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WM 2022: Gewinner und Verlierer - Warum sich Katar als Sieger fühlen darf

Von Justin Kraft
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Die Weltmeisterschaft in Katar ist Geschichte. Argentinien hat bei der WM 2022 Geschichte geschrieben und konnte sich den begehrten Pokal sichern. Lionel Messi hat sich damit auch eindrucksvoll vom ewigen Kontrahenten Cristiano Ronaldo abgesetzt. SPOX schaut auf die Gewinner und Verlierer des Turniers.

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Schon nach der Gruppenphase haben wir geschaut, für wen das Turnier gut und für wen es weniger gut lief. Wir ziehen erneut Bilanz und präsentieren diesmal die Gewinner und Verlierer der gesamten WM.

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Die Gewinner der WM 2022:

Marokko, Afrika und Arabien

Marokko war die Überraschung der WM 2022. Mit dem Halbfinaleinzug haben die Löwen vom Atlas Geschichte geschrieben. Nie zuvor kam ein afrikanisches Team bei einer Weltmeisterschaft so weit. Damit haben sie nahezu den gesamten Kontinent hinter sich gebracht. Sie begeisterten und sie brachten Hoffnung nach Afrika. Dass die Afrikaner historisch nicht so erfolgreich sind wie Südamerika oder Europa hat diverse Ursachen und Gründe - viele davon sind strukturell und auch systematisch. Erfolge wie jener von Marokko können dabei helfen, Aufmerksamkeit auf die fehlende Unterstützung in der Förderung des afrikanischen Fußballs zu lenken.

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Kroatien

Ähnlich märchenhaft ist der sportliche Erfolg der Kroaten. Trotz schwacher Europameisterschaft und alternder Schlüsselspieler haben sie es geschafft, ihre Qualitäten für das Turnier in Katar nochmal zu mobilisieren. Defensivstärke und ein nahezu unpressbares Mittelfeld rund um Legende Luka Modric haben am Ende für den dritten Platz gereicht. Ein außerordentlich großer Erfolg für ein Land, das im Weltfußball sonst eher eine untergeordnete Rolle spielte. Aber auch der Beweis dafür, was mit mannschaftlicher Geschlossenheit und wenig Eitelkeit möglich ist.

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Didier Deschamps

Kritisiert, geächtet, manchmal sogar etwas belächelt - Didier Deschamps muss sich seit vielen Jahren den Vorwurf gefallen lassen, dass er aus einer absurden Vielzahl an Top-Spielern nicht mehr rausholt. Aber Moment mal! Der Mann ist immerhin 2018 Weltmeister geworden - und er stand dieses Jahr erneut im Finale. Die Fakten und Zahlen geben ihm recht. Schön anzusehen ist Frankreichs Fußball in den meisten Phasen der WM nicht gewesen. Gerade von dieser Offensivreihe hätte man sich doch noch deutlich mehr versprochen. Die ersten 79 Minuten des Finals unterstrichen alles, was man an den Franzosen kritisieren kann und muss.

Aber Deschamps ist Pragmatiker. Er weiß, dass seine Spieler größtenteils bei Klubs spielen, die entweder selbst den Fokus auf die Defensivarbeit legen oder aber nicht sonderlich bekannt dafür sind, taktisch attraktiven Offensivfußball zu zelebrieren. Atlético Madrid auf der einen und Real Madrid oder Paris Saint-Germain auf der anderen Seite - Deschamps arbeitet mit dem, was er hat. Und das macht er erfolgreich. Als Kylian Mbappé aufdrehte, war es plötzlich ein Finale. Außerdem bewies Deschamps mit seinen Wechseln abermals Fingerspitzengefühl und trug so zur Wende bei.

Ist die Kritik am oft biederen Spielstil berechtigt? Definitiv. Womöglich wäre mit einer anderen Herangehensweise auch der zweite WM-Titel drin gewesen. Trotzdem ist Deschamps ein Gewinner. Wer so konsequent und konstant Ergebnisse liefert, hat einfach alle Argumente auf seiner Seite. Man muss ihn dafür nicht lieben, aber den Respekt hat er sich verdient.

