Fulham-Besitzer Shahid Khan: Das Drehbuch eines Hollywood-Films

Shahid Khan
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Er legte sich mit Donald Trump an, verlieh seine Yacht an Jay-Z und Beyonce und ist einer der reichsten Männer der Welt: Shahid Khan (72) ist Besitzer der NFL-Franchise Jacksonville Jaguars und des Premier-League-Klubs FC Fulham. Dabei begann alles mit einem Tellerwäscher-Job für 1,20 Dollar die Stunde.

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Nein, eine Verfilmung seines Lebens wird es nicht geben. "Das klingt nach einem der langweiligsten Filme aller Zeiten. Selbst jemand, der diesen Gedanken hegt, atmet Narzissmus. Ich habe keine Lust, das zu tun", sagt Shahid Khan.

So langweilig wäre der Streifen eigentlich nicht. Es gäbe da so viele Episoden aus dem Leben des inzwischen 72 Jahre alten Unternehmers, mit denen man das Publikum mitnehmen könnte.

Da wäre das Jahr 1967, als der erst 16 Jahre alte Shahid in Chicago ankommt. Fast 70 Zentimeter Schnee liegen auf den Straßen, die Windy City macht ihrem Namen alle Ehre und bläst dem Jungen brutale Kälte ins Gesicht. Mit 500 Dollar in der Tasche brach er aus Lahore auf, der zweitgrößten Stadt Pakistans, um eine neue Welt zu erkunden. Als er ein vermeintlich billiges Hotel findet, ist es zu teuer. Wie soll er die neun Dollar pro Nacht bezahlen?

Er findet eine gemeinnützige Organisation, die Betten für zwei Dollar die Nacht anbietet. Fast zeitgleich findet er einen Job als Tellerwäscher. Ja, die Geschichte klingt schon fast kitschig, aber es war wirklich so. 1,20 Dollar die Stunde waren nicht viel - für einen US-Amerikaner. Für Shahid war das viel Geld: "Ich dachte: Wow, ich verdiene mehr als 99 Prozent der Menschen in Pakistan und habe das Schicksal in meiner Hand."

Kam mit 16 Jahren aus Pakistan in die USA: Shahid Khan
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Kam mit 16 Jahren aus Pakistan in die USA: Shahid Khan

Shahid Khan verlieh erst Comics, dann seine Yacht an Beyonce

Man könnte den Film auch viel früher beginnen. Direkt in Lahore. Dort stand der kleine Shahid oft vor dem Nationalstadion, wo es die Kricket-Spiele gab, die er so gerne sehen wollte. Manchmal gelang es ihm, einzudringen, wenn die Türen geöffnet waren, doch da war richtiges Timing gefragt. An den Kauf einer Eintrittskarte war nicht zu denken.

Er kam zwar nicht aus armen Verhältnissen, die Eltern hatten gute Jobs, aber es reichte nicht, um jeden Wunsch der Kinder zu erfüllen. "Sie hielten nichts davon, Geld für eine Eintrittskarte auszugeben", erinnert sich Shahid. Also musste er sich etwas einfallen lassen, um seine Lieblingsbeschäftigungen zu finanzieren.

Er kam auf die Idee, gegen Gebühr seine Comics an andere Kinder zu verleihen. "Das war nicht lukrativ", erinnert er sich. Aber es genügte, um über die Runden zu kommen und sich auch ein kleines Kapital für andere Geschäfte zurechtzulegen. Er verkaufte später Radios, die er aber noch zusammenbauen musste.

Man könnte den Film, und das ein letzter Vorschlag für Hollywood, viel später anfangen. Darstellen, wie Shahid seine 100-Meter-Yacht, die er Kismet - zu Deutsch: "Schicksal" - nennt, die über einen Pool, ein Kino, eine Sauna und einen Hubschrauberlandeplatz verfügt, an die US-Stars Jay-Z und Beyonce für 1,2 Millionen Dollar die Woche vermietet.

"Kismet" - die Yacht von Shahid Khan in London.
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"Kismet" - die Yacht von Shahid Khan in London.

Shahid Khan hat die DNA des FC Fulham nicht verändert

Ganz so langweilig, wie es Shahid Khan darstellt, ist sein Leben nicht. Es ist die perfekte Verwirklichung des amerikanischen Traums. Vom - im wahrsten Sinne - Tellerwäscher zum Milliardär, der heute zu den reichsten 100 Menschen Amerikas gehört. Fast alles, was er in seinem Leben angefasst hat, wurde ein Erfolg.

