Estadio do Restelo von Os Belenenses: Lissabons unbekanntes Postkartenmotiv

Das Estadio do Restelo ist das Stadion von Os Belenenses.
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Fußball in Lissabon ist fast ausschließlich Benfica und Sporting. Das wahre Schmuckkästchen der Hauptstadt Portugals ist aber das Estadio do Restelo im Stadtteil Belem. Teil 2 der Serie "Perlen des Groundhoppings".

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"Perlen des Groundhoppings", Teil 1: Dalymount Park der Bohemians Dublin

Wer als Otto-Normaltourist ein paar Tage nach Lissabon reist, und das sollte freilich jeder einmal getan haben, der hat im Grunde schon genug zu tun, um die zahlreichen Sehenswürdigkeiten der portugiesischen Hauptstadt abzuklappern.

Der Weg hinauf zur Burg Castelo de Sao Jorge, die über der Stadt thront und einen tollen Blick auf die 600.000-Einwohner-Metropole freilegt, ist ein Muss. Man kann mit zahlreichen Aufzügen von der Unter- in die Oberstadt fahren und dort im Bairro Alto Essen oder einen trinken gehen. Das eng verwinkelte Viertel Alfama mit seinen alten Häusern ist mehr als einen Spaziergang wert und dann empfiehlt sich noch die Fahrt mit der Straßenbahnlinie 28E, die für schlappe 1,50 Euro (am Automaten lösen!) eine malerische Stadtrundfahrt bietet.

Investiert man denselben Betrag, hockt sich ab der Altstadt in Linie 15E Richtung Alges und steigt rund 25 Minuten später an der Haltestelle "Mosteiro Jeronimos" aus, kommt man zu Fuß schnell und bergauf an einen Ort, der sich für ein echtes, aber weitgehend unbekanntes Postkartenmotiv eignet. Doch zugegeben, dafür muss man sich für Fußball begeistern können.

Fußball in Lissabon, das ist fast ausschließlich Benfica und Sporting und dann kommt lange nichts. Und ja, beide Traditionsklubs haben sehr schöne, moderne Stadien mit einer herrlichen Stimmung. Lissabons wahres Schmuckkästchen ist aber das Estadio do Restelo im Stadtteil Belem. Dieser liegt ein wenig abseits im Westen der Stadt. Den Weg sollte man aber auf sich nehmen - zumal es ab Bahnhof Cais do Sodre auch eine Zugverbindung Richtung Cascais gibt, die Belem (zu deutsch: Bethlehem) in nur acht Minuten erreicht.

Estadio do Restelo: Gebaut auf einem alten Steinbruch

Einmal dort, wird in den wenigsten Reiseführern dazu geraten, das Restelo zu besuchen. Man kommt hierher, um das markante Weltkulturerbe Torre de Belem oder das Hieronymuskloster zu besuchen, in dem Portugals berühmter Seefahrer Vasco da Gama seine letzte Ruhestätte fand. Pflicht ist es auch, ob Fußballfan oder nicht, für die originalen Pudding-Blätterteigtörtchen Pasteis de Belem vor der Bäckerei anzustehen.

Nach dieser Stärkung lässt sich die leichte Steigung hoch zum Restelo natürlich leichter bewerkstelligen. Das auf einem alten Steinbruch gebaute und 1956 eröffnete Stadion in Hufeisenform ist ein Ort, der vor Tradition nur so trieft. Oben angekommen gilt es dennoch, sich schleunigst umzudrehen und den Blick zu genießen.

Die an die Golden Gate Bridge in San Francisco erinnernde Brücke des 25. April über dem Fluss Tejo mit der beachtlichen Christusstatue im Hinter- und dem Turm von Belem im Vordergrund - welchem Groundhopper bei dieser Komposition das Herz nicht höher schlägt, der sollte einen Arzt aufsuchen.

Kombination aus Postkartenmotiv und Fußball-Geschichte

Stünde man nun neben einem einheitlichen Allerweltsstadion, der überragende Blick wäre nur die Hälfte wert. Es ist die Kombination aus Postkartenmotiv und Fußball-Geschichte, die diesen Hügel exquisit macht. Und dafür muss die Schüssel nicht einmal mehr die rund 60.000 Plätze bieten, die beim Zuschauerrekord 1975 gegen Benfica allesamt gefüllt waren.

