte. Die Halle war mein Zuhause. Meine Liebe zum Basketball entstand also sehr früh und ich wusste vom ersten Tag an, dass mich diese Liebe für eine lange Zeit nicht mehr loslassen würde.

Rodrigo Pastore: "Ich weiß, durch welche Täler Spieler gehen!"

Neben Basketball hatten Sie eine weitere Leidenschaft: Reiten. Setzen Sie sich auch heute noch ab und zu auf ein Pferd?

Pastore: Die Wochenenden in meiner Jugend sahen folgendermaßen aus: Am Vormittag hatte ich ein Basketballspiel und danach bin ich zu den Großeltern gefahren. Dort bin ich durch die Natur geritten und habe die Umgebung genossen. Heute bietet sich mir leider keine Chance mehr, reiten zu gehen. Ich bin nämlich nicht gerade das beste Beispiel für die Work-Life-Balance eines Trainers. Ich bin einfach zu vertieft in den Basketball.

1992 wechselten Sie an ein College in die USA, anschließend ging es nach Europa, wo Sie sich in Bayreuth in die Herzen der Fans gespielt haben. Wie wird man in Deutschland zum Publikumsliebling?

Pastore: Ich war nicht immer der Beliebteste und eine Zeit lang auch nicht so wichtig fürs Team. Diese Erfahrung hat mir auf meinem Weg als Trainer sehr geholfen. Ich weiß, durch welche Täler Spieler gehen, ich weiß, wie es ist, wenn man ohne Selbstvertrauen spielt, nicht in ein System passt oder Opfer bringt, die das Trainerteam scheinbar nicht sieht. Damals in Bayreuth war der Klub finanziell in Schwierigkeiten, trotzdem bin ich nach dem Klassenerhalt noch eine Saison geblieben. Die Fans identifizieren sich in erster Linie mit Spielern, die selbstlos spielen und alles geben. Diese Teammentalität haben wir in den vergangenen Jahren auch hier in Chemnitz gezeigt.

Rodrigo Pastore (l.) 2000 im Trikot der Telekom Baskets Bonn gegen Ademola Okulaja (Alba Berlin).
© IMAGO / Uwe Kraft
Rodrigo Pastore (l.) 2000 im Trikot der Telekom Baskets Bonn gegen Ademola Okulaja (Alba Berlin).

Sie haben vor zwanzig Jahren in der Bundesliga gespielt und erleben Sie nun als Coach. Wie sehr hat sich die BBL in dieser Zeit verändert?

Pastore: Sie ist eine neue Liga. Die BBL, in der ich gespielt habe, ist das, was heute die 2. Liga ist. In den vergangenen 10, 15 Jahren ist die Qualität viel besser geworden, deutsche Teams halten mittlerweile international mit den besten Mannschaften Europas mit. Bayern erreicht in dieser Saison vermutlich erstmals die Playoffs in der Euroleague, Alba spielt sehr gut und es würde mich nicht überraschen, wenn in den kommenden Jahren beide, Bayern und Alba, in den Euroleague-Playoffs stehen würden. Die BBL ist in der Breite neben der spanischen Liga aktuell wahrscheinlich die beste Liga in Europa.

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