Wenn man ihn nach den Gründen fragt, holt Khan gerne aus. Weil es wohl nie eine einfache Antwort darauf gibt und weil das Leben nicht so einfach ist, wie man es sich manchmal vorstellt. Es ist vielleicht sein Vorteil, dass er darauf immer gefasst war oder es die meiste Zeit seines Lebens gar nicht anders kannte.

Daher verfällt er heute auch nicht in Panik, wenn der FC Fulham, den er 2013 Mohamed Al-Fayed abkaufte, dank seines Geldes nicht längst zur Elite der Premier League gehört. Es gibt Investoren in der Premier League, die viel weniger Geld als er besitzen, aber er hält nichts davon, den Klub mit Kapital zu überschütten, um ihn dann von sich abhängig zu machen.

Er nennt den FFC einen "kleinen, ehrgeizigen Verein", der "etwas Besonderes" ist. Als er kaufte, sagte Khan, er wolle "Wächter über Fulham im Namen der Fans" sein. So klingen oft Investoren, um die Fans zu emotionalisieren und auf die eigene Seite zu bringen, aber seit neun Jahren hat er Wort gehalten und die DNA des Klubs nicht verändert.

Hotel, Spa: Die exklusive Tribüne im Craven Cottage

Es gibt freilich Menschen im Umfeld, die es gerne sähen, wenn das Khan-Geld stark genug flösse, um die ganz großen Stars zu holen und mit Manchester City, dem FC Liverpool und dem Rivalen FC Chelsea zu konkurrieren, aber Khan weiß, dass das nicht funktioniert: "Ein kleiner, ehrgeiziger Verein muss einen anderen Ansatz verfolgen als einer der größeren Klubs. Nur so kann man erfolgreich und nachhaltig sein."

Viel lieber investiert er in die Infrastruktur. Gerade erst ließ er im altehrwürdigen Craven Cottage die Riverside-Tribüne komplett umbauen: zu einem Luxus-Paradies. Dort soll es nicht nur 8.650 exklusive Plätze geben, sondern auch ein Restaurant, ein Hotel, ein Spa, exklusive Wohnungen und Dachterrasse mit wunderschönem Blick auf die Themse.

"Alles dreht sich darum, wie wir Einnahmen erzielen können, um die Vorschriften zu erfüllen und in die Mannschaft zu investieren", sagt Khan über das Projekt. Alles für die Nachhaltigkeit des Klubs, damit er eines Tages dauerhaft in der Premier League bleiben kann. In den letzten fünf Spielzeiten ist Fulham dreimal aufgestiegen, zweimal abgestiegen. Damit soll - wenn möglich - Schluss sein.

Das mit dem Thema Aufstieg und Abstieg ist ohnehin so eine Sache. Shahid Khan lebt seit 1967 in den USA, er ist mit der (Sport-)Kultur aufgewachsen und seit 2012 ist er auch Besitzer einer NFL-Franchise, den Jacksonville Jaguars. Dort läuft die Show, ganz egal, wie man sportlich abschneidet - in der besten Liga weiter. Im europäischen Fußball ist es anders.

Shahid Khan wollte das Wembley-Stadion kaufen

"Das ist ein riesiger Unterschied mit dem Abstieg und Aufstieg", sagt Khan: "Das ist, als ob man auf zwei verschiedenen Planeten lebt. Wie ähnlich ist der Mars dem Planeten Erde?" Er würde gerne manchmal neue Ansätze in die Premier League bringen, aber er erkennt auch, wie sehr man in Europa an den Traditionen hängt.

"Vieles im englischen Fußball ist historisch, es ist in Stein gemeißelt", sagt er und hat ein Beispiel: "Es wurde darüber gesprochen, vielleicht 18 Vereine in der Liga zu haben. Aber nein. Es sollten 20 sein. Warum mit der Geschichte spielen?" Die Traditionalisten hatten auch etwas dagegen, dass er das Wembley-Stadion kaufen wollte.

Das war 2018, als er umgerechnet über 700 Millionen Euro geboten hatte. Selbst die damalige Sportministerin Tracey Crouch fand die Idee gut, aber in den Medien und auch innerhalb der englischen Fußballverbands FA wurde eine fast feindselige Stimmung aufgebaut. Dabei war die Idee, dass die FA das Geld nutzen könnte, um nachhaltige Projekte zu finanzieren. "Es war eine Win-Win-Situation", sagt er in The Athletic: "Aber es entwickelte sich zu einer Art feindlicher Übernahme, und das war wirklich nicht unsere Absicht."

