Real Madrid: Scheitert auch Martin Ödegaard an "Talentblockierer" Zinedine Zidane?

Martin Ödegaard kam bei Real Madrid kaum zum Zug.
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Mit der Supercopa hat Real Madrid den ersten, wenn auch unwichtigsten Titel der Saison verspielt. Die in den vergangenen Monaten zugenommene Kritik an Trainer Zinedine Zidane hat aber weniger mit den Ergebnissen als mit der Tatsache zu tun, dass der ehemalige Weltstar es nicht versteht, seine Mannschaft taktisch zu verbessern und personell zu verjüngen. Das zeigt sich am Beispiel Martin Ödegaard, der kurz vor einer Rückkehr zu Real Sociedad steht.

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"Taktisch", sagte Zinedine Zidane im Mai 2018, "bin ich nicht der beste Trainer." Das war zum damaligen Zeitpunkt kein Problem, schließlich verfügten die meisten Spieler von Real Madrid bereits über die notwendigen taktischen Kenntnisse. Zudem wies der Kader ein hohes Maß an individueller Qualität auf, meist reichte ja Cristiano Ronaldo auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft, um maschinenartig von Sieg zu Sieg zu eilen. Letztlich gab der Erfolg - drei Champions-League-Siege in Folge - dem taktikfaulen Zidane recht.

Heute, fast drei Jahre später, ist Reals Mannschaft eine gänzlich andere, sie ist älter und wurde von Ronaldo verlassen, Zidane ist aber immer noch derselbe. Taktische Verbesserungen? Fehlanzeige. Gerade das Offensivspiel ist zu eindimensional, die Devise lautet eigentlich nur: Karim Benzema (33) einbinden - entweder mit flachen Pässen vor die gegnerische Viererkette oder aber hohen Hereingaben dahinter.

Real Madrid: Eine Offensive ohne Fantasie

Das hängt sicherlich auch damit zusammen, dass der 2019 für 115 Millionen Euro vom FC Chelsea verpflichtete, wegen zahlreicher Verletzungen aber nie in die Gänge gekommene Eden Hazard (30) bis dato ein Fehleinkauf ist. Aber auch, weil andere Offensivspieler wie Marco Asensio (24) oder Isco (28) keinen Einfluss (mehr) auf Reals Spiel haben.

Es mangelt schlicht an Kreativität und Fantasie. Der Trainer ist insofern daran schuld, weil er sich nicht einmal darum zu bemühen scheint, etwas an seinem für jeden Gegner durchschaubaren Plan zu ändern, indem er sein System anpasst (Real spielt unter Zidane seit Jahren das 4-3-3) oder frisches Personal reinwirft.

Eden Hazard kommt bei Real Madrid nicht in die Gänge.
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Eden Hazard kommt bei Real Madrid nicht in die Gänge.

Martin Ödegaard: Der Hoffnungsträger, der kaum spielt

Dabei kam mit Martin Ödegaard vor Saisonbeginn ein potenzieller "Gamechanger". Ihm, dem feinfüßigen Spielmacher, der bei Real Sociedad endlich den Ruf als gescheitertes Mega-Talent abgelegt hatte und zur LaLiga-Entdeckung 2020 avanciert war, wurde jedenfalls zugetraut, Reals Offensivspiel auf eine neue Qualitätsstufe zu heben. Spanische Medien sahen in ihm schon den nächsten Mesut Özil.

Doch der 22-jährige Norweger bekommt, obwohl sich in erster Linie Zidane im Sommer für einen vorzeitigen Abbruch seiner ursprünglich für zwei Jahre vorgesehenen San-Sebastian-Leihe stark gemacht hatte, kaum die Möglichkeit dazu. Sein letztes Spiel von Anfang an bestritt Ödegaard am 1. Dezember gegen Schachtar Donezk, seither reichte es meist nur zu Kurzeinsätzen. Durchspielen durfte er in dieser Saison noch kein einziges Mal.

Martin Ödegaards Statistiken im Vergleich

2019/20 (Real Sociedad)2020/21 (Real Madrid)*
Pflichtspiel-Einsätze369
Startelf344
Gespielte Minuten2934367
Tore70
Assists90
Kreierte Großchancen140
Ballkontakte2325287
Passquote84,2 %89,2 %
Zweikämpfe33218
Zweikampfquote45,8 %38,9 %
Dribblings1255
Erfolgreiche Dribblings722

*Saison läuft noch

Zidanes Erklärung dafür: "Mit Martin ist alles gut, aber wir haben nun einmal viele gute Spieler, die spielen wollen." Das Problem: Die jüngeren bleiben unter dem Franzosen meist auf der Strecke. Ödegaard ist bei weitem kein Einzelfall - und drängt übereinstimmenden Medienberichten zufolge bereits darauf, erneut verliehen zu werden, um Spielpraxis zu sammeln. Real Sociedad gilt laut Marca und AS als Favorit.

