Premier League wird langweilig: Die Big Six sind nur noch eine Illusion

Jürgen Klopp, Pep Guardiola
© getty

Die Premier League begeisterte jahrelang durch ihre Vielfältigkeit und den Anspruch mehrerer Klubs, Meister werden zu wollen. Inzwischen herrschen spanische Verhältnisse aus der Mitte der 2000er Jahre und man muss dem FC Liverpool fast dankbar sein, dass Manchester City nicht den Alleinunterhalter gibt. Die Macht von City ist inzwischen so ausgeprägt, dass man selbst die Gegner verstärkt.

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Ein letztes Hallo gab es für Sir Alex noch. Ein Jahr, nachdem ihm Sergio Leonel "Kun" Agüero del Castillo, damals besser bekannt als AGUEROOOOOO, in letzter Sekunde den sichergeglaubten Titel wegnahm, revanchierte sich Manchester United mit einer Elf-Punkte-Vorsprung-Meisterschaft an Manchester City. Das war 2013.

Mit seinen 71 Jahren hüpfte und tanzte Sir Alex Ferguson vor Freude, als nach einem Sieg gegen Aston Villa der Titel vorzeitig feststand. Viel zu hüpfen gab es danach nicht mehr für Ferguson, Manchester United und für viele andere in der Premier League, die mit der Marschroute in die Saison gingen, am Ende den Titel zu behüpfen. Englands Rekordchampion ManUnited wurde nie mehr Meister. Ferguson ist inzwischen Rentner.

Fünf der neun Meisterschaften seither gingen an Manchester City, die weiteren an den FC Liverpool, den FC Chelsea (2) und Leicester City. In der Premier League war man einst so stolz auf die Vielfältigkeit, die man herstellte. Die sogenannte Big Six, bestehend aus Manchester City, FC Liverpool, Manchester United, FC Chelsea, FC Arsenal und Tottenham Hotspur durften sich zumindest Hoffnung machen, im Titelrennen mit dabei zu sein. Wenn dann noch wie 2016 mit Leicester ein absoluter Überraschungsklub Meister wird? Vielfältiger geht's kaum.

Die Big Six macht in den meisten Fällen die ersten sechs Plätze der Premier League unter sich aus. Blickt man in die nahe Vergangenheit zurück, stießen lediglich Leicester City (2016, 2019, 2021), der FC Southampton (2016) und West Ham United (2021) zu den lukrativen Plätzen vor - ansonsten ist es eine geschlossene Gesellschaft. Was den Titelkampf angeht, ist die Big Six nur noch eine Illusion.

Diego Simeone fand die Primera Division "langweilig"

Die Premier League hat sich zu einer Big Two entwickelt - ganz nach dem spanischen Modell ab Mitte der 2000er Jahre, als der Titel nur noch zwischen dem FC Barcelona und Real Madrid bestimmt wurde und der Rest die Liga nur auffüllte. "Das ist eine Langweile-Liga, weil Real Madrid und Barcelona in ihrem eigenen Wettbewerb spielen. Wir werden darauf warten müssen, bis die Fernsehgelder anders verteilt werden, denn so ist es eine Zwei-Klassen-Gesellschaft", sagte damals Atletico Madrids Diego Simeone.

Besonders die englischen Medien feierten Simeone für dessen Aussagen und schmückten sie groß aus, weil es damals einen imaginären Kampf um die beste Liga der Welt gab und einer von der anderen Seite zugab, dass man eine Langweilige-Liga hat. Selbst als Simeone Monate später seine Aussagen relativierte, entschuldigte er sich nur für die Beschreibung "langweilig", sagte aber, dass La Liga "einem wenig Möglichkeiten bietet" und sich einiges ändern müsse. Immerhin war er es dann, der die Langeweile beendete.

In der Premier League haben sie dieses Problem nicht: Die sehr üppigen TV-Gelder werden gerecht verteilt und in der von Investoren besetzten Liga ist Geld ohnehin die kleinste Sorge. Und dennoch ist in England eine Drei-Klassen-Gesellschaft entstanden: ManCity und Liverpool in einer eigenen, Chelsea, ManUnited, Tottenham, Arsenal und Leicester in einer eigenen - und dann noch der Rest.

Premier-League-Boss Richard Masters will dieses Problem nicht wahrhaben. "Die Liga ist hart umkämpft. Es gibt eine Reihe von Verfolgern, die um die europäischen Plätze mitspielen wollen", sagte er kürzlich. Und beschreibt so fast ungewollt genau das Problem, dass die Liga inzwischen hat.

Jürgen Klopp: "Stellt euch mal vor..."

