Katars sensationeller Sturm ins U20-WM-Finale 1981: Nur vom Regen zu stoppen

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Katar stand schon mal in einem WM-Finale - und zwar gegen Deutschland. Ein Rückblick auf die erstaunlichen Vorkommnisse bei der U20-Weltmeisterschaft 1981 in Australien.

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Letztlich erging es Katar nicht besser als Ungarn: Die sagenhaften Weltmeisterschafts-Märchen der beiden Länder endeten jeweils im strömenden Regen und zwar gegen Deutschland. Ungarns goldene Generation verlor 1954 das WM-Finale von Bern, Katars U20 bei ähnlichen Bedingungen 1981 im australischen Sydney.

"Wir hatten drei Wochen lang traumhaftes Wetter mit Sonnenschein und 30 Grad. Dann spielen wir im Finale gegen die Kataris, ich mach am Morgen die Gardinen auf und es schüttet wie aus Eimern", erinnert sich Deutschlands damaliger Keeper Rüdiger Vollborn im Gespräch mit SPOX und GOAL. "Das war schlimmer als das Fritz-Walter-Wetter von 1954."

Deutschlands Gegner im Finale der U20-WM 1981 hieß tatsächlich Katar, dabei war schon die Qualifikation des kleinen Emirats vom Persischen Golf eine Sensation. Katar hatte erst zehn Jahre zuvor seine Unabhängigkeit von Großbritannien erlangt. 220.000 Einwohner, 600 registrierte Fußballer. Laut des offiziellen FIFA-Reports zum Turnier "gaben viele Menschen in Australien beschämt zu, nicht über die Existenz des Landes Bescheid zu wissen".

"Das war schlimmer als das Fritz-Walter-Wetter von 1954": Der Regen half Deutschland beim U20-WM-Finale 1981 gegen Katar.
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"Das war schlimmer als das Fritz-Walter-Wetter von 1954": Der Regen half Deutschland beim U20-WM-Finale 1981 gegen Katar.

Katar: Über Brasilien und England ins Finale

Von Deutschland kannte man dagegen vermutlich nicht nur den Namen des Landes, sondern sogar die einiger Spieler: Im Mittelfeld kickte Michael Zorc von Borussia Dortmund, vorne der spätere Stürmer des FC Bayern München Roland Wohlfarth. Das Gerüst der jungen Mannschaft bildeten die amtierenden U18-Europameister, wenige Monate zuvor hatten sie sich im Finale gegen Polen durchgesetzt.

Viele der damals geschlagenen Polen duellierten sich im ersten Gruppenspiel der U20-WM mit Katar. 0:1, die erste Sensation. "Das hat uns aufhorchen lassen", erinnert sich Vollborn, heute Fanbeauftragter seines Ex-Klubs Bayer 04 Leverkusen. Im Viertelfinale traf die Überraschungsmannschaft auf Brasilien, das Heimatland von Katars Trainer Evaristo de Macedo. Dreierpack Khalid Salman Al-Muhannadi, 3:2.

Im Halbfinale gelang ein 2:1 gegen England. Getrübt wurde die neuerliche Sensation aber von einem Platzsturm britischer Fans. Die Kataris mussten von einer Polizeieskorte zum Mannschaftsbus geleitet werden, FIFA-Präsident Joao Havelange zeigte sich "enttäuscht und verärgert von den Störungen". Fan-Krawalle hatte es zuvor schon beim Gruppenspiel zwischen England und Argentinien gegeben.

Argentinien war als Titelverteidiger angereist, verfügte beim Triumph von 1979 aber auch über einen unerhörten Vorteil: Diego Armando Maradona. Die allerersten U20-WM hatte zuvor die Sowjetunion gewonnen. Im dritten Finale holte schließlich Deutschland gegen Katar seinen bis heute einzigen U20-WM-Titel - begünstigt von der Witterung.

Khalid Salman Al-Muhannadi (r.) schoss beim 3:2-Viertelfinalsieg gegen Brasilien einen Dreierpack.
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Khalid Salman Al-Muhannadi (r.) schoss beim 3:2-Viertelfinalsieg gegen Brasilien einen Dreierpack.

Katar: Häuser und Autos trotz Final-Pleite

"Die Kataris kannten vermutlich gar keinen Regen. Vor dem Spiel kamen sie nicht einmal zum Warmmachen auf den Rasen: Ich habe mich gefragt: Treten die überhaupt an? Das war schon seltsam", erinnert sich Vollborn. Zum Anpfiff erschienen sie doch noch auf dem Platz, hätten laut des deutschen Keepers aber "relativ schnell gemerkt, dass sie bei diesen Bedingungen keine Chance gegen uns haben".

Katar verfügte laut Vollborn über eine stabile Abwehr, technisch gute Mittelfeldspieler und drei schnelle Stürmer. "Sie sind immer wieder ins Dribbling gegangen, der Ball blieb aber jedes Mal in den Pfützen liegen. Wir Deutschen wussten, wie man bei solchen Bedingungen spielen muss: Ball nach vorne pöhlen und hinterherrennen." Viermal führte diese Taktik zum Torerfolg. 4:0.

Einen Austausch zwischen den Spielern der beiden Mannschaft gab es laut Vollborn nach dem Spiel nicht, die Deutschen scheinen sich mit dem Finalgegner generell eher weniger beschäftigt zu haben. "Ich habe heute keinen Namen eines ihrer Spieler parat", sagt Vollborn. "Das war vor dem Finale aber ehrlich gesagt nicht anders."

Statt ihrer Namen merkte sich der Keeper immerhin ihre Prämien ganz genau: "Wir haben gehört, dass jeder katarische Spieler für den zweiten Platz ein Auto, ein Haus und 500.000 DM bekommen hat. Bei uns waren es für den Sieg eine Uhr und 25 DM Taschengeld pro Tag."

Irre Prämien, Heimflug im Privatjet und Autokorso in Doha: Die Kataris wurden in der Heimat trotz der Finalniederlage wie Sieger behandelt.
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Irre Prämien, Heimflug im Privatjet und Autokorso in Doha: Die Kataris wurden in der Heimat trotz der Finalniederlage wie Sieger behandelt.

Katar gelangen nach der U20-WM zwei Olympia-Teilnahmen

Der sensationelle Erfolgslauf löste in der katarischen Heimat Euphorie aus. "Meine Mutter hat mir am Telefon berichtet, dass man mit Anpfiff der Spiele keinen Menschen mehr in den Cafés und auf den Straßen gesehen hat", berichtete Stürmer Badr Bilal. Trotz der Finalniederlage schickte der Emir einen Privatjet für die Heimreise, in Doha folgte ein Autokorso. Und in Deutschland? Vollborn ließ sich von seinen Eltern am Flughafen in Berlin abholen.

Für Katar war das Turnier die Startrampe zur ersten erfolgreichen Fußball-Ära. 1984 und 1992 qualifizierte sich das Emirat für das olympische Fußball-Turnier, 1992 ging es sogar ins Viertelfinale. Im gleichen Jahr gelang mit dem Sieg beim Golfcup der erste Titelgewinn, 1991 eine Halbfinal-Teilnahme bei der U17-WM. Die A-Auswahl verpasste eine Qualifikation für die WM 1990 nur ganz knapp.

Trotz der beachtlichen Erfolge mit ihrer Nationalmannschaft legte aber keiner der beteiligten Spieler eine nennenswerte internationale Karriere hin - womöglich wollten sie die Wüste aber auch einfach nicht für das regnerische Europa verlassen.

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