Auswärtsspiel - die SPOX-Kolumne: Klopp riet ihm zum Trainerjob - der ehrliche Nuri lebt seinen Traum

Von Fatih Demireli
Jürgen Klopp und Nuri Sahin im Jahr 2015 bei Borussia Dortmund.
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Nuri Sahin hat bei Antalyaspor einen vielversprechenden Start als Trainer hingelegt. Dabei macht der 33 Jahre alte Ex-Borusse kein Hehl aus dem Einfluss seiner Ex-Trainer wie Thomas Tuchel oder Jürgen Klopp. Vor allem Letzterer hat entscheidenden Einfluss auf die Karriere Sahins genommen.

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So ganz aufgehört hat er noch nicht. Seitdem Nuri Sahin vor rund drei Monaten als Trainer bei Antalyaspor angefangen hat, steht der 33-Jährige auch regelmäßig als Einwechselspieler auf dem Spielberichtsbogen. Türkische Medien hatten damals voreilig das Karriereende des Mittelfeldspielers verkündet, als der Klub ihn am 5. Oktober 2021 zum "Fußballabteilungsleiter" erklärt und das Ganze mit einem Fünfjahresvertrag besiegelt hatte.

Zu einem Einsatz kam es aber dann nicht mehr: Trainer Sahin lässt Spieler Sahin auf der Bank schmoren. Kein Wunder, denn es ist auch genug zu tun.

Gerade in einem Fußball-Land wie in der Türkei, in dem Trainer auf einem äußerst wackeligen Stuhl sitzen, braucht man jede Sekunde, um Leistung abzuliefern. Allein 15 Wechsel gab es in dieser Saison nach 19 Spieltagen, fast 40 waren es in der vergangenen Spielzeit. Aber bei Antalyaspor, das in der Vergangenheit auch sehr wechselfreudig auf der Bank war, vertraut man Sahin.

"Wir wollen ein Antalyaspor erschaffen, das zum Stadtbild gehört, das eine große Fanbase aufbaut und eine emotionale Verbindung in der Region schafft. Mit einem Charakter wie Nuri Sahin ist das einfacher zu schaffen", sagt Präsident Aziz Çetin: "Und wir würden gerne in Europa spielen."

Sahin sagte zu Anatalya-Spielern: "Gebt mir eine Chance!"

Ziele, die Sahin nicht abschrecken, auch wenn er weiß, wie der Hase in der Türkei läuft: "Wenn ich in fünf Jahren immer noch Trainer von Antalyaspor sein sollte, werden wir gut dastehen." Die Anfänge machen auf jeden Fall Mut. Antalyaspor hat unter ihm den Punktedurchschnitt erhöht, aber vor allem hat das Spiel der Rot-Weißen eine Identität gewonnen, die man vorher vermisste. Die Mannschaft hört zu, was ihr Trainer zu sagen hat. Schon als Kollege, was er ja eigentlich noch ist, war er ihr Anführer. Als Trainer ist das nicht anders.

Sahin spürt das Vertrauen. "Bei meinen Amtsantritt habe ich mit den Spielern nicht über das System gesprochen. Ich habe gesagt: 'Gebt mir eine Chance, ich werde euch mit meiner Arbeit überzeugen. Ich glaube an das, was ich kann. Ich glaube an mein Team.' Sie haben mich sehr gut aufgenommen und mir glücklicherweise das Vertrauen geschenkt. Wir haben gute Spiele gemacht, schwache Spiele gemacht, aber das ist ein Prozess."

Nuri Sahin: Bayerns Ex-Fitnesscoach im Trainerteam

Ein Prozess, den Sahin nicht allein angeht. Er benötigte keine zwei Tage, als ihn der Vorstand fragte, ob er als Spielertrainer übernehmen will - und schon hatte er ein Trainerteam. Da ist Alfons Groenendijk, der vom Verband offiziell als Trainer geführt wird, weil der Niederländer die nötige Lizenz hat, die Sahin noch fehlt. Groenendijk arbeitete jahrelang bei Ajax in der Jugend. Michael Lindeman, der andere Co-Trainer, hat eine HSV-Vergangenheit, ist vor allem für die Athletik der Spieler zuständig. Genauso wie Marcelo Martins, der einst unter Jupp Heynckes, Louis van Gaal und Co. Fitnesstrainer beim FC Bayern war.

Sahin hat das Sagen, aber er war noch nie jemand, der die Augen und Ohren für Einflüsse verschlossen hat. Schon als Spieler machte sich Sahin Notizen, schrieb auf, was ihm von seinen Trainern hängenblieb. Alles für den Traum, selbst einmal Trainer zu sein.

Und die Namen, mit denen es der Türke in seiner Karriere zu tun hatte, können sich sehen lassen. Von Jürgen Klopp bis Thomas Tuchel, von Jose Mourinho bis Brendan Rodgers, von Fatih Terim bis Bert van Marwijk. "Ich habe von