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Defensivfußball

Die Diskussionen über die Herangehensweisen der Nationen werden bei jedem Turnier hitzig geführt. Einerseits Fans des totalen Fußballs, andererseits Pragmatismus: Hauptsache das Ergebnis passt! Bei dieser WM hat sich der Defensivfußball durchgesetzt. Teams wie Deutschland, Spanien oder auch Brasilien, die ihren Fokus eher auf die Offensive gelegt haben, sind nicht nur früh ausgeschieden, sondern auch klar in der Minderheit gewesen.

Selbst die peniblen Niederländer spielten bei dieser WM Defensivfußball. Nicht immer zur Freude der anspruchsvollen Fans, aber eben doch erfolgreich. Im Halbfinale standen mit Argentinien, Frankreich, Marokko und Kroatien vier Teams, die auf ihre Art und Weise jeweils auch offensive Qualitäten hatten. Eines hat sie aber geeint: Ein gewisser Fokus auf defensive Stabilität. Nicht immer schön, aber gerade bei Nationalmannschaften, die im Jahresverlauf nicht viel Zeit für das Einstudieren komplexer Systeme haben, wohl die aktuell beste Wahl.

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Lionel Messi und Lionel Scaloni

Auch Lionel Messi profitierte bei dieser Weltmeisterschaft davon, dass sein Team taktisch sehr geschlossen auftrat. Argentiniens Trainer Lionel Scaloni hat es geschafft, zwei Dinge miteinander zu kombinieren, die zuvor undenkbar waren: Einerseits Messi so einzubinden, dass er seine ganze Klasse als absoluter Mittelpunkt des argentinischen Spiels zeigen kann, andererseits aber auch ein Team um ihn herum aufzubauen, das ihn nicht nur stützt, sondern auch selbst Highlights setzen kann.

Das beliebte Vorurteil, dass Argentinien ohne Messi nichts sei, ist Geschichte. Dass Messi sich bei diesem Turnier verewigen konnte und den goldenen Pokal endlich nach Argentinien gebracht hat, ist ein großer Verdienst des gesamten Teams. So ausbalanciert war Argentinien schon lange nicht mehr. Die beiden Lionels sind zwar die Anführer des Weltmeisters, aber sie wissen viele starke Persönlichkeiten, Spieler und Teammitglieder hinter sich. Dass Argentinien Weltmeister ist, ist die logische Konsequenz der guten Arbeit. Und Messi hat bei diesem Turnier abermals unterstrichen, warum er der Größte ist: Er vereint einmaligen Individualismus mit der Fähigkeit, sich in ein Team zu integrieren.

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Kylian Mbappé

Er trifft und trifft und trifft und ... Ihr wisst schon. Kylian Mbappé ist 23 Jahre jung und kommt bereits auf zwölf Tore bei Weltmeisterschaften. Vier Stück fehlen ihm noch bis zu Miroslav Kloses Rekord. Unter den aktiven Spielern ist er der einzige, dem dieses Stück Fußballgeschichte zuzutrauen ist. Der Superstar von Paris Saint-Germain wird, sollte er fit bleiben, noch mindestens zwei Weltmeisterschaften spielen. Angesichts des Talents, das Frankreich auch in den jungen Jahrgängen aufbietet, sollte für ihn noch einiges möglich sein. Dass er drei Tore in einem WM-Finale erzielt, Frankreich fast im Alleingang wieder auf Kurs bringt und am Ende dennoch leer ausgeht, ist fast schon absurd.

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Benfica

Auch unter den Klubs gibt es einige Gewinner. Der größte unter ihnen: Benfica. Gonçalo Ramos und Enzo Fernández haben bei dieser WM eindrucksvoll ihr Talent unter Beweis gestellt und werden den Portugiesen voraussichtlich sehr viel Geld einbringen. Die Adler sind ohnehin schon die Meister des Verkaufens, haben in den letzten zehn Jahren mehr Transfergewinn gemacht als alle anderen europäischen Top-Klubs. Es ist absehbar, dass der eine oder andere Euro bald dazukommt - zumal es ja auch sportlich in der Champions League mehr als gut für das Team von Roger Schmidt läuft.

