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NBA - Die Skandalakte Kyrie Irving: So wild war die Zeit des neuen Guards der Dallas Mavericks bei den Brooklyn Nets

Von Robert Arndt
Kyrie Irving absolvierte in 3,5 Jahren nur 140 Spiele für die Brooklyn Nets.
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Die Brooklyn Nets haben nach knapp vier Jahren Kyrie Irving nach Dallas getradet - und was das für turbulente Jahre waren. Wir blicken zurück auf eine Ehe, die Stoff für gleich mehrere Bücher liefern könnte.

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Als Irving 2019 von Boston nach Brooklyn wechselte, waren viele Fans der Celtics erleichtert, aber auch sauer. Ein knappes Jahr zuvor hatte Irving vor zahlreichen Dauerkartenbesitzern noch beteuert, in Boston bleiben zu wollen.

2018/19 war jedoch eine Enttäuschung. Die Celtics, vor der Saison ein heißer Titelanwärter, scheiterten kläglich in der zweiten Playoff-Runde. Es stimmte nicht in Boston, Kyrie eckte mit seiner Art mehrfach mit jüngeren Teamkollegen an.

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Kyrie Irving: Aufbruchstimmung nach Unterschrift in Brooklyn

Stattdessen unterschrieb Irving als Free Agent in Brooklyn und soll dabei großen Einfluss auf Kevin Durant ausgeübt haben, um diesen ebenfalls zu den Nets zu lotsen. Die interessierten New York Knicks und andere Teams gingen leer aus.

Es herrschte Aufbruchstimmung in Brooklyn. Die Nets unter Head Coach Kenny Atkinson mit damaligen No-Names wie Spencer Dinwiddie, Joe Harris, Caris LeVert oder Jarrett Allen waren im Vorjahr DIE Überraschung der Saison und erreichten die Playoffs.

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Kyrie Irving und die Tracker

Mit KD und Kyrie werden die Nets über Nacht zum Titelanwärter, doch früh machen Gerüchte die Runde, dass die Organisation Zweifel an Kyrie hätte. Schon in der Vorbereitung gibt es Ärger, weil Kyrie angeblich keinen Tracker tragen will, mit dem das Team unter anderem Fitnessdaten speichert.

Nach dem Fehlstart (1-3) meldet sich Irving zu Wort: "Ich muss für niemanden perfekt sein", ätzt er und attackiert ESPN: "Wen interessiert es, was ESPN oder irgendwer sagt? Ich liebe mich, ich liebe meine Familie, ich liebe meine Freunde."

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Kyrie Irving fordert bessere Mitspieler

Kyrie ist dennoch das Gesicht des Teams, weil Durant sich von seinem Achillessehnenriss erholt. Irving selbst hat aber Probleme mit der Schulter. Erfolg stellt sich nicht ein, im Januar dümpelt das Team im Mittelmaß (18-22) herum und Irving holt aus:

"Es ist doch offensichtlich, jeder sieht es. Es ist sonnenklar, was wir brauchen, um den nächsten Schritt zu machen", moniert Kyrie. Später rudert er zurück: "Wir haben einige gute junge Spieler", so Kyrie, übergeht in der zugehörigen Aufzählung aber Harris.

Trades gibt es keine, dafür muss der Coach dran glauben. Im März entlassen die Nets Atkinson, Irvings Saison ist da wegen einer Schulter-OP bereits gelaufen. Dennoch halten sich Gerüchte, dass Kyrie und KD diese Entwicklung befeuerten.

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Kyrie Irving denkt an NBA-Boykott

Dies war kurz vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie, in welcher Irving in der Folge kein gutes Bild abgeben sollte (dazu später mehr). Gleichzeitig erschüttern mehrere Fälle von Polizeigewalt gegen Schwarze die USA, Irving engagiert sich für Black Lives Matter enorm.

Er steht damit nicht alleine da, doch die Mehrheit unterstützt ihn nicht. Irving fordert einen Boykott der restlichen Saison, allerdings ist er ohnehin verletzt und kann in der Bubble nicht auflaufen. Andere Spieler, gerade diejenigen, die weniger verdienen, können sich das aber nicht erlauben. Irving sieht auch in den Gehältern der Stars ein Problem: "Tun wir nicht so, als gäbe es kein abgestuftes System, das uns alle absichtlich trennt."

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Kyrie Irving und Steve Nash: Von Beginn an schwierig

Neuer Nets-Coach wird Rookie Steve Nash und dieser hat es gleich schwer: "Ich sehe nicht, dass wir einen echten Head Coach haben", sagt Kyrie in einem Podcast mit Durant. "KD oder ich könnten das auch machen." Echter Rückhalt ist etwas anderes, wir kommen später noch einmal darauf zurück ...

Zur neuen Saison kann Irving wieder spielen, doch weiterhin sind seine Taten abseits des Feldes interessanter. So beginnt Uncle Drew einen Medienboykott, obwohl dies gemäß der Statuten der NBA nicht erlaubt ist. Es gibt eine Geldstrafe.

