Er erweckte Tupac und Michael Jackson zum Leben: Wie ein Hollywood-Guru nun PSG angreifen will

John Textor ist bei Olympique Lyon eingestiegen.
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John Textor hat ein bewegtes Leben hinter sich. Der Skateboarder veränderte einst Hollywood, ließ Brad Pitt altern, Tupac Shakur und Michael Jackson holte er auf die Erde zurück und nun will der US-Amerikaner ein Fußball-Imperium aufbauen und mit dem 800-Millionen-Kauf von Olympique Lyon ein Modell angreifen, das er nicht mag: Paris Saint-Germain.

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Was es heißt, nach Rückschlägen aufzustehen, weiß John Textor nur zu gut. Bei Olympique Lyon, das er nun gekauft hat, kann er viel von seinen Erfahrungen erzählen.

Der heute 56 Jahre alte Unternehmer war in seiner Jugend ein ausgezeichneter Skateboarder. Er spezialisierte sich auf Freestyle und bekam viel Zuspruch für sein Können. In den 1980er Jahren zwang ihn ein schwerer Sturz, die geliebte Skateboard-Karriere sofort zu beenden.

Blickt Textor heute zurück auf sein bisheriges Leben, hat er nicht nur die Gewissheit, sondern auch den Beweis, dass ein Sturz nicht das Ende sein muss. Er ist gelernter Informatiker, wollte aber mehr aus seinem Fachwissen und seinem unbändigen Interesse an Technologie machen und gründete ein Studio für Spezialeffekte. Er stellte sein Können vor und den Jackpot knackte er, als er Hollywood-Titan James Cameron begegnete.

Der Kanadier, zu dessen Portfolio mehrere All-Time-Klassiker wie "Titanic", "Terminator" oder "Avatar" gehören, kaufte Textors Unternehmen Digital Domain und machte Textor zum Chef. Textor arbeitete an Filmen wie "Transformers" oder "Fluch der Karibik" mit - sein Meisterstück war aber "Der seltsame Fall des Benjamin Button", in dem er Brad Pitt auf wundersame Weise und sehr realistisch altern ließ.

Trotz dieser Erfolge war das Unternehmen 2012 insolvent. Neue Technologien, neue Ideen - in Hollywood geht das schnell. Der nächste Absturz war keiner, weil Textor längst schon in neue Projekte eingetaucht war. Er gründete Pulse Evolution, ein Unternehmen, das sich auf Hologramme spezialisierte. 2012 zauberte er bei einem Festival in Kalifornien Rap-Legende Tupac Shakur auf die Bühne. 2014 rief er bei den Billboard Music Awards Michael Jackson ins Leben zurück.

Hollywood-Guru John Textor: Erst Crystal Palace, nun Lyon

Inzwischen hat er sich der künstlichen Intelligenz zugewandt. Er gründete EvolutionAI und erklärt auf seiner Website, dass er seine Karriere der "Erschaffung digitaler Menschen, die zur Verbesserung der Menschheit beitragen" widmen wolle.

Das Magazin Forbes bezeichnete ihn 2016 als "Hollywoods Guru der virtuellen Realität". Textor kann sich Dinge sehr gut vorstellen, sie visualisieren und umsetzen. Das war als Skateboarder so, das ist als Unternehmer so und er glaubt, dass es auch im Fußball funktionieren kann.

Lange hatte er mit dem Fußball nichts zu tun, bis er merkte, dass der Soccer-Boom immer größer wird. Er gründete mit FuboTV eine OTT-Plattform, die in den USA, Kanada und später auch Spanien nur Fußball zeigte. Inzwischen hat er länderbezogen auch die NBA, NHL, MLB und Co. im Programm. In Kanada sicherte sich die Plattform gerade erst wieder die Rechte an der Premier League.

Textor erkannte, dass hier das Geld fließt und so schlug er innerhalb eines Jahres gleich bei mehreren Klubs zu. Im August 2021 sicherte er sich für über 90 Millionen Euro 40 Prozent der Anteile an Crystal Palace. Im Dezember 2021 stieg er mit 90 Prozent beim brasilianischen Traditionsklub Botafogo ein. Anfang dieses Jahres wurde der belgische Zweitligist RWD Molenbeek ins Portfolio aufgenommen.

Frenetischer Empfang für John Textor in Brasilien, wo er Botafogo übernahm
© imago images
Frenetischer Empfang für John Textor in Brasilien, wo er Botafogo übernahm

Olympique Lyon darf für 90 Millionen Euro einkaufen

Es hieß auch, dass er großes Interesse an Benfica hatte, doch zu einem Deal kam es nie. Nachdem er nun die Rechte an Lyon gesichert hat, soll es mit dem FC Porto ein anderer Traditionsklub aus Portugal werden. Erst einmal muss aber das Gerüst in Lyon stehen.

Wer aus Hollywood kommt, wer mit Entertainment und Innovation reich geworden ist, neigt womöglich nicht zwingend zu Understatement, wenn er eine neue Unternehmung beginnt. Das Gegenteil ist wahrscheinlicher. "Ich liebe es, mit offenen Augen zu träumen, das habe ich vor Jahren im Virtual-Reality-Business gelernt", verrät Textor und sagt ganz offen: "Der Präsident und ich wollen Meister werden - in der Liga und in Europa." Der Präsident - das ist Jean-Michel Aulas, der seit 30 Jahren die Geschicke bei OL leitet.