Titelansprüche können ernsthaft nur noch Manchester City und der FC Liverpool stellen. Beim FC Chelsea, immerhin Champions-League-Sieger 2021 und natürlicher Titelkandidat, war die letzte Beteiligung an den ersten beiden Plätzen in der Meistersaison 2016/2017.

Man muss Liverpool dankbar sein, dass sie ManCity nicht allein lassen und man keine deutschen oder französischen Verhältnisse in der Premier League hat, in denen der Meister seit Jahren so gut wie feststeht. "Stellt euch mal vor, wie die Situation wäre, wenn wir nicht so nah dran wären? Stellt euch diese Situation vor!", sagte Jürgen Klopp im letztjährigen Endspurt des Titelkampfs: "Man muss dafür sorgen, dass es spannend bleibt und dass es einen aufregenden Kampf gibt."

Es ist ein hohes Gut, dass die Reds nicht nur die monetären, sondern vor allem die strategischen Mittel haben, die Hoheit von Manchester City einzugrenzen oder zumindest angreifen. Liverpool hat nicht mal ansatzweise das ausgegeben, was Scheich Mansour Bin Zayed Al Nahyan seit der Übernahme von ManCity im Jahr 2008 in die Cityzens investierte. Das Volumen soll inzwischen bei über zwei Milliarden Euro liegen.

Liverpool blieb über all die Jahre vernünftig, warf nicht alles über Bord, wenn es mal einen Rückschlag gab und wuchs so organisch zum Titelkandidaten. Bei den anderen sah das anders aus: So hat sich Liverpool - auch dank Jürgen Klopp, der die Atmosphäre im Klub nachhaltig veränderte - an den Titelkampf geklammert und seinen Kader inzwischen so verstärkt, dass man weiter davon ausgehen kann, dass sie City nicht wegziehen lassen. Und dennoch muss man auch hier konstatieren, dass Liverpool nur einmal Meister wurde.

Die Meister der Premier Leute seit 2012

SaisonMeisterVizemeister
2011/12Manchester CityManchester United
2012/13Manchester UnitedManchester City
2013/14Manchester CityFC Liverpool
2014/15FC ChelseaManchester City
2015/16Leicester CityFC Arsenal
2016/17FC ChelseaTottenham Hotspur
2017/18Manchester CityManchester United
2018/19Manchester CityFC Liverpool
2019/20FC LiverpoolManchester City
2020/21Manchester CityManchester United
2021/22Manchester CityFC Liverpool

Manchester City verstärkt seine vermeintlichen Konkurrenten

Und City? Auch wenn Pep Guardiola Meister des Understatements ist und immer so tut, als wäre das alles eine große Sensation, dass man der Primus des Landes ist, ist aus den Cityzens eine Macht geworden, die mit der Verpflichtung von Erling Haaland nun fast perfekt ausgestattet ist. Wie groß die Macht von ManCity ist, beweisen auch die bemerkenswerten Verkäufe von Raheem Sterling an den FC Chelsea und Gabriel Jesus an den FC Arsenal.

Transfers innerhalb der Big Six sind zwar nichts Ungewöhnliches, aber das Kaliber der Spieler hielt sich fast immer in Grenzen, sodass sich der sportliche Einfluss der Neuzugänge selten stark ausprägte. Sowohl Sterling als auch Jesus haben das Potenzial, ihre Mannschaften deutlich zu verbessern und die Qualität anzuheben.

Anscheinend scheint es ManCity aber egal zu sein, dass Chelsea oder Arsenal dank der selbst verkauften Spieler besser werden. Der sportliche Vorsprung ist so groß, dass man es in Kauf nehmen kann, was fast schon wie Hohn klingt. Im Idealfall nehmen Chelsea und Arsenal dank der ehemaligen City-Spieler den anderen und sich gegenseitig die Punkte weg und ebnen den Titelkampf für ManCity umso mehr. Dass die Cityzens aus Spielern, die Ende 2023 vertragslos gewesen wären, noch über 100 Millionen Euro Ablöse generierten, ist ein netter Nebeneffekt.

Dass man die Premier League in einen langweiligen Ort verwandelt hat, will man bei Manchester City nicht wissen. Und auch wenn sie es so sehen, was sollen sie dagegen tun? Einfach etwas schlechter werden, damit es wieder spannender wird?

Die Zeitung Manchester Evening News, die Manchester City wohlgesonnen ist, schrieb während der letzten Saison: "Es ist kurios, dass City dafür kritisiert wird, zu GUT zu sein. Niemand geht in eine Renoir-Ausstellung und sagt: 'Mensch, das ist doch langweilig, können wir nicht stattdessen zwei Kindern zusehen, die sich mit Farbe bewerfen.'" Bei allen Ehren für Pierre-Auguste Renoir, so eine Farben-Schlacht ab und zu hätte auch schon was.

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