"Die Liebe zum Fußball ist vergangen": Ex-Juve-Star Birindelli betreibt heute ein Restaurant

Von Chris Lugert
Alessandro Birindelli hat im Fußball alles erlebt, inzwischen kehrte er dem Business entnervt den Rücken. Heute ist er als Gastronom tätig.
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Alessandro Birindelli hat im Fußball alles erlebt, inzwischen kehrte er dem Business entnervt den Rücken. Heute ist er als Gastronom tätig.

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Alessandro Birindelli kennt sie alle, die guten und die schlechten Seiten des Profifußballs. Einst hatte er eine Hand bereits am Champions-League-Pokal und erlebte einen seiner größten Momente im Camp Nou in Barcelona.

Dann fand er sich plötzlich mit Juventus Turin in der Serie B wieder und musste nach seinem Karriereende miterleben, wie sich auf der Tribüne die Eltern zweier Kinder aus seiner Jugendmannschaft prügelten. Die allgemeine Entwicklung des Fußballs trieb ihn schließlich von seiner alten Liebe weg. Heute ist er Besitzer eines Restaurants.

"Der Fußball wird momentan von Leuten geführt, die mit dieser Welt nichts zu tun haben und die keine Leidenschaft dafür haben", sagte Birindelli im Gespräch mit Tuttomercatoweb.it.

Manager sähen den Sport "nur in Zahlen", und die Spieler hätten keine Identifikation mehr mit ihren Klubs. "Man sieht es nicht mehr, dass jemand aus Liebe für die Vereinsfarben bleibt. Messi ist nur das jüngste Beispiel. Dadurch ist meine Liebe zum Fußball vergangen", erklärte er.

Ein Grund für Birindellis Entfremdung vom Fußball: Der Wechsel von Lionel Messi zu PSG.
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Ein Grund für Birindellis Entfremdung vom Fußball: Der Wechsel von Lionel Messi zu PSG.

Juve-Star Birindelli und seine Sternstunde im Camp Nou

Die Vereine in Birindellis Karriere lassen sich an einer Hand abzählen, die erfolgreichste Zeit erlebte er bei Juventus Turin. Als 22-Jähriger kam er 1997 zur Alten Dame. Sein langjähriger Förderer Luciano Spalletti, der Birindelli beim FC Empoli entwickelt hatte, brachte ihn mit Juves Star-Trainer Marcello Lippi zusammen. Juve war zu dieser Zeit eines der besten Teams in Europa und hatte wenige Monate zuvor das Champions-League-Finale gegen Borussia Dortmund verloren.

Birindelli, der in seiner Karriere meist als Rechtsverteidiger auflief, fand sofort seinen Platz in der Mannschaft. Mit den Jahren nahm der Konkurrenzkampf jedoch zu, Lippi setzte in der Abwehr meist auf Ciro Ferrara oder Lilian Thuram. Birindelli blieb so häufig nur die Jokerrolle - und am 22. April 2003 wurde er genau in dieser Rolle zu einem der großen Helden.

Nach einem 1:1 im Viertelfinal-Hinspiel in der Champions League gegen den FC Barcelona wartete auf Juve im Rückspiel im Camp Nou eine schwierige Aufgabe. Birindelli kam zur zweiten Halbzeit beim Stand von 0:0. Nach dem Führungstreffer von Pavel Nedved und dem Ausgleich durch Xavi ging es schließlich in die Verlängerung, wo Birindelli den alles entscheidenden Siegtreffer durch Marcelo Zalayeta stark vorbereitete.

Der Weg führte Juve in jenem Jahr bis ins Finale in Manchester gegen die AC Mailand. Es ging ins Elfmeterschießen, wo der erneut eingewechselte Birindelli neben Alessandro del Piero der einzige erfolgreiche Schütze seines Teams war. Juve verlor, weil Andriy Shevchenko als letzter Schütze der Rossoneri die Nerven behielt.

Frust pur: Birindelli, Del Piero und Co. verlieren das CL-Finale 2003 gegen Milan.
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Frust pur: Birindelli, Del Piero und Co. verlieren das CL-Finale 2003 gegen Milan.

Birindelli blieb Juventus in der Serie B treu

Birindelli blieb auch danach ein zuverlässiger Rotationsspieler, ehe er sich im Sommer 2005 eine schwere Verletzung zuzog, die ihn eine ganze Saison kostete. Als er wieder genesen war, hatte der italienische Fußball sein Erdbeben namens "Calciopoli" hinter sich. Juve wurden zwei Meisterschaften aberkannt, zudem wurde der Klub in die Serie B verbannt. Für Birindelli ein schwerer Schlag. "Am meisten schmerzt der Abstieg in die Serie B, weil ich all die Entbehrungen einer überragenden Saison verschwinden sah", sagte er dazu einst bei Tuttojuve.

Birindelli aber blieb seinem Klub neben Vereinslegenden wie del Piero oder Gianluigi Buffon auch in der Zweitklassigkeit treu. Als Vizekapitän war er plötzlich wieder Stammspieler und hatte großen Anteil am direkten Wiederaufstieg. Im Sommer 2008 verließ er Juve dann nach einer unbefriedigenden Saison in der Serie A. Dass er seinen Abschied auf dem Platz nicht wie erhofft zelebrieren konnte, nahm er dem damaligen Trainer Claudio Ranieri lange übel. Doch von öffentlichem Drama hielt er nicht viel.

Nach seiner aktiven Karriere widmete er sich dem Nachwuchsfußball, neben dem Fußballerischen war für Birindelli die Vermittlung von Werten wichtig, vor allem Fairplay. Er gründete sogar ein eigenes Team. Doch seine Träume wurden von der Realität eingeholt, als sich die Eltern zweier Kinder auf der Tribüne prügelten. Birindelli traf die schwierige Entscheidung und zog sein Team aus dem Spielbetrieb zurück.

Birindellis neue Leidenschaft: Ein Restaurant mit dem Schwager

"Das war eine Liga, die eigens geschaffen wurde, um Fairplay zu lehren, da konnte ich nicht untätig bleiben", sagte Birindelli bei gianlucadimarzio.com. Das Verhalten - gerade auch im Nachwuchsfußball - müsse dringend überdacht werden. "Slogans und Worte reichen nicht aus, wenn man Trainern auf der Bank erlaubt, vor Kindern und Eltern zu schreien, zu fluchen und gegen Mannschaften und Schiedsrichter zu wettern. Diese Haltungen müssen korrigiert werden", forderte er.

Auch deshalb kehrte Birindelli dem Fußball den Rücken und führt heute ein Leben als Gastronom. In seiner Heimatstadt Pisa eröffnete er gemeinsam mit seinem Schwager ein Restaurant, das ihn nach eigener Aussage komplett ausfüllt. Mit dem Fußball ist er als Fan des Sports und durch seinen Sohn immer noch verbunden. Und sollte es im Business Fußball doch noch einmal ein Umdenken geben, könnte er sich auch eine Rückkehr vorstellen.

"Meine Türen zum Fußball stehen immer offen", sagte er: "Aber ich muss die Freiheit haben, anzuprangern, wenn etwas falsch ist, denn sonst würde ich zu dessen Übel beitragen. Und ich wäre nicht ehrlich, weder zu mir selbst, noch zu anderen."

 

 

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