Zum einen ist es ihm zu verdanken, dass Lyon die Ansprüche hat, um große Titel zu kämpfen, zum anderen wird es aber auch seiner Politik zugeschrieben, dass der stolze Klub nun schon zum zweiten Mal innerhalb von drei Jahren den Europapokal verpasst hat. Aulas wird aber bleiben, "mindestens drei Jahre", sagen beide. Auch weil Textor eigentlich immer noch keine Ahnung von Fußball hat.

Zwar twittert er sehr häufig über die Geschehnisse in der brasilianischen Liga, forderte zuletzt gar den Rücktritt eines Schiedsrichters, aber wenn es um die Entwicklung einer Fußball-Mannschaft geht, überlässt er das Feld und das Geld den anderen. Allein in dieser Saison soll Lyon knapp 90 Millionen Euro für Transfers ausgeben dürfen.

Tolisso und Lacazette: Für 100 Mio. verkauft, zum Nulltarif zurück

Dabei hat die Mannschaft gar nicht so viele Schwachstellen, wie der Tabellenstand vermuten lässt. Gerade, was die jungen Spieler angeht, steckt viel Potenzial im Kader. Rayan Cherki (18), Castello Lukeba (20), Maxence Caqueret (22), Malo Gusto (19) könnte Lyon heute verkaufen und ein Vermögen machen. Aber sie sollen und werden bleiben.

Bemerkenswert ist auch die Rückholaktion von Corentin Tolisso und Alexandre Lacazette. Beide Spieler verkaufte OL 2017 gemeinsam für fast 100 Millionen Euro an den FC Bayern und an den FC Arsenal, beide kamen nun zum Nulltarif zurück. Sicher nicht mehr mit dem Potenzial von damals, aber mit der Erfahrung, um die Mannschaft zu führen. Ob Tolisso auf seinen ehemaligen Bayern-Kollegen Jerome Boateng trifft, darf bezweifelt werden. Der Klub legt dem Weltmeister von 2014 keine Steine in den Weg, nachdem sich das Engagement zu einem Missverständnis entwickelt hat.

Ein roter Teppich wird dagegen Karim Benzema ausgerollt, von dessen Rückkehr man in Lyon träumt. Präsident Aulas glaubt, dass der Star-Angreifer von Real Madrid zumindest noch eine Saison bei Lyon spielt, bevor er seine Karriere beendet. Mit den Textor-Millionen könnte man ihm eine Rückkehr auch finanziell versüßen. Allerdings wollen die OL-Bosse nicht erst auf Benzema warten, bis man den Angriff starten will.

"Ich mag diese Modelle wie PSG nicht. Es mag sein, dass sie eine großartige Mannschaft und großartige Spieler haben, aber wir wollen es ihnen nachmachen und wirklich sehr große Titel gewinnen", sagt Textor.

John Textor träumt von Millionen-Einnahmen mit Apps

Wie das gehen soll? Mit entsprechenden Mitteln - und da gibt es offenbar kein Problem: "Wir können genauso viel Kapital einsetzen wie der Emir von Katar." Klingt fast schon wie eine Warnung an den Pariser Konkurrenten, der in den letzten Jahren irgendwie keiner mehr war.

Die Mittel für den Angriff auf PSG will Textor nicht nur aus seiner eigenen Schatulle oder seiner Freunde bereitstellen. Er sieht weitere Einnahmemöglichkeiten und glaubt, dass der Fußball zu wenig aus sich herausholt, weil er nur auf bewährten Terrains sein Geld verdient.

"Fußballvereine verdienen ihr Geld mit Fernsehen, Eintrittskarten und Merchandising, während Technologie-Unternehmen Apps produzieren, die zehn Millionen Mal heruntergeladen werden und so Einnahmen generieren", so Textor und versteht es nicht, dass man das monströse Potenzial mit hunderten von Millionen Fußballinteressierten weltweit nicht besser nutzt.

"Es geht nicht darum, dass man die Menschen mit einer aggressiven Vermarktung versucht zu erreichen, indem man sie Mails bombadiert, damit sie die Produkte kaufen", so Textor. Stattdessen müsse man mit ihnen auf eine Art und Weise in Kontakt treten, die Entertainment verspricht. Wie es geht, bewies er selbst, als er für den Autohersteller Nissan eine App produzierte, mit der Fans ihre Gesichter mit den Farben ihrer Lieblingsteams virtuell bemalen konnten. Die App wurde rund 35 Millionen Mal heruntergeladen.

Textor erzählt auch von 2014, als das Kosmetikunternehmen L'Oreal eine App herausbrachte, mit der man Makeup auszuprobieren konnte, bevor man zum Kauf des Produkts schritt. Nur durch Nutzung der App generierten die Franzosen rund 30 Millionen Dollar Umsatz und 22 Millionen Euro Gewinn. "Das ist mehr Gewinn als Crystal Palace in seinem besten Jahr hatte", rechnet Textor vor.

Er träumt davon, dass man auch im Fußball, das deutlich mehr Publikumspotenzial hat, hohe Einnahmen generiert. Und er weiß auch, dass alles mit einem Traum beginnt. Der Rest ist Hollywood.

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