Er begründet dies mit einem Vergleich zum Schach. "Ich rede nicht mit Bauern. Meine Aufmerksamkeit ist mehr wert", schreibt Kyrie in einer Instagram-Story. "Ich habe genug von der Propaganda der anderen. (...) Ich bin in erster Linie ein Mensch."

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Kyrie Irving bricht Quarantäne-Regeln der NBA

Kyrie muss nicht viel reden, seine Taten produzieren Schlagzeilen. Vor einem Preseason-Spiel in Boston verbrennt Irving Salbei und läuft damit durch die Halle. "Ich reinige einfach die Luft und stelle damit sicher, dass wir alle unsere Balance finden", erklärt er.

Anfang 2021 meldet sich Irving plötzlich kurz vor einem Spiel gegen Philadelphia ab. Die Nets nennen persönliche Gründe, wenig später taucht ein Video auf, welches ihn tanzend auf der Geburtstagsfeier seiner Schwester zeigt.

Das ist ein Problem, schließlich ist es NBA-Profis laut Vertrag während der Pandemie untersagt, an Treffen teilzunehmen, bei denen mindestens 15 Personen anwesend sind. Er muss 50.000 Dollar blechen, die Quarantäne kostet ihn auch fast eine Mio. Dollar.

Zu den Gründen wird sich Irving bedeckt halten: "Ich habe einfach eine Pause benötigt", gibt Irving knapp an. "Es gab einige Dinge in meiner Familie, mehr möchte ich dazu nicht sagen."

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Kyrie Irving freut sich auf James Harden

In der Zwischenzeit holten sich die Nets James Harden aus Houston, laut GM Marks keine Reaktion auf die Unberechenbarkeit von Irving. Vielmehr war auch Irving ein großer Befürworter der Verpflichtung von "The Beard".

Und es wird ruhiger. Schlagzeilen um Kyrie gibt es erst wieder, als es gegen Boston geht. Als Brooklyn in der Serie mit den Celtics auf 3-1 stellt, fliegt im TD Garden eine Wasserflasche in Richtung Irving.

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Kyrie Irving und das Celtics-Logo

Vor dem Spiel hatte Kyrie angegeben, dass er in Boston schon häufiger rassistische Kommentare hören musste. Während der Partie verärgerte er die Celtics-Fans, als er demonstrativ auf das Celtics-Logo stampfte.

Die Nets siegen letztlich locker mit 4-1, doch in der Serie mit den Bucks verletzt sich Irving erneut. Durant ist die meiste Zeit auf sich alleine gestellt, Brooklyn verliert als dezimierter Topfavorit gegen den späteren Champion dramatisch mit 3-4.

Es herrscht dennoch Optimismus in Brooklyn und Kyrie fällt im Sommer vorerst nur damit auf, dass er Nike für seinen Schuh "Kyrie 8" ein schlechtes Zeugnis ausstellt. "Sie sind meiner Meinung nach Müll! Ich habe absolut nichts mit ihnen zu tun!"

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Kyrie Irving und das Impf-Mandat in New York City

Es braut sich jedoch etwas zusammen. Irving ist nicht gegen Corona geimpft und will das auch nicht ändern. Das Problem: In New York City gibt es ein Impfmandat, sodass Irving in NYC nicht mit dem Team trainieren und erst recht nicht spielen darf.

So weit kommt es aber nicht. Die Nets suspendieren Irving, das soll solange gelten, bis er sich doch impfen lässt. Kyrie gibt sich uneinsichtig: "Ich habe niemanden verletzt. Ich habe kein Verbrechen begangen."

Diese Entscheidung polarisiert. Zahlreiche Fans protestieren vor dem Barclays Center gegen die Suspendierung. Besitzer Joe Tsai ist enttäuscht: "Ich denke, dass es fahrlässig ist, ein solches Thema zu instrumentalisieren, wenn es um Leben und Tod geht."

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Kyrie Irving als Hassfigur Nummer eins in Boston

Knapp zwei Monate später geben die Nets nach, wohl auch aufgrund des Drucks von Harden und Durant. Monatelang kann er nur bei Auswärtsspielen mitwirken - bis Ende März dann doch das Impfmandat in NYC fällt und Irving auch wieder daheim spielen kann.

Nach der Partie antwortet Irving mit jeder Menge Pathos: "Ich stehe für Freiheit ein, in allen Aspekten meines Lebens. Es gibt niemanden, der mich versklavt, niemanden, der mir sagt, was ich tun soll."

In den Playoffs wartet wieder Boston und Kyrie genehmigt sich die Freiheit, den Fans mehrfach den Mittelfinger zu zeigen. Irving verteidigt sich und gibt an, das ganze Spiel über beschimpft worden zu sein. Eine Geldstrafe bekommt er trotzdem.

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Kyrie Irving als Coach Killer?

Dazu werden die Nets gesweept, Irving spielt eine enttäuschende Serie. Interessant sind vor allem seine Worte nach dem Aus: "KD und ich managen die Franchise zusammen mit Joe Tsai und Sean Marks. (...) Wir müssen einige Moves machen."

Gleichzeitig ist Kyries Zukunft offen, der Guard droht, seine Option nicht zu ziehen. Am Ende tut er es doch und bleibt, wohl auch weil er keine passende Alternative präsentieren kann.

In der Folge gehört der Sommer KD und dessen Wunsch nach einem Trade. Aber auch Irving mischt mit, vor allem in der Personalie Nash: "Kyrie hasst diese Typen. Er denkt, dass Nash furchtbar ist und Marks einfach nur schlecht", sagt eine anonyme Quelle.

Gut zwei Monate später ist Nash nach einem 2-5-Start entlassen. Die größte Story bleibt dennoch Irving, der Tage zuvor via Social Media einen Link zu einer Doku mit antisemitischen Inhalten teilt. Wenige Wochen zuvor hatte er bereits Inhalte des rechten Verschwörungstheoretikers Alex Jones auf seinen Plattformen geteilt, doch nun ist der Aufschrei ungleich größer.

Kyrie Irving absolvierte in 3,5 Jahren nur 140 Spiele für die Brooklyn Nets.
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Kyrie Irving und der Anti-Semitismus-Skandal

Irving löscht den Post, entschuldigt sich aber nicht öffentlich und fetzt sich mit einem Reporter. Auch Adam Silver fordert eine Entschuldigung. Als diese nicht kommt, ziehen die Nets die Reißleine und suspendieren den Guard erneut.

Der Post hat auch neben dem Feld Folgen für Irving. Nike beendet die Partnerschaft mit dem werdenden Schuh-Free-Agent, auch die Veröffentlichung des neuen Schuhs wird abgesagt. "Kyrie hat eine Grenze überschritten. So einfach ist das", sagt Nike-Boss Phil Knight. "Wir sehen uns an, wen wir unter Vertrag nehmen und wie viel wir bezahlen. Wir sehen uns nicht nur an, wie gut ein Athlet ist, sondern wir sehen uns auch seinen Charakter an."

Acht Spiele verpasst Irving, bevor er wieder zum Team stoßen darf. Dafür muss er mehrere Bedingungen erfüllen: Eine Verurteilung des antisemitischen Films, Teilnahme an einem Seminar über Antisemitismus, ein Treffen mit Mitgliedern aus der jüdischen Gemeinde, ein Treffen mit Nets-Besitzer Joe Tsai sowie eine Spende in Höhe von 500.000 Dollar an Organisationen, die sich gegen Hassbotschaften einsetzen. Irving setzt es um und wird wieder aufgenommen.

Via Social Media folgt eine ausführliche Entschuldigung: "Entschuldigung, nicht nur an die jüdische Gemeinschaft, sondern auch an meine Familienmitglieder und Verwandten", sagte Irving, dem es sehr leid tue, was sein Handeln ausgelöst habe. "Ich bin kein Antisemit, ich war es nie. Ich habe keinen Hass in meinem Herzen für die jüdischen Menschen oder irgendwen, der sich als Jude sieht. Es war schwer, zu Hause mit meiner Familie zu sitzen, die all das auch sehen musste und Fragen hatte."

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Kyrie Irving und die Nets: 3,5 Jahre Chaos und kaum Erfolg

Danach wird es ruhig um Irving, er überzeugt stattdessen sportlich. Eine Rolle spielt auch, dass Irving einen neuen Vertrag von den Nets möchte, was dessen Stiefmutter und Beraterin bestätigt: "Wir hatten bislang noch keine bedeutsamen Gespräche. Der Wunsch ist, dass Brooklyn die Heimat bleibt, mit der richtigen Vertragsverlängerung. Das heißt, der Ball liegt in den Händen der Nets, sie müssen nun kommunizieren, ob sie das ebenfalls wollen."

Bedingung Irvings ist jedoch ein voller Maximalvertrag über vier Jahre und 200 Millionen Dollar - und diesem Wunsch wollen die Nets nicht nachkommen. Stattdessen dauert es nur gut eine Woche, bis Irving tatsächlich einen Trade fordert und diesen auch bekommt.

So endet das Kapitel Irving in Brooklyn nach nur 140 Partien (inklusive Playoffs) in knapp vier Jahren. Aus dem einstigen Superteam ist nur noch Durant übrig, zusammen reichte es gerade einmal für einen Seriensieg in den Playoffs. Immerhin: Mit Spencer Dinwiddie kehrt ein Fanliebling zurück. Der wurde 2021 via Sign-and-Trade für einen Zweitrundenpick nach Washington geschickt, nun erhalten die Nets den Guard plus Dorian Finney-Smith sowie einen Erstrundenpick zurück. Die NBA ist eben doch ein Dorf.