Fußball-Kolumne - Joachim Löw: Was für Real Madrid spricht und was dagegen

Wohin zieht es Joachim Löw nach der EM?
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Offenbar benötigt Real Madrid im Sommer einen Nachfolger für Zinedine Zidane - und Jogi Löw gehört einmal mehr zu den Topkandidaten. Dennoch spricht vieles für eine stressfreiere Zukunft des Bundestrainers in zwei anderen Ländern. Die Fußball-Kolumne.

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Man muss kein Hellseher sein, um vorauszusagen, dass Hansi Flick neuer Bundestrainer wird. Eine rasche Einigung gilt nur noch als Formsache. Nicht mal der beim DFB für die Neubesetzung zuständige Oliver Bierhoff widerspricht da noch.

Dass Flick die deutsche Nationalmannschaft allerdings schon bei der im nächsten Monat beginnenden EM-Endrunde betreuen wird, wie es Ex-Meistercoach Felix Magath kürzlich gefordert hat, kann man ausschließen. Für den Juni hat der Trainer des FC Bayern Urlaub gebucht.

Der 55-Jährige wird auch sonst alles vermeiden, was seinem einstigen Chef den Abschied verderben könnte. Nach 17 Jahren in Diensten des DFB hört Jogi Löw bekanntlich auf und will sich bis dahin nur auf seine letzte große Aufgabe konzentrieren. "Für mich gilt voller Fokus auf die EM", sagte er nach seiner Rücktrittsankündigung Anfang März. "Danach wird man sehen. Bis dahin werde ich keine Gespräche führen."

Real: Perez hat Löw auf dem Zettel

Allerdings hat Löw auch erklärt, dass er sich mit 61 Jahren noch lange nicht "im Schaukelstuhl" sehe: "Meine Trainerlaufbahn wird danach nicht vorbei sein. Denn ich liebe die tägliche Arbeit auf dem Platz und das individuelle Training mit den Spielern."

Kommt es vielleicht sogar ganz schnell zu einer neuen Aufgabe? Zumindest wird Löw wieder einmal als Topkandidat bei Real Madrid gehandelt. Denn nach Informationen von SPOX und Goal gehen immer mehr Spieler und Verantwortliche bei den Königlichen davon aus, dass Zinedine Zidane den Verein trotz Vertrags bis 2022 nach einer bislang enttäuschenden Spielzeit schon am Saisonende verlassen wird.

Und neben Klubikone Raul, der aktuell die zweite Mannschaft von Real trainiert und auch bei Eintracht Frankfurt gehandelt wird, soll Vereinsboss Florentino Perez nach übereinstimmenden Informationen vor allem Löw auf dem Zettel haben.

Löw als dritter deutscher Real-Coach?

Bereits in der Vergangenheit hat der Präsident mehrfach um den Badener geworben, zweimal soll es sogar eine konkrete Anfrage gegeben haben: 2015 nach der Trennung von Carlo Ancelotti und 2018, als Perez händeringend schon einmal nach einem Nachfolger für Zidane suchte.

Da Löw damals aufgrund der bevorstehenden WM in Russland nicht zur Verfügung stand, warb Real stattdessen den spanischen Nationalcoach Julen Lopetegui ab. Der wurde daraufhin noch vor der WM vom Verband und wenige Monate später wegen Erfolglosigkeit auch von Real entlassen. Im März 2019 übernahm dann erneut Zidane.

Nach dem Halbfinal-Aus in der Champions League stehen nun alle Zeichen auf das Ende der zweiten Ära des Franzosen und Löw könnte im dritten Anlauf doch noch ein Königlicher werden - er wäre der dritte deutsche Chefcoach nach Jupp Heynckes (1997/98) und Bernd Schuster (2007/08).

"Ich beobachte das mit dem Jogi schon seit einigen Jahren. Deutsche sind sehr beliebt bei Real, wir haben ja schließlich alle dort einen guten Job gemacht. Mich würde nicht wundern, wenn Real versucht, Löw im Sommer zu holen", sagte Schuster schon vor zwei Jahren der Welt.

Joachim Löw: Auf Klubebene mäßig erfolgreich

Wenige Monate zuvor hatte sich Löw selbst ebenfalls äußerst positiv geäußert. "Das ist natürlich ein Verein, der für jeden Trainer interessant ist", sagte er im ZDF-Sportstudio über Real. Und ergänzte: "Vereinstrainer, daran hätte ich schon noch Interesse."

Zumal er vor seiner Zeit beim DFB auf Klubebene eher mäßig erfolgreich war. Immerhin deutscher Pokalsieger mit dem VfB Stuttgart 1997 und österreichischer Meister mit dem FC Tirol Innsbruck (2002), aber davor und danach auch jeweils nach wenigen Monaten beim Karlsruher SC sowie bei Adanaspor und Austria Wien entlassen.

Umso geschmeichelter dürfte er sich über das anhaltende Interesse des nach wie vor bedeutendsten Fußballklubs der Welt fühlen. Da passt es ins Bild, dass der Weltmeistercoach von 2014 seit einiger Zeit Spanisch lernt.

Und dennoch ist es sehr unwahrscheinlich, dass der Bundestrainer wegen seines aktuellen Jobs tatsächlich Trainer der Madrilenen wird, zumindest in diesem Sommer. Er werde erstmal eine Pause einlegen, erklärte er, "weil so ein Turnier immer auch in die neue Saison der Vereine hineingeht".

