Hiroki Ito hat am Donnerstag einen Vertrag beim FC Bayern München unterschrieben. Die Bewertung eines Transfers hängt immer von mehreren Faktoren ab. Finanziell, sportliche Vergangenheit, Alter und die damit verknüpfte Entwicklungsfähigkeit, auch der Bedarf im Kader spielt eine Rolle.
Bei Ito ist die Euphorie zunächst überschaubar. Der Innenverteidiger des VfB Stuttgart hat aber eine überragende Saison hinter sich und steht nur deshalb etwas im Schatten der öffentlichen Aufmerksamkeit, weil offensivere Positionen automatisch mehr vom Rampenlicht erhalten.
Eine Sockelablöse von 23 Millionen Euro soll laut dem kicker nach Stuttgart überwiesen werden. Hinzu kommen erfolgsabhängige Boni, die die Summe auf bis zu 28 Millionen Euro ansteigen lassen können. Ito bringt im Gesamtpaket das Potenzial mit, ein sehr starker Transfer zu werden - wenn der Kontext stimmt.
FC Bayern: Was passiert noch in der Innenverteidigung?
Und das ist der springende Punkt: Neben den Faktoren, die den Spieler direkt betreffen, wird ein Transfer immer im Kontext aller Kaderveränderungen bewertet. Bei Ito ist das noch nicht möglich. Der Japaner ist die erste größere Neuverpflichtung für die kommende Saison.
Es ist unklar, was in der Defensive noch passiert. Angesichts der Unklarheit rund um Alphonso Davies ist es ein großer Pluspunkt, dass der 25-Jährige auch als Linksverteidiger eingesetzt werden kann. Gleichzeitig gibt es derzeit mehrere Medienberichte, die einen Verkauf von Dayot Upamecano und Matthijs de Ligt ins Spiel bringen - während Jonathan Tah als weiterer Neuzugang gehandelt wird.
Bei Upamecano ist die Situation relativ eindeutig: Der Franzose verfügt wahrscheinlich über das größte Potenzial unter den Innenverteidigern des FC Bayern. In rund 85 Prozent der Spiele einer Saison kann er das in der Regel zeigen. Die anderen 15 Prozent sind jedoch derart wechselhaft und teils haarsträubend, dass zu Recht hinterfragt wird, ob er die mentale Stärke für einen Topklub hat.
De Ligt hingegen hatte eine starke Debütsaison, kämpfte sich in der vergangenen Saison trotz Verletzungen, Bankplatz und großer Zweifel an seiner Zukunft zurück. Der Niederländer zählt zu den zweikampfstärksten Spielern des Kaders, ist zudem erst 24 Jahre jung. Sein Entwicklungspotenzial ist enorm, ist er doch schon jetzt einer der besten Abwehrspieler der Bundesliga, obwohl ihm anzusehen ist, dass er im Spielaufbau noch Schritte nach vorn machen kann.
FC Bayern: Was ist die Transferstrategie?
Tauscht der FC Bayern am Ende mit Upamecano und de Ligt zwei noch relativ junge Innenverteidiger mit Entwicklungspotenzial gegen den 25-jährigen Ito und den 28-jährigen Tah, würde das gegen die zuletzt von Max Eberl angedeutete Verjüngungskur des Kaders sprechen.
Ohnehin muss die Frage erlaubt sein, was genau die Strategie des FC Bayern ist. Während ein junges Talent wie Assan Ouédraogo zu RB Leipzig wechselt, nachdem die Münchner ein Jahr lang an ihm interessiert waren, schaut man sich nach aktuellen Gerüchten auf dem Transfermarkt bei gestandenen Bundesliga-Spielern um, bei denen keine großen Sprünge mehr zu erwarten sind. Ein Tausch zweier Innenverteidiger mit Tah und Ito würde das unterstreichen.