So ganz aufgegeben hat er den Traum noch nicht, auch weil er darin "eine gewisse Logik" sieht. Für den englischen Fußball, aber natürlich auch ihm Eigeninteresse. Es sieht, was allein schon eine Tribüne im Craven Cottage auslösen kann. Er sieht, welche Einnahmen die Arenen in der NFL generieren. Was alles möglich wäre mit dem berühmtesten Stadion Europas ...

NFL: Als Shahid Khan die Rams kaufen wollte

Seine Jacksonville Jaguars lässt er dort trotzdem spielen - gerade wurde erst wieder ein Vertrag verlängert, sodass sie in den nächsten drei Jahren im Wembley auflaufen. Schon im Oktober dieses Jahres kommt es zum Duell mit den Denver Broncos. Die Jaguars, das ist keine große Hausnummer, aber in England hat er sie salonfähig gemacht.

"Als wir anfingen, waren wir das 31. von 32 NFL-Teams, wenn es um die Anerkennung außerhalb der USA ging. Heute sind wir definitiv unter den ersten fünf. Schauen Sie sich nur an, wie viele Leute heutzutage Jaguars-Shirts tragen", sagt er voller Stolz.

Auf seine NFL-Aktivitäten ist er besonders stolz. Er ist der erste Klub-Besitzer mit Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit. Eigentlich wollte er zuerst die St. Louis Rams kaufen. Als er 2010 schon eine Einigung über den Kauf von 60 Prozent der Rechte erzielte, machte Minderheitseigentümer Stan Kroenke von einer Klausel Gebrauch, die es ihm ermöglichte, das Angebot zu matchen. Khan ging leer aus, bis er 2012 dann in Jacksonville zuschlagen konnte.

Damit hat Shad, wie ihn seine Freunde nennen, das erreicht, was ein lang gehegter Traum eines ehemaligen US-Präsidenten ist: Donald Trump. Mit diesem legte sich Khan sogar mal an. Im Hymnen-Streit 2017 hatte das Weiße Haus gefordert, dass bei der Nationalhymne zu stehen sei, während die Klub-Besitzer sich dagegen entschieden hatten, ihre Spieler zu zwingen.

Shahid Khan legte sich mit Donald Trump an

"Totale Respektlosigkeit gegenüber unserem Land", twitterte US-Präsident Trump daraufhin empört. Damals konnte er das noch. Khan wollte das aber nicht auf sich sitzen lassen und schoss bei einem Interview mit US Today zurück: "Er ist eifersüchtig auf uns Klubbesitzer. Das ist ein sehr persönliches Problem mit ihm!"

Es war eine Anspielung auf Trumps gescheiterten Übernahmeversuch aus dem Jahre 2014 bei den Buffalo Bills. "Er hatte das große Ziel, ein NFL-Team zu besitzen. Als Präsident ist das unwahrscheinlich. Nun versucht er, durch persönliche Attacken sein Image aufzupolieren." Ein Jahr zuvor gehörte er noch zu den NFL-Bossen, die Trumps Wahlkampagne mit einer Millionen-Spende unterstützten, doch zum Bruch kam es relativ früh, als er Trump den "großen Spalter" nannte.

Allein schon diese Episode wäre doch wieder ein schöner Abschnitt im Film über Shahid Khan. Der Junge, der mit 16 aus Lahore kam, erst Tellerwäsche war, damit sein Studium finanzierte, bei einer Autofirma zu arbeiten begann, dort einen einteiligen Stoßdämpfer für LKWs miterfand, die Firma wenige Jahre später kaufte und heute mehr als sieben Milliarden Dollar schwer ist, auch weil heute angeblich zwei Drittel aller LKWs und PKWs in den USA den Stoßdämpfer seines Unternehmens eingebaut haben sollen.

Der Mann, der heute ein NFL-Team besitzt und sich mit Präsidenten anlegt und einen Fußball-Klub, der aber im Fahrstuhl sitzt und wohl niemals die Sphären erreichen wird, in denen sich ManCity und Co. bewegen und wo das Khan-Team niemals sein wird, auch wenn er alles richtig machen sollte. Aber er kennt das ja zu gut.

"Ist das Leben fair?" fragte er mal in einem Interview: "Mein ganzes Leben lang war ich in Situationen, in denen man keinen der Vorteile hat, die andere Leute haben - außer der Fähigkeit, zu denken und sich nicht an die Norm zu halten." So langweilig klingt das gar nicht.

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