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WM 2022 - Fan-Betreuerin Julia Zeyn im Interview: "Deutsche wohnen in Privatunterkünften von Gastarbeiter:innen"

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© getty

Wie viele deutsche Fans werden bei der WM erwartet? Wie organisieren sie ihre Trips? Und was hat es mit den kuriosen Fanmarsch-Videos auf sich? Im Interview mit SPOX und GOAL liefert Julia Zeyn Antworten - und erklärt die Arbeit der deutschen Fanbotschaft in Doha.

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Zeyn (41) ist als Referentin bei der Koordinationsstelle Fanprojekte bei der dsj (Deutsche Sportjugend) tätig. Während der WM betreut sie die deutsche Fanbotschaft vor Ort.

Frau Zeyn, Sie arbeiten während der WM für die deutsche Fanbotschaft in Doha. Was kann man sich darunter vorstellen?

Julia Zeyn: Wir sind ein Informations- und Hilfsangebot für Fans der deutschen Nationalmannschaft. An der zentral gelegenen Gate Mall in Doha haben wir einen fixen Pavillon. Da kann man mit allen möglichen Fragen vorbeikommen: Welche kulturellen Besonderheiten gibt es? Wie verhalte ich mich richtig? Wie sehen die rechtlichen Rahmenbedingungen aus? Wie komme ich wohin? Wo gibt es Alkohol und zu welchem Preis? An unserem Pavillon vertreiben wir auch unser Fanmagazin "Helmut", das zu jedem DFB-Spiel erscheint. Außerdem sind wir regelmäßig auf den Straßen unterwegs und frühzeitig an den Stadion-Eingängen, um - wenn nötig - beim Einlass zu helfen.

"We want beer!" Tumulte in Doha

Kooperieren Sie mit dem DFB?

Zeyn: Ja, wir kooperieren mit der Abteilung Gesellschaftliche Verantwortung des DFB. Der DFB finanziert die Arbeit der Fanbotschaft. Außerdem arbeiten wir mit der deutschen Botschaft in Doha sowie der englischen und walisischen Fanbotschaft zusammen. Die haben ein ähnliches Angebot wie wir und sind am gleichen Standort anzutreffen.

Gibt es Verbindungen zwischen der Fanbotschaft und dem Fanclub Nationalmannschaft?

Zeyn: Bei der Fanbotschaft in Doha werden uns zwei Vertreter des Fanclubs unterstützen. Die Fanbotschaft gibt es schon seit den 1990er-Jahren, der Fanclub ist deutlich jünger.

Der Fanclub Nationalmannschaft hat sein Hauptquartier während der WM in Dubai aufgeschlagen. Wie läuft die Organisation ab?

Zeyn: Die Fans werden am Spieltag von Dubai nach Doha geflogen und nach Abpfiff wieder zurück. Wer keine Unterkunft in Doha besitzt, muss das Land während der WM nach spätestens 24 Stunden verlassen.

Wie viele Personen begleiten die deutsche Nationalmannschaft auf diesem Weg?

Zeyn: Eine knapp dreistellige Anzahl an Fans.

Wie viele deutsche Fans werden insgesamt in Katar erwartet?

Zeyn: Die FIFA hat etwa 35.000 Tickets an deutsche Bürger:innen verkauft. Wir gehen davon aus, dass es sich dabei um 7.000 bis 9.000 Personen handelt. Wie viele Fans aus Deutschland die Spiele des DFB-Teams exakt besuchen werden, wissen wir leider nicht.

Wie sind diese Zahlen im Vergleich zu den zurückliegenden Turnieren einzuordnen?

Zeyn: Generell ist die Anzahl an deutschen Fans bei Weltmeisterschaften rückläufig. In Russland waren weniger als in Brasilien, jetzt in Katar sind es noch mal deutlich weniger. Die Gründe dafür sind sicher vielfältig: die Menschenrechtslage, die Umstände der Vergabe, die hohen Kosten. Fanorganisationen aus Deutschland kritisieren seit Jahren die zunehmende Kommerzialisierung im Fußball.

Wer sind die deutschen Fans, die trotzdem nach Katar reisen?

Zeyn: In erster Linie eher Menschen mit höherem Einkommen, Allesfahrer:innen und Groundhoper:innen. Fans, die seit langem bei jedem Turnier dabei sind, lassen sich trotz sicher bestehender Gewissenskonflikte am Ende nicht abschrecken. Die lieben den Fußball, wollen den Länderpunkt machen und die Stadien besuchen, bevor sie wieder abgebaut werden. Dank ihrer Groundhopping-Erfahrung wissen die Allesfahrer:innen auch, wie man so eine Reise günstig organisiert.

Zum Beispiel?

Zeyn: Wie die Teilnehmer:innen der Fanclub-Reise pendeln auch viele Individualreisende aus umliegenden Ländern zu den Spielen. Ich weiß von Fans, die ihre Unterkunft in Bahrain, dem Oman und den Vereinigten Arabischen Emiraten haben. Außerdem habe ich gehört, dass einige Deutsche in Privatunterkünften von Gastarbeiter:innen wohnen. Ich weiß aber nicht, wie diese Konstellationen zustande gekommen sind.

Wie haben Ihre Vorbereitungen auf das Turnier ausgesehen?

Zeyn: Hauptsächlich ging es darum herauszufinden, wie die Bedingungen für reisende Fans vor Ort sind und welche kulturellen Besonderheiten tatsächlich gelten. Ob im Zweifel "internationales" Recht oder katarisches Recht angewandt wird. In einigen Punkten ist das bis jetzt unklar. Wir gehen davon aus, dass im öffentlichen Raum während des Turniers eher Regeln gelten, die den FIFA-Stadionordnungen entsprechen.

Sie haben die Kooperation mit der englischen Fanbotschaft angesprochen. Wissen Sie über deren Ticket-Kontingent Bescheid?

Zeyn: Die Ticket-Nachfrage in England war viel höher als in Deutschland. Dort gibt es einen größeren Kern an Allesfahrer:innen. Außerdem wohnen und arbeiten in Doha viele Engländer, die ihre Nationalmannschaft unterstützen werden.

Stichwort Unterstützung aus Katar: Zuletzt kursierten kuriose Videos von angeblichen Fanmärschen verschiedener Nationen im Internet. Katar dementierte, dass es sich dabei um gekaufte Anhänger handelt. Wie beurteilen Sie das?

Zeyn: Das ist nicht so einfach zu bewerten. Im ersten Moment geht man natürlich davon aus, dass das gefakt sein muss. Es gibt in Katar sicherlich gekaufte Fans, die gute Stimmung verbreiten sollen. Wie uns die Organisation Football Supporters Europe bestätigt hat, ist es in der Region aber tatsächlich nicht ungewöhnlich, eine andere Nationalmannschaft als die eigene zu unterstützen. Man muss sich das so vorstellen: Genau wie etwa Hamburger Fans des FC Bayern sein können, kann ich auch ein anderes Nationalteam unterstützen.

WM 2022 - Gruppe E mit Deutschland: Der Spielplan

DatumUhrzeitTeam ATeam BÜbertragung
23. November14 UhrDeutschlandJapanARD, MagentaTV
23. November17 UhrSpanienCosta RicaARD, MagentaTV
27. November11 UhrJapanCosta RicaZDF, MagentaTV
27. November20 UhrSpanienDeutschlandZDF, MagentaTV
01. Dezember20 UhrCosta RicaDeutschlandARD, MagentaTV
01. Dezember20 UhrJapanSpanienMagentaTV
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