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Japan

Siege gegen Deutschland und Spanien, ein dramatisches Achtelfinale gegen Kroatien und wieder ein sehr sympathisches Auftreten der Fans in Katar - für Japan war es alles in allem ein spektakuläres, wenn auch recht kurzes Turnier. Die vier Spiele konnten sie sehr genießen. Auch in der Heimat wurde das Team zu Recht gefeiert. Dass es gegen Kroatien im Elfmeterschießen nicht reichte, ist bitter. Aber mit aufgeräumten Tribünen, dem Favoritensturz Deutschlands und sehr leidenschaftlichem Fußball ist es Japan gelungen, viele Sympathien zu erobern.

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Katar

Diese WM hatte sportlich sicher ihre Momente. Und doch blieben all die außersportlichen Themen stets präsent. Je länger das Turnier dauerte, desto mehr geriet der Sport aber in den Mittelpunkt. Katar zählte in der Gruppenphase für viele Beobachterinnen und Beobachter noch zu den Verlierern, weil Missstände ganz offensichtlich wurden. Und doch sind sie jetzt einer der größten Gewinner.

Sie haben die WM nicht nur über die Bühne gebracht, sondern ihre politischen Beziehungen zum Westen weiter vertiefen und verankern können. Je länger das Turnier dauerte, desto mehr rückte die Kritik in den Hintergrund. Dass Sportswashing funktioniert, hat dieser Veranstalter unter Beweis gestellt. Der Gipfel des Ganzen war die Bischt-Übergabe an Lionel Messi (hier geht's zum Kommentar). Es wird wohl kaum jemanden geben, der die problematische menschenrechtliche Situation nicht als Negativpunkt der WM benennen würde - und doch zeigten sich am Ende deutlich mehr Menschen genervt von der Kritik als von der Veranstaltung und ihren Nebenschauplätzen selbst. Ein schlechtes Zeichen, aber ein klarer Punktsieg für Katar.

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Gianni Infantino und die FIFA

Und auch einer für Gianni Infantino. Die FIFA hat sich in der Debatte rund um die "One Love"-Binde beispielsweise durchgesetzt. Mit Repressionen und scheinheiligen Ersatzbinden schafften sie es, die Verbände einknicken zu lassen. Während sich Infantino stets gut gelaunt, fröhlich und Hände schüttelnd in Katar präsentierte, setzte sich auch in weiten Teilen des Fußballs die altbackene Meinung durch, dass Sport und Politik getrennt werden müssten.

Plötzlich gab es Profifußballer und Verantwortliche, die sich vor den Kameras dieser Welt fast schon darüber lustig machten, dass Deutschland beispielsweise wegen einer Geste oder wegen der Debatte um die "One Love"-Binde ausgeschieden sei. Dass dies eine Sportveranstaltung sei und keine politische. Dass diese Meinung in weiten Teilen der Gesellschaft nach wie vor vertreten wird, ist vor allem angesichts der letzten beiden hochpolitischen Weltmeisterschaften, aber auch mit Blick auf die ältere Geschichte kaum zu glauben.

Die FIFA aber profitiert davon. Während sie selbst ein immer stärkerer politischer Akteur wird, nutzt sie das ohnehin falsche Argument der Trennung von Sport und Politik, das sie selbst auch ständig widerlegt, um ungewünschte Meinungen von sich fern zu halten. Der Weltverband konnte seine Show durchziehen und wird nicht mit dem Gefühl aus Katar abreisen, etwas falsch gemacht zu haben. Und das obwohl Menschenrechtsorganisationen weiterhin klagen.