Beide haben bei Stuttgart und Leverkusen großen Anteil am Erfolg. Doch gerade Tah spielt mit 28 seine erste Saison überhaupt auf diesem konstanten Niveau - und das in einem perfekt funktionierenden Team, das optimal aufeinander abgestimmt ist. Der Leverkusener ist kein besonders guter Aufbauspieler, hatte vor der Meistersaison zudem immer wieder mit seiner Formkurve zu kämpfen. Fraglich, ob er den Transferaufwand wert wäre, den man dafür betreiben würde.
Warum Hiroki Ito ein guter Transfer für den FCB sein kann
Da passt Ito schon etwas besser ins Raster der Münchner. Denn der Noch-Stuttgarter ist ein sehr guter Aufbauspieler, trifft auch unter Pressingdruck gute Entscheidungen. Einerseits bringt er also technisch ein Profil mit, das den Bayern aktuell fehlt. Andererseits wird er mit anderen Ansprüchen nach München kommen als jemand wie Tah, der nach der abgelaufenen Saison wohl nur als Stammspieler zum FCB wechseln würde.
Ito hingegen wechselt nicht vom alles überstrahlenden Meister nach München, sondern vom VfB Stuttgart. Er wäre eine sehr gute Verpflichtung für die Breite des Kaders - gerade weil er sich als Spielertyp recht deutlich von den anderen Innenverteidigern der Bayern unterscheidet und auch links aushelfen kann.
Das finanzielle Risiko ist dabei überschaubar. Die Frage bei Ito ist, ob er sein Niveau auch auf das Top-Level beim FC Bayern übertragen kann. Zuzutrauen ist es ihm nach den sehr konstanten Leistungen im letzten Jahr allemal.
Hiroki Ito: Der neue Benjamin Pavard?
So sehr man an diesem Transfer viele positive Aspekte finden kann, so sehr wird das Fazit am Ende davon abhängen, was die Bayern noch machen. Es wäre ein hohes Risiko, zu glauben, dass der Stuttgarter jemanden wie de Ligt aus dem Stand ersetzen könnte - das trifft aber auch auf Tah zu.
Tauscht man die beiden gegen zwei etablierte Spieler, besteht die Gefahr, dass man sich auf einer Position verschlechtert, in die man in den letzten Jahren Unmengen an Geld investiert hat. Zumal man sich zumindest im Fall von de Ligt eine Baustelle aufmachen würde, die gar nicht nötig ist. Ein Umbruch mag wichtig sein, nur sollten die Bayern aufpassen, nicht zu viel zu verändern.
Trotzdem hat Ito das Potenzial, einer wie Benjamin Pavard zu werden - der für einen ähnlichen Betrag ebenfalls vom VfB Stuttgart kam und zunächst kritisch beäugt wurde. Dann aber wurde der Franzose zu einem der wichtigsten Spieler des Kaders, ohne dabei je im Verdacht gestanden zu haben, ein absoluter Weltklasse-Fußballer zu sein.
Pavard hat seinen Stiefel auf jedem Niveau souverän runtergespielt und dabei nur selten Fehler gemacht. Damit gab er den Bayern Stabilität. Sein Wechsel hat dahingehend eine Lücke hinterlassen, die Ito womöglich füllen könnte. Mindestens als zuverlässiger Backup, der dem Kader Breite gibt.
Zuzutrauen ist ihm auch mehr. Das allein macht den Transfer nicht nur nachvollziehbar, sondern sogar smart. Mit ihm als Toplösung in der Innenverteidigung zu planen und dafür Spieler wie de Ligt und/oder Upamecano abzugeben, wäre aber ein unnötig hohes Risiko.
FC Bayern München: Der Sommerfahrplan im Überblick
Datum | Duell | Partie |
28. Juli | 1. FC Düren vs. FC Bayern München | Testspiel |
3. August | FC Bayern München vs. Tottenham Hotspur | Testspiel |
17. August | SSV Ulm vs. FC Bayern München | 1. Runde DFB-Pokal |
23.-25. August | FC Bayern München vs. tba | 1. Spieltag Bundesliga |