Real Madrid: Kaum ein Talent setzt sich unter Zidane durch

In Zidanes Amtszeiten als Real-Coach (2015 bis 2018 und 2019 bis heute) wurden zehn Talente (teilweise aus der eigenen Nachwuchsakademie, aber auch für viel Geld verpflichtete) aus verschiedenen Gründen verschlissen. Zum Beispiel:

  • Jesus Vallejo (Innenverteidiger/24), der wegen zu hoher Konkurrenz und einiger Verletzungen den Durchbruch nicht schaffte und derzeit noch leihweise beim FC Granada spielt.
  • Achraf Hakimi (rechter Verteidiger/22), der nach seiner zweijährigen BVB-Leihe an Inter Mailand verkauft wurde, weil Zidane keine Verwendung für ihn fand.
  • Alvaro Odriozola (rechter Verteidger/25), das 30-Millionen-Missverständnis, das nach seiner erfolglosen Leihe beim FC Bayern auch bei Real keine Rolle mehr spielt und spätestens im Sommer gehen soll.
  • Sergio Reguilon (linker Verteidiger/24), der unter Zidanes Vorgänger Santiago Solari groß aufspielte, nach der Rückkehr des früheren Weltfußballers aber prompt an den FC Sevilla ausgeliehen und schließlich an Tottenham Hotspur verkauft wurde.
  • Theo Hernandez (linker Verteidiger/23), der für 25 Millionen Euro von Stadtrivale Atletico Madrid geholt wurde, aber nicht an Marcelo vorbeikam und nach Mailand flüchtete, wo er heute im AC-Trikot für Furore sorgt.
  • Marcos Llorente (Mittelfeldspieler/25), der unter Solari ebenfalls überzeugte, von Zidane aber komplett links gelassen wurde und zu Atletico wechselte.
  • Oscar Rodriguez (Mittelfeldspieler/22), der nicht einmal die Chance bei den Profis bekam, nachdem er sowohl in Reals Jugend als auch bei seiner Leihstation CD Leganes überzeugt hatte, und im vergangenen Sommer für 14 Millionen Euro beim FC Sevilla unterschrieb.
  • Dani Ceballos (Mittelfeldspieler/24), der aktuell noch an den FC Arsenal verliehen ist, aufgrund persönlicher Differenzen mit Zidane aber ebenso keine Zukunft in Madrid hat.
  • Borja Mayoral (Stürmer/23), der nie wirklich eine Chance von Zidane bekam und im Oktober per Leihe zur AS Rom wechselte.
  • Luka Jovic (Stürmer/23), der für 60 Millionen Euro von Eintracht Frankfurt gekauft wurde, sich aber nie in Reals Starensemble zu integrieren wusste und von Zidane auch zu wenig zutraute, ehe er nach nur zwei Toren in eineinhalb Jahren per Leihe zurück an den Main wechselte.
Luka Jovic: Einer von vielen jungen Spielern, die sich unter Zinedine Zidane nicht behaupteten.
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Luka Jovic: Einer von vielen jungen Spielern, die sich unter Zinedine Zidane nicht behaupteten.

Real Madrid: Ödegaard fällt Zidanes System zum Opfer

Sicher kann dafür nicht einzig und allein der Trainer verantwortlich sein. Dass es aus dem aktuellen Kader neben dem seit Jahren stagnierenden Asensio aber nur Rodrygo (20) und Federico Valverde (22) von den jüngeren Spielern in die erweiterte Stammelf geschafft haben, lässt Zidane eher als Talentblockierer statt als Talentförderer dastehen.

Zumal mit Eder Militao (22/für 50 Millionen Euro vom FC Porto gekommen) und Vinicus Junior (20/für 50 Millionen Euro von Flamengo Rio de Janeiro gekommen) zwei weitere "Rohdiamanten" unter dem Weltmeister von 1998 meist auf der Bank schmoren und im Sommer zu Verkaufskandidaten werden könnten.

Ödegaard fällt insbesondere dem von Zidane so geliebten Mittelfeld-Dreizack (Casemiro, Toni Kroos, Luka Modric) zum Opfer. Die drei Routiniers bekommen selten eine Pause - und wenn, dann ist der klassische Box-to-Box-Spieler Valverde der erste Kandidat, weil Zidane sein System nicht auf das von Ödegaard bevorzugte 4-2-3-1 umstellen möchte.

Aus diesem Grund kam übrigens auch Brahim Diaz, ein ähnlicher Spielertyp wie Ödegaard, nie über die Rolle des Reservisten hinaus. Jetzt überzeugt der 21-jährige Spanier auf Leihbasis beim italienischen Spitzenreiter AC Mailand, die Rossoneri pochen wenig überraschend auf einen Kauf im Sommer.

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