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Die Verlierer der WM 2022:

Die großen nationalen Verbände

Genau das macht die großen nationalen Verbände wie beispielsweise den DFB zu Verlierern dieser Weltmeisterschaft. Sie haben es zugelassen, dass die FIFA und auch Katar als Gewinner hervorgehen können, obwohl sie eigentlich die Verlierer hätten sein müssen. Sie haben es vor allem verpasst, in den richtigen Augenblicken Haltung zu zeigen. Stattdessen aber begnügten sie sich entweder mit den kleinstmöglichen Kompromissen oder knickten komplett ein.

Selbst beim DFB, der sich zunächst noch empört darüber zeigte, dass die FIFA ihm den Mund verbiete, ist die Aufregung schnell gewichen. Auffällig schnell. Bernd Neuendorf ruderte mittlerweile sogar zurück, was Drohungen einer möglichen Nicht-Wahl Infantinos bei der nächsten Gelegenheit betraf. Schon die Androhung sportlicher Konsequenzen, die teilweise nicht mal dem Regelwerk entsprechen, reichte aus für die FIFA, um sich zu behaupten. Ein schwacher Auftritt - vor allem von denen, die selbst eine mächtige Stellung im Weltfußball haben.

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Die Arbeitsmigranten

Dass Katar und die FIFA Sportswashing betreiben, lässt sich auch an den Statements jener Organisationen ablesen, die sich seit vielen Jahren für die Menschenrechte in Katar einsetzen. Und das nicht jetzt erst, sondern bereits seit vielen Jahren. Denn auch wenn es Verbesserungen gab, so gab es zugleich immer wieder Rückschritte und Zweifel daran, ob das Land den vermeintlichen Weg auch nach der WM aufrechterhalten würde.

Rothna Begum von Human Rights Watch sagte nun, wenn die FIFA und Katar "keine Abhilfe für die weitreichenden, nicht behobenen Missstände schaffen, unter denen Migranten bei der Vorbereitung und Durchführung des Turniers zu leiden hatten, werden sie ein Erbe der Ausbeutung und Schande hinterlassen". Sie warf ihnen damit Untätigkeit im Zusammenhang mit dem Schicksal vieler Arbeitsmigranten vor.

Auch Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, äußerte sich in einer Mitteilung am Freitag ähnlich. Er sagte, dass die Wanderarbeiter, "die in Katar ausgebeutet wurden, die großen Verlierer dieser WM" seien. Die FIFA und Katar hätten sich auf "beschämende Weise" widersetzt, den Arbeitern "die ihnen zustehende Entschädigung zukommen zu lassen". Solange die FIFA ihre Verantwortung für ihre menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten nicht übernehme, "wird diese WM in Katar in die Jahrbücher eingehen, als das Turnier, welches auf dem Rücken der Schwächsten ausgetragen wurde". Mehr ist da wohl nicht hinzuzufügen.

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Die Spieler

Obwohl! Eine Sache gibt es da doch noch: Auch wenn es falsch wäre, die Spieler komplett aus der Verantwortung zu nehmen, so ist der häufig auf sie gerichtete Fokus in der Sache oft unfair. Das Abwälzen der Debatte auf jenen, die oft unter dem Druck der Verbände handeln (müssen), führt am eigentlichen Thema vorbei. Die Kritik sollte beim Weltverband und bei den nationalen Verbänden ansetzen. Diese versteckten sich bei diesem Turnier aber viel zu oft hinter den Interviews, die die Spieler und Trainer dazu gaben.

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Karim Benzema

Natürlich hatte diese WM auch sportlich den einen oder anderen Verlierer. Einer von ihnen ist Karim Benzema. Der Stürmer von Real Madrid verletzte sich kurz vor dem Turnier und konnte so nicht teilnehmen. Viel schlimmer ist aber, dass er sich im Team offenbar wenig Freunde machen konnte. Allen voran die anscheinend geschädigte Beziehung zu Didier Deschamps macht ihn zum großen Verlierer der WM. Denn selbst wenn der Trainer sich dazu entscheiden sollte, nach der WM aufzuhören, so bleibt die Frage, wie gut sich Benzema in dieses Team integrieren kann. Es ist sehr fraglich, ob er nochmal zurückkehren wird.