Das Restelo ist die Heimat von Os Belenenses, 1919 gegründet und somit einer der ältesten Klubs des Landes. 99 Jahre später spaltete sich die Profifußball-Abteilung vom restlichen Verein ab, verzog sich ins Estadio Nacional im äußersten Westen Lissabons und spielt seither unter dem Namen Belenenses SAD in der ersten Liga. So entstand bei Os Belenenses eine neue Fußballabteilung, die in Liga sechs loslegte und bislang zweimal aufstieg.

2004 wurde das Restelo renoviert und zu einem reinen Sitzplatzstadion umgebaut, was die Kapazität auf 19.856 Plätze verringerte. Die besten Zeiten haben die ovale Arena und der heutige Viertligist lange hinter sich. Vier Mal gewann man die Meisterschaft, der letzte Titel stammt jedoch aus dem Jahr 1946. Das brachte Belenenses als amtierender Titelträger Portugals ein Jahr später im Dezember einen historischen Auftritt ein: Real hatte die Blau-Weißen zur Einweihung des Estadio Santiago Bernabeu in Madrid eingeladen, die Partie ging 1:3 verloren. Der Pokalsieg 1989 dürfte für Belenenses auf lange Zeit die letzte Trophäe gewesen sein.

Der Blick über die flache Südkurve hinüber zum Tejo und der Brücke des 25. April.
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Der Blick über die flache Südkurve hinüber zum Tejo und der Brücke des 25. April.

Estadio do Restelo: Barca-Sieg, Papst-Messe, Metallica-Konzert

Auf seiner Homepage widmet der Verein dem Stadion nur zwei Sätzchen und verkauft es somit unter Wert. Schließlich war Belenenses, was "Die aus Belem" bedeutet, der erste portugiesische Klub, der einen Rasenplatz und künstliches Flutlicht sein Eigen nennen konnte.

Dieses war eingeschaltet, als Belenenses in der Saison 1987/88 den FC Barcelona mit Bernd Schuster im UEFA-Cup 1:0 schlug und ein Jahr später Bayer Leverkusen im selben Wettbewerb mit demselben Ergebnis sogar eliminierte. Auch für Portugals Nationalteam hat sich ein Trip ins Restalo stets gelohnt: In sieben Testspielen blieb man dort ungeschlagen, einen der fünf Siege gab es im Februar 1983 gegen Deutschland.

In der Neuzeit wurde das Stadion auch regelmäßig für andere Großereignisse genutzt. 1991 hielt hier Papst Johannes Paul II. eine Messe vor mehr als 100.000 Menschen, an die heute eine Gedenktafel an der Stadionfassade erinnert. 1980 trat die englische Band The Police auf und machte das Restelo zum ersten Stadion Portugals, in dem ein Musik-Konzert stattfand. 2000 nahm Pearl Jam dort ein Live-Album auf, auch Metallica, Radiohead oder Slipknot ließen sich schon im Restalo blicken. Queen stand an diesem Ort 2005 nach 19 Jahren Pause sogar erstmals wieder in einem Stadion auf der Bühne.

Charme und Kontraste überall

Schaut man ein Spiel im Restalo, speist sich der Charme nicht nur aus dem prächtigen Ausblick über die flache und mittlerweile gesperrte Südkurve: Manche Sitzschale wackelt, die spartanisch eingerichteten Essensstände beschränken sich aufs Wesentliche und an vielen Stellen bröckelt der Putz.

Die Zeit wirkt hier wie stehengeblieben, doch niemanden scheint es zu stören. Im Gegenteil: Es sind vielmehr angenehme Kontraste zum überbordenden Kommerz, der in modernen Fußballarenen aus allen Ecken strömt.

Das gilt selbst außerhalb des Restalo noch, das sich inmitten des Lissaboner Diplomatenviertels, unweit des Amtssitzes des Präsidenten Portugals und angrenzend an das hiesige Verteidigungsministerium befindet. Zur bewegten Geschichte des seit langem abgeschlagenen Klubs passt das wie die Faust aufs Auge.

Spartanischer geht's kaum: Hier kauft man im Estadio do Restolo Essen und Trinken.
Spartanischer geht's kaum: Hier kauft man im Estadio do Restolo Essen und Trinken.

Estadio do Restelo von Os Belenenses in Lissabon: Daten und Fakten

Eröffnung: 1956
Erstes Spiel: Belenenses - Sporting (2:1)
Zuschauerrekord: 60.000 (Belenenses - Benfica, 4:2, 1975)
Aktuelle Kapazität: 19.856