Ruder-WM - Nur Zeidlers WM-Gold verhindert historische Nullnummer: "Das schmerzt"

SID
Oliver Zeidler hat sich in Racice erneut Gold gesichert.
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Oliver Zeidler hat sich in Racice erneut Gold gesichert. Das schlechteste deutsche WM-Abschneiden konnte er aber nicht verhindern.

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Stolz reckte Einer-König Oliver Zeidler am Ende seiner beeindruckenden Goldfahrt den Zeigefinger nach oben. Der Ausnahmeathlet verteidigte seinen WM-Titel mit einer Machtdemonstration erfolgreich, ließ sich anders als bei der EM-Schmach nicht beirren - und bewahrte die deutschen Ruderer vor einer Medaillen-Nullnummer. Doch Zeidlers Triumph täuschte keineswegs über das historisch schlechteste deutsche WM-Abschneiden hinweg.

"Das ist das Erfolgserlebnis, auf das ich lange gewartet habe. Das eine oder andere Bier wird heute noch gehen", jubelte Zeidler nach dem Sieg im tschechischen Racice - und schob gleich eine kleine Spitze gegen den Verband hinterher: "Dieser Erfolg zeigt, dass mein Vater und ich gute, professionelle Arbeit machen, obwohl wir nicht an einem Bundesstützpunkt sind und er nicht Bundestrainer ist."

Zeidler, der alleine mit seinem Vater Heino trainiert, hatte den Verband zuletzt mehrmals heftig kritisiert - nun lieferte er als einziger DRV-Athlet. Bei der EM in München waren ihm kurz vor dem Ziel noch die Kräfte ausgegangen, diesmal ließ er Melvin Twellaar (Niederlande) und dem Briten Graeme Thomas bei seinem ungefährdeten Start-Ziel-Sieg keine Chance. Zeidler durfte feiern, der DRV steht dagegen vor einer knallharten Analyse.

"Das schmerzt, auch wenn wir damit rechnen mussten, weil 2022 für uns nach dem Umbruch mit vielen jungen Sportlern ein Aufbaujahr war", sagte Bundestrainerin Brigitte Bielig, "großen Nachholbedarf" gebe es noch in einigen Bootsklassen. "Bis zur Olympia-Qualifikation in einem Jahr werden wir versuchen, wieder an die Weltspitze heranzukommen."

Beim nächsten Untergang der restlichen Flotte des Deutschen Ruderverbandes (DRV) verhinderte Zeidler mit dem zweiten WM-Gold seiner Karriere immerhin, dass der DRV erstmals überhaupt in den olympischen Bootsklassen leer ausgeht. Ins Finale schafften es nur der 26-Jährige und der Frauen-Doppelzweier, der Sechster wurde - es ist die schwächste DRV-Bilanz der Geschichte.

Uwe Bender: "Uns wurden die Grenzen aufgezeigt"

Vor allem das bittere Aus des stark verjüngten Achters wirkt nach, erstmals seit 23 Jahren verpasste das erfolgsverwöhnte Boot ein WM-Finale. "Uns wurden die Grenzen aufgezeigt. Der Achter ist noch nicht wieder auf Weltklasse-Niveau", sagte Bundestrainer Uwe Bender. Auf ihn wartet im Winter ein hartes Stück Arbeit, um das unerfahrene Team wieder an die internationale Spitze zu führen - daran ändert auch der Sieg im B-Finale nichts.

Dies gilt jedoch auch für die restliche DRV-Flotte. Die Top-Nationen sind enteilt, frühere Erfolgsgaranten wie der Achter oder der Männer-Doppelvierer bereiten große Sorgen - und der Verband sucht verzweifelt, aber bislang erfolglos nach Lösungen. Längst schrillen die Alarmglocken im deutschen Rudern.

Zumal auch der Streit zwischen Verband und Athleten keineswegs ausgestanden ist. Zwar wurden bereits vor der WM Gespräche geführt, ein erst kürzlich einberufener Expertenrat, der "das Ruder herumreißen" sollte, wie der DRV betont hatte, wurde nach erneuter Sportlerkritik vor wenigen Tagen wieder aufgelöst. Nun sollen es externe Berater richten - doch viel Zeit bleibt nicht.

Olympia 2024 wirft bereits erste Schatten voraus, bei der WM in Belgrad geht es nächstes Jahr um die ersten Tickets - und dem DRV droht in Paris ein Rumpfaufgebot. Den deutschen Ruderern steht ein unruhiger Winter bevor.

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