Neuer Job direkt nach großem Turnier? Nur van Gaal war so verrückt

Selbst bei einem EM-Aus in der Vorrunde blieb gerade mal eine Woche bis zum offiziellen Vertragsbeginn am 1. Juli. Je länger die DFB-Auswahl aber im Turnier bleibt, desto unmöglicher wäre ein reibungsloser Übergang in Richtung Madrid. Das Finale findet bekanntlich erst am 11. Juli statt.

Der einzige Trainer, der einen solchen Stresswechsel ohne jegliche Erholungspause nach einem großen Turnier in eine der Topligen wagte, war Louis van Gaal. Der Niederländer übernahm 2014 unmittelbar nach dem WM-Ende und Platz drei mit der Oranje-Elf das Team von Manchester United.

Van Gaal sei aber eben auch wahnsinnig genug für diese Hast gewesen, sagen Kenner der Szene. Sie verweisen zudem auf die aktuellen Trainer der weltbesten Teams wie Thomas Tuchel, Pep Guardiola oder Jürgen Klopp, die ihren Erfolg auch ihrer manischen Besessenheit, strikter Disziplin, einer massiven Reduzierung von Privatleben und Freundeskreis während der Saison und dem Raubbau am eigenen Körper zu verdanken haben.

"Ich sage ehrlich: Das kostet Sie ein großes Stück Ihrer Lebensqualität", begründete Jupp Heynckes 2018, warum er trotz aller Bitten des FC Bayern seinen Vertrag nicht mehr verlängern wollte: "Ich bin alleine hier, habe kein Privatleben. Das Leben besteht aber nicht nur aus Arbeit."

Joachim Löw - der Genießer, nicht das Arbeitstier

Gerade Jogi Löw ist aber in den vergangenen Jahren weniger als Arbeitstier aufgefallen, eher als Genießer, der im heimischen Freiburg auch gerne mal den Ball flach hält. Spätestens seit der WM-Pleite in Russland ist die Kritik immer lauter geworden am regelmäßigen Untertauchen des Bundestrainers von der Bildfläche.

"Löws notorisches Unsichtbarmachen grenzte zuletzt an unterlassene Hilfeleistung - der Nationalelf, dem Verband und übrigens auch sich selbst gegenüber", schrieb die Süddeutsche Zeitung Ende vergangenen Jahres über sein langes Schweigen nach dem 0:6-Debakel in Spanien.

Noch länger aus der Öffentlichkeit verschwunden war er in den Jahren zuvor bereits in der länderspielfreien Zeit von November bis März und vor allem nach Turnieren. Da hatte sich Löw mental und körperlich erschöpft von den knapp zwei Monaten intensivster täglicher Arbeit mit der Nationalelf meist mindestens genauso lange komplett zurückgezogen.

Joachim Löw: Job in der Bundesliga ist ausgeschlossen

Eine für ihn zwingend nötige Regenerationspause, auf die der Schwarzwälder auch diesmal nicht verzichten kann und will. Nach der EM brauche er "erstmal einen emotionalen Abstand", kündigte Löw an, was ohnehin jeder erwartet hatte, der ihn kennt. Ob er dann im siebten Lebensjahrzehnt tatsächlich nochmal ein Angebot von einem Spitzenklub erhält, bleibt abzuwarten.

Ein Job in der Bundesliga ist für Löw jedenfalls ausgeschlossen und in den Topligen würden eigentlich auch nur eine Handvoll Mannschaften seinem eigenen Anspruch gerecht. Bei West Ham, Valencia oder Bergamo auf der Bank kann man sich Löw eher nicht vorstellen, nicht nur wegen der Sprachbarrieren. Und selbst bei Real melden sich schon jetzt die Skeptiker zu Wort. Keine zwei Monate würde er sich bei Los Blancos halten, schrieb ein Kolumnist der Real-nahen Sportzeitung AS: "Hier würde er einen Tsunami erleiden, auf den er nicht vorbereitet ist."

Spricht man mit langjährigen Wegbegleitern, kristallisiert sich für Löws Zukunft ein etwas weniger stressiges Umfeld heraus. Am wahrscheinlichsten, sagt ein Insider, sei ein Job in der Türkei, wo er nach wie vor über einen exzellenten Ruf und dank seines Beraters Harun Arslan auch über hervorragende Kontakte verfügt.

Joachim Löw: Eher Basel als Bernabeu

Sowohl eine Rückkehr zu Fenerbahce Istanbul, wo er 1998/99 erfolgreich arbeitete und immer wieder gehandelt wird, als auch eine Tätigkeit als Nationalcoach des Landes sei sehr gut vorstellbar. Oder im Wortsinne die naheliegendste Variante: Nationaltrainer in der Schweiz.

Zu den Eidgenossen hat der einstige Profi nicht nur wegen der räumlichen Nähe zu seinem Heimatort Schönau eine besondere Beziehung: Dort beendete er seine Spieler- und begann seine Trainerkarriere und lernte laut eigener Aussage unter dem späteren Nationaltrainer Rolf Fringer die entscheidenden Grundlagen für seine Tätigkeit als Fußballlehrer.

Und Fringer, der ihn später als Co-Trainer mit zum VfB Stuttgart nahm, kann sich eine solche Lösung sehr gut vorstellen. Er glaube schon, erklärte der 64-Jährige letzten Monat, "dass Löw mit seiner Nähe zur Schweiz - und damit ist nicht nur sein Wohnort gemeint - durchaus geeignet wäre. Das ist in Zukunft absolut möglich und vielleicht ist bei ihm auch dieser Reiz vorhanden, der Schweiz etwas zurückzugeben, nachdem die Schweiz ihm beim Start in die Trainerkarriere auch viel gegeben hat".

Offensichtlich spricht also deutlich mehr für Basel als für Bernabeu.

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