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Cristiano Ronaldo

Bei Cristiano Ronaldo ist es ziemlich sicher, dass er zumindest keine WM mehr spielen wird. Unter Tränen verließ er im Viertelfinale den Platz und ging in die Kabine. Den letzten ganz großen Titel, den er noch haben wollte, konnte er abermals nicht gewinnen. Sicher liegt das nicht nur an ihm. Und doch wurde bei dieser WM der große Unterschied zu Lionel Messi deutlich. Auch Portugal ist durchaus ein intaktes und starkes Team. Steht Ronaldo aber auf dem Platz, verändert sich die komplette Dynamik. Plötzlich ist alles auf ihn zugeschnitten.

Das macht die Portugiesen berechenbarer. Zumal Ronaldo als Zielspieler nicht mehr so zuverlässig ist wie noch vor einigen Jahren. Ronaldo macht seine Teams nicht mehr besser, andersherum performen sie aber oft besser ohne ihn. Messi hingegen ist trotz seiner individuellen Klasse und seiner Highlightmomente Teil des Teams. CR7 hat nicht nur seine letzte Chance auf einen Titel verloren, sondern auch die Debatte darüber, wer der beste Spieler dieser Generation ist.

Wie es für ihn nach der WM weitergeht, ist nach wie vor unklar. Ein Wechsel nach Saudi-Arabien ist im Gespräch. Damit würde er aus dem europäischen Fokus rutschen. Es wäre ein unrühmlicher, aber irgendwie passender Abschied, betrachtet man die Entwicklung der letzten ein bis zwei Jahre. Seine Zeit ist vorbei.

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Der VAR

Der VAR ist ohnehin Objekt einer hitzigen Diskussion im Fußball. So wie die umstrittene Technik aber bei dieser WM eingesetzt wurde, ist sie definitiv kein Mehrwert für den Fußball. Selbst bei Millimeterentscheidungen ließ die FIFA ihre Videoschiedsrichter eingreifen. Damit öffnete sie der Willkür alle Türen. Vor allem aber wurden viel zu viele Situationen geprüft. Beim Gruppenspiel zwischen Kroatien und Belgien führte das dazu, dass nicht mehr als ein Stück Stoff für eine Abseitssituation ausschlaggebend war. Niemand, nicht mal die Technik kann auf den Millimeter und die Millisekunde genau bestimmen, ob ein Spieler im Abseits steht und wann der Ball genau gespielt wird.

Eine klare Fehlentscheidung? Kaum zu beurteilen. Offiziell erklärte die FIFA zu ihrem angeblich verbesserten VAR-System, es werde nur "klare und offensichtliche Fehler in spielentscheidenden Situationen" behandeln. Das war bei dieser WM eindeutig nicht der Fall - und so werden die Diskussionen weitergehen. Mit einigen Argumenten mehr für die Contra-Seite.

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Spanien

Für Spanien ist es ein weiteres enttäuschendes Turnier gewesen. Zwar erreichte man bei der Europameisterschaft im letzten Jahr noch das Halbfinale, doch auch da bahnten sich bereits Probleme an. Nun ist man am ersten guten Gegner in der K.-o.-Phase gescheitert. Zwar im Elfmeterschießen, aber zahnloser denn je. Das Ballbesitzspiel beherrschen die Spanier nach wie vor, aber sie haben es noch nicht geschafft, ihre Zielstrebigkeit und Effizienz wiederzufinden, die sie einst so auszeichnete.

