Martin Fraisl vom FC Schalke 04 im Interview: "Ausmisten, Tiere-Füttern, Feldarbeit: Ich war permanent im Einsatz"

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Martin Fraisl arbeitete auf dem Bauernhof und wollte Skifahrer werden, ehe er seinen Plan änderte und im Alter von 16 Jahren im Verein zum Fußballspielen anfing. Physisches Training alleine reichte ihm nicht, also schaute er pro Tag zwei Spiele und reiste quer durch Europa, um Torleute zu studieren. Heute ist der Österreicher 28 und Stammkeeper des FC Schalke 04. Im Interview mit SPOX und GOAL erzählt Fraisl seine erstaunliche Geschichte.

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Herr Fraisl, Sie sind im Sommer zum FC Schalke 04 gewechselt - und haben nach Bezug Ihres neuen Zuhauses erstmal die Nachbarschaft zum Biertrinken eingeladen. Gab es Wieselburger aus Ihrer Heimat im österreichischen Mostviertel oder Veltins?

Fraisl: Ich habe in Gelsenkirchen leider kein Wieselburger bekommen, deswegen wurde es Veltins. Später habe ich aber mal für unsere Zeugwarte aus Österreich Wieselburger mitgenommen. Sie fanden Veltins besser.

Wie lief das Kennenlernen mit der neuen Nachbarschaft?

Fraisl: Das war damals relativ spontan. Die Kinder haben auf der Straße gespielt und ich habe alle, die vorbeigekommen sind, zu uns eingeladen. So wurden es immer mehr Leute. Ich bin sehr offen und gehe gerne auf Menschen zu. Mit einigen Schalke-Fans aus unserer Straße haben meine Frau und ich guten Kontakt. Über diesen Weg bekomme ich auch mit, was die Fans über meine Leistungen und die der gesamten Mannschaft denken.

Und?

Fraisl: Aktuell sind die Rückmeldungen durchweg positiv. Gleich zu Beginn der Saison habe ich die Erwartungen gedämpft. Ich habe den Fans erklärt, wie schwer es für eine neu zusammengestellte Mannschaft ist. Unser Ziel war es, im Winter in Schlagdistanz zu den Aufstiegsplätzen zu sein, um dann in der Rückrunde anzugreifen.

Aktuell liegt Schalke auf Platz fünf. Klappt der Aufstieg?

Fraisl: Ja, ich sehe sehr gute Chancen.

Ihr Vertrag läuft im Sommer aus. Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus, was haben Sie für Ziele?

Fraisl: Ich fühle mich auf Schalke sehr, sehr wohl und mag die Leute im und um den Verein. Die Schalker Mentalität gefällt mir gut. Ich kann mir eine Vertragsverlängerung gut vorstellen. Generell habe ich einen klaren Karriereplan. Bevor ich meine Frau kennengelernt habe, wusste nur meine Mutter über die nächsten Schritte Bescheid. Jetzt ist auch meine Frau eingeweiht. Öffentlich spreche ich über meine Karriereschritte immer erst, sobald ich sie erreicht habe. Aber wenn man mit Schalke in der 2. Liga spielt, kann man sich denken, was mein nächstes großes Ziel ist.

Wohl der Aufstieg in die Bundesliga. Ein anderes Ziel könnte die WM nächsten Winter in Katar sein. Österreich kann sich über die Playoffs noch qualifizieren. Schafft es Österreich? Und stehen Sie dann im Tor?

Fraisl: Das kann ich mir beides gut vorstellen. Österreich hat sehr gute Chancen auf die Qualifikation. Die Playoff-Gegner Wales, Schottland und Ukraine sind schlagbar. Und wenn ich so weitermache, werde ich bis dahin bestimmt mit dabei sein. Bei den letzten Lehrgängen war ich bereits auf Abruf nominiert.

Martin Fraisl löste Ralf Fährmann Ende September als Stammkeeper des FC Schalke 04 ab.
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Martin Fraisl löste Ralf Fährmann Ende September als Stammkeeper des FC Schalke 04 ab.

Sie haben Ihren klaren Karriereplan angesprochen. Gab es jemals ein Ziel, das Sie nicht erreicht haben?

Fraisl: Ich hatte das Ziel, nie abzusteigen. Letztes Jahr hat es mich mit ADO Den Haag aber leider erwischt.

Ein Blick zurück in die Vergangenheit: Sie sind auf einem Bio-Bauernhof im österreichischen Mostviertel aufgewachsen. Mussten Sie als Kind mithelfen?

Fraisl: Logisch. Ausmisten, Tiere füttern, Feldarbeit: Ich war permanent im Einsatz. Später hatte ich wegen meiner Sportlerkarriere weniger Zeit als mein Bruder, der heute noch auf dem Hof unserer Eltern arbeitet und ihn irgendwann übernehmen wird.

Können Sie sich vorstellen, nach der aktiven Karriere an den Hof zurückzukehren?

Fraisl: Nein, ich möchte nach der aktiven Karriere gerne im Fußball bleiben.

Welche Aufgaben haben Sie damals am liebsten übernommen, welche am wenigsten gern?

Fraisl: Am liebsten bin ich mit dem Traktor pflügen gefahren. Nicht so gerne war ich draußen, wenn es geregnet hat. Aber das war egal: Was getan werden musste, musste getan werden.

Helfen Sie heutzutage noch gelegentlich mit?

Fraisl: Ehrlich gesagt nicht. Ich bin sehr selten zuhause und wenn doch, versuche ich möglichst viel Zeit mit Freunden und meiner Familie zu verbringen. Meine Eltern sorgen dann dafür, dass die Arbeit zur Ruhe kommt.

Was wird am Hof vertrieben?

Fraisl: Das Hauptgeschäft ist der Verkauf von Geflügel. Wir bauen aber auch Kartoffeln und Karotten an.

Nehmen Sie bei Heimatbesuchen Proviant mit?

Fraisl: Bei der Rückreise nach Gelsenkirchen habe ich immer eine riesige Kühlbox mit Fleisch dabei. Das Fleisch von unserem Hof hat die beste Qualität. Ich weiß, wo es herkommt und dass es komplett Bio ist. Für mich als Sportler ist das perfekt.

Stimmt es, dass Sie in jungen Jahren Skifahrer werden wollten?

Fraisl: Ja, die Pläne waren damals sehr konkret. Im Winter war ich fünfmal pro Woche Skifahren, in den Sommerferien habe ich am Gletscher trainiert. Mit 16 habe ich mich aber dann für den Fußball entschieden.

Wie kam es?

Fraisl: Skifahren war schön und ich mochte es. Ich konnte dabei aber nicht meine ganze Sport-Leidenschaft ausleben. Ich konnte mich nicht so verhalten, wie man mich heute auf dem Fußballplatz kennt. Ich habe das Skifahren letztlich nicht in dem Maße geliebt, wie ich den Fußball liebe. Irgendwann kam dann der Moment, an dem ich umgeschwenkt bin.

Denken Sie, dass das Ski-Training Ihnen als Fußballer etwas gebracht hat?

Fraisl: Ja, durch das Skifahren habe ich mir eine physische Basis geschaffen. Ich bin dadurch sehr dynamisch und beweglich. Von der Athletik-Abteilung höre ich häufiger, dass meine Sprungwerte sehr gut sind. Das hat sicher mit dem Skifahren zu tun.

Haben Sie schon vor Ihrem Sportarten-Wechsel regelmäßig Fußball gespielt?

Fraisl: Ich war nicht im Verein, habe aber in meiner Freizeit gerne gespielt. Im Tor stehe ich, seit ich acht oder neun Jahre alt bin. Damals habe ich bei einem Fußballspiel in der Schule den Sohn eines Lehrers so umgegrätscht, dass sein Vater gesagt hat: "Jetzt reicht's, der muss ins Tor."