BBL-Restart - Crailsheim-Boss Martin Romig im Interview: "Wir haben die Brauerei leer getrunken"

HAKRO Merlins Crailsheim wurden 1986 aus einer Schul-AG gegründet, jetzt mischen sie die BBL auf!
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2001 folgte der Aufstieg in die 2. Liga. Was hat sich dadurch alles verändert?

Romig: Wir sind als Bezirksligist in die Kaserne rein und kamen als Zweitligist raus. Nicht, weil wir es am Reißbrett geplant hätten, sondern weil wir aus unseren Möglichkeiten immer das Beste gemacht und unseren Studenten-Traum gelebt haben. Ohne Rücksicht auf Verluste. Als wir in der 2. Liga angekommen sind, mussten wir uns aber eingestehen, dass es nur mit Partys nicht weitergehen konnte. Das war zu dünn, um auf dem Niveau mithalten zu können. Also haben wir eine Transformation zu mehr Professionalität durchgemacht. Wir hatten die ersten - billigen - Profis.

Was waren das für Jungs?

Romig: Wir hatten zum Beispiel einen Flüchtling aus Bosnien, der für den Mindestlohn von 500 Mark gespielt und beim Trainer im Zimmer gewohnt hat. Auf diesem Niveau haben wir uns bewegt. Es war schwer für uns, weil wir zwar bei den Gleichaltrigen beliebt waren, aber nicht bei denjenigen, bei denen das Geld saß. Die haben uns eher als störend empfunden. Was auch verständlich war, weil wir wie angerissen manchmal einfach unverschämt waren. Wir hatten auch eine gewisse Arroganz. Wenn es hieß, die Polizei kommt gleich, haben wir gesagt: Dann soll die Polizei doch kommen, dann zahlen wir eben die Ordnungsstrafe, uns doch scheißegal. Wir mussten bildlich gesprochen die Friedenspfeife rauchen und den Leuten klarmachen, dass wir nicht mehr nur für Partys, sondern für strukturierten Leistungssport stehen wollen.

Es dauerte bis 2014, ehe der Aufstieg in die BBL gelang. Wann war der Moment, als das Ziel BBL zum ersten Mal realistisch erschien?

Romig: Das war erst in der Saison 2011/2012. Uns war zwar früh bewusst, dass einiges möglich wäre, wenn ein Sponsor erkennt, welche Chance er mit unserem Projekt hat und auf den Zug aufspringt. So günstig bekommst du zumindest regional nicht so viel Aufmerksamkeit. Aber es war jahrelang erstmal brutal hart für uns. Budgettechnisch konnten wir in der 2. Liga nicht mitstinken mit den größeren Vereinen, gleichzeitig endete irgendwann aber unser Welpenschutz und die Erwartungshaltung im Umfeld wuchs. Wir machten unsere ersten Erfahrungen mit dem Geschäft Basketball - mit Agenten oder Spielern, die nicht auf einer Linie waren mit den Werten unseres Klubs. Der Spaß ging zwischenzeitlich verloren, es wurde alles sehr mühselig und es ging nur noch darum, den Verein am Leben zu halten. Es gab die echte Gefahr, dass wir kollabieren. Die Strukturreform der Ligen hat uns dann geholfen, dass wir uns aus dem Sumpf ziehen konnten.

Coach Tuomas Iisalo machte die Merlins in dieser Saison zur Mannschaft der Stunde.
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Coach Tuomas Iisalo machte die Merlins in dieser Saison zur Mannschaft der Stunde.

Martin Romig: "Wir mussten Spieler holen, die alle anderen BBL-Klubs nicht mal mit der Arschbacke angeschaut haben"

Inwiefern?

Romig: Es gab zwei entscheidende Momente. Einmal die Neustrukturierung in eine eingleisige ProA und ProB als Unterbau zur BBL. Und dann die kleine Palastrevolution, in der wir kleine Vereine uns gegen Bayern und Würzburg durchsetzen konnten und Playoffs eingeführt wurden. Das war elementar. Vorher hatten wir immer das Problem, dass es für viele Mannschaften zu früh in der Saison nur noch um die goldene Ananas ging, weil das Mittelfeld so breit war. Etwas Schlimmeres gibt es nicht, da ist ja ein Abstiegskampf interessanter. Auch wenn wir erstmal an der Quali für die ProA vorbeischrammten, war es besser für uns, weil wir so wenigstens wieder ein wirkliches Ziel aufstellen konnten. Den Aufstieg. Die ProB hatte die gleichen Standards wie die ProA. Wir hatten die Gefahr gebannt, in die Regionalliga zurück zu müssen. Das wäre verheerend gewesen, weil dort Wild Wild West vorherrschte. Da spielten Amerikaner ohne Aufenthaltserlaubnis und wurden schwarz bezahlt, dorthin wollten wir auf keinen Fall zurück.

Sie stiegen in die Pro A auf und standen in der angesprochenen Saison 2011/12 im Halbfinale, das gegen den MBC verloren ging.

Romig: Es ging zwar verloren, aber damals hat sich die Situation für uns als Verein gewendet. Zum ersten Mal war das Glas für uns halbvoll und nicht mehr halbleer. Wir waren damals als Verein noch nicht bereit für die BBL, aber wir spürten, dass der Weg nicht mehr so weit ist. Wir nahmen zum ersten Mal am Lizenzierungsverfahren für die BBL teil, um zu sehen, woran es noch mangelt. Und wir sind offensiv an unsere Partner herangetreten, indem wir ihnen einen Fragebogen schickten mit Multiple-Choice-Optionen, zu was sie bereit wären, wenn wir aufsteigen würden. Das hatten wir dann als Info in der Schublade liegen. Ironischerweise lief es in der folgenden Saison überhaupt nicht, aber wir haben trotzdem am damaligen Trainer Willie Young festgehalten. Ein Jahr später sind wir in die BBL aufgestiegen.

Und damit wieder in eine völlig neue Welt eingetaucht.

Romig: Um zu verdeutlichen, was wir für ein kleiner Fisch waren in der ersten Saison: Der Mindestetat in der BBL betrug eine Million Euro. Das war unser Etat. Der zweitgeringste Etat eines Vereins betrug 2,5 Millionen Euro. Und selbst unsere eine Million Euro waren eigentlich verfälscht, weil wir so viel Geld in die BBL-Standards investieren mussten. Unsere Geschäftsstelle bestand zuvor aus anderthalb Mann. Aus einer Auszubildenden und mir. Jetzt mussten wir fünf hauptamtliche Angestellte nachweisen. Bevor wir auch nur einen Euro in die Mannschaft stecken konnten, waren ganz andere Dinge gefragt. Die Kosten für die Spieler waren deshalb nicht viel höher als in Liga zwei.

Wen konnten Sie denn überhaupt verpflichten?

Romig: Wir mussten B-Ware nehmen. Wir mussten Spieler holen, die alle anderen BBL-Klubs nicht mal mit der Arschbacke angeschaut haben. Aber anstatt zu sagen, dass wir eh keine Chance haben, sind wir ins Haifischbecken gesprungen und haben den Wettbewerb gesucht. Das war immer unsere Mentalität. Wir haben uns zwei Jahre lang blutige Nasen geholt, wir hatten plötzlich eine 3000-Mann-Halle, die uns die Haare vom Kopf gefressen hat. Aber wir haben auch Spiele gewonnen. Gegen Teams, die uns eigentlich Tag und Nacht an die Wand knallen müssten. Das war sensationell. Wir haben uns Jahr für Jahr als Verein weiterentwickelt.

BBL-Finalturnier: Die Gruppen

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