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England

England wiederum geht zwiegespalten aus dieser WM hervor. Einerseits ist man gegen Frankreich ausgeschieden. Das kann passieren und nur ein Elfmeter von Harry Kane hätte die Geschichte verändern können. Andererseits ist es Gareth Southgate wieder nicht gelungen, aus dem riesigen Potenzial, das der Kader ihm bietet, eine nahe am Optimum funktionierende Mannschaft zu formen. Fußballerisch ist das an vielen Stellen nicht gut genug. Und trotzdem darf Southgate weitermachen. Ob es bei der EM 2024 in Deutschland dann endlich klappt? Fraglich. Schon jetzt kann man davon sprechen, dass wertvolle Jahre verschenkt wurden. England spielt einen ähnlich biederen Fußball wie Frankreich - und zeigt damit, dass nicht jeder auf diese Art und Weise erfolgreich sein kann. Vielleicht hätte eine Veränderung auf der Trainerbank Sinn ergeben.

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Brasilien

Brasilien war für viele und auch für sich selbst der absolute Top-Favorit auf den Titel, um dann an Kroatien im Elfmeterschießen zu scheitern. Auf unvorstellbar naive Art und Weise kassierten sie den Ausgleich und fuhren nach Hause. Das ist vor allem deshalb ärgerlich, weil Brasilien gar nicht so viel falsch gemacht hat. Hier lest Ihr die SPOX-Analyse.

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FC Bayern München

Wo es Gewinner auf Klubebene gibt, gibt es auch Verlierer. Der FC Bayern ist ganz sicher einer. Angefangen bei Lucas Hernández und seiner schweren Verletzung, über das kollektive Scheitern des Bayern-Blocks im DFB-Team bis hin zum ganzen Katar-Thema, das in den vergangenen Wochen wieder mehr Fahrt aufgenommen hat. Ärgerlich ist zudem das Saisonaus für Manuel Neuer.

Immerhin: Mit Noussair Mazraoui und dem französischen Block kommen einige Spieler mit viel Selbstvertrauen zurück. Wobei gerade bei Benjamin Pavard und Kingsley Coman die Frage berechtigt ist, wie groß dieses wirklich ist. Beide hatten eher eine WM zum Vergessen. Zwar konnte Coman im Finale seine beste Turnierleistung zeigen, doch der verschossene Elfmeter könnte nachwirken.

Auch Matthijs de Ligt spielte bei den Niederländern keine wirkliche Rolle. Josip Stanisic kam im Spiel um Platz drei für Kroatien zu seinem einzigen Einsatz im Turnierverlauf. Wichtige Erfahrungen konnte er sammeln und so zählt er noch zu den Gewinnern unter den Münchnern.

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DFB und der deutsche Fußball

Der DFB schafft es bei dieser WM, gleich auf mehreren Ebenen ein Verlierer zu sein. Eine weitere: Die Entwicklung des deutschen Fußballs. Teil der Aufarbeitung der sportlichen Probleme war es, eine Task Force aufzustellen, die den Verband nun beraten soll. Mit Oliver Kahn, Karl-Heinz Rummenigge, Matthias Sammer, Rudi Völler und Oliver Mintzlaff besteht das Gremium nun aus zweifelsohne kompetenten Experten. Kritik gab es dennoch reichlich und das auch zu Recht.

Angefangen bei der Frage nach Lobbyarbeit. All diese Personen vertreten klare Interessen im Klubfußball, die sie nun auch im Verband geltend machen können. Vor allem aber vertreten sie alle Interessen jener Klubs, die ohnehin schon sehr mächtig sind. Der Kritikpunkt nach mehr Diversität ist auch deshalb so relevant, weil der deutsche und der europäische Spitzenfußball sich immer mehr von der Basis entfernen.

Nun sollen Leute den DFB zurück in die Bahn bringen, die jahrelang in unterschiedlichen Positionen mitverantwortlich dafür waren, wohin sich der Fußball entwickelt hat. Hätte der DFB es mit der Aufbruchstimmung ernst gemeint, hätte er Vertreterinnen und Vertreter aus allen für den Gesamtverband relevanten Sparten in das Gremium aufgenommen.

So hat er sich erstmal vor allem eines verschafft: Ruhe. Wie lange diese anhalten wird, wird sich zeigen müssen. Bis zur Europameisterschaft 2024 ist nicht mehr viel Zeit.

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