Hakan Sükürs traurige Geschichte: Vom WM-Helden der Türkei zum Feind Erdogans

Von Chris Lugert
Hakan Sükür, WM 2022
© getty

Hakan Sükür war einst ein Held in der Türkei. Nach einem Zerwürfnis mit dem dortigen Präsidenten Recep Erdogan lebt er im Exil. Hier ist die traurige Geschichte des schnellsten WM-Torschützen in der Geschichte der Weltmeisterschaften.

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Einige Fans im Stadion hatten noch gar nicht ihren Platz eingenommen, da schrieb Hakan Sükür an jenem 29. Juni 2002 bereits Geschichte: Im Spiel um Platz drei bei der WM zwischen der Türkei und Co-Gastgeber Südkorea nutzte Sükür einen schweren Fehler eines südkoreanischen Abwehrspielers aus und traf bereits nach elf Sekunden zur Führung. Es war das bis heute schnellste Tor in der Geschichte einer Weltmeisterschaft und es machte Sükür in der Türkei endgültig unsterblich - so dachte man zumindest.

20 Jahre später ist von Sükürs Legendenbild in der Türkei nichts mehr übrig. Inzwischen lebt der heute 51-Jährige im Exil in den USA, weil sein Leben in seiner Heimat akut gefährdet wäre. Im Laufe der Jahre ist er zu einem Feindbild von Präsident Recep Tayyip Erdogan geworden, der Sükür eine Verwicklung in den Putschversuch von 2016 unterstellt. "Ich bin vielleicht ein Feind der Regierung, aber nicht des Staates oder der türkischen Nation. Ich liebe mein Land", sagte er 2020 in einem Interview mit der Welt am Sonntag.

Das Unheil für Sükür begann mit der Entscheidung, nach seiner aktiven Karriere in die Politik zu gehen. Hinter ihm lag eine erfolgreiche Karriere, der Stürmer führte unter anderem Galatasaray zum UEFA-Cup-Sieg 2000 und gewann mit dem türkischen Spitzenklub achtmal die Meisterschaft. Zudem brachte ihn sein fußballerischer Werdegang nach Italien zur AC Parma und zu Inter Mailand. Die WM in Japan und Südkorea, die nach einem 3:2-Sieg im Spiel um Platz drei eine riesige Euphorie im Land entfachte, war sein größter Verdienst im Trikot der Türkei.

Hakan Sükür: Feindbild des türkischen Präsidenten Erdogan

In der Politik jedoch und im System Erdogan brachte ihm dieses Standing nichts. 2016, einige Zeit vor dem Putschversuch, wurde Sükür bereits beschuldigt, Erdogan auf Twitter beleidigt zu haben. Er versicherte, seine Äußerungen auf der Plattform seien nicht gegen Erdogan gerichtet gewesen, doch die Staatsanwaltschaft wollte davon nichts wissen.

Als im Juli 2016 schließlich der Aufstand gegen den Präsidenten geprobt wurde, geriet Sükür endgültig ins Visier des Staates. Erdogan machte den islamischen Prediger Fethullah Gülen und seine Bewegung, der auch Sükür angehört, für den Aufstand verantwortlich. Der einstige Fußballheld des Landes musste aus selbigem fliehen, nachdem auch seine Familie immer mehr Repressalien ausgesetzt worden war.

"Ich hatte nichts mehr, Erdogan hat mir alles genommen: mein Recht auf Freiheit, mein Recht auf freie Meinungsäußerung und mein Recht auf Arbeit", sagte Sükür und wies jede Beteiligung an dem Putsch von sich. "Niemand scheint in der Lage zu sein, zu erklären, was meine Rolle bei diesem Putsch gewesen sein soll. Ich habe nie etwas Illegales getan, ich bin kein Verräter oder Terrorist", stellte er klar.

In Kalifornien versuchte sich Sükür zunächst als Gastronom und Betreiber eines Cafés, dieses gab er jedoch auf, weil "wiederholt komische Leute reinkamen", wie er sagte. Seither arbeitet er in den USA als Uber-Fahrer und verkauft Bücher. Ob er jemals wieder in seine Heimat zurückkehren kann, ist offen. Zumindest seinen historischen Augenblick an jenem Juni-Tag 2002 kann ihm aber auch Erdogan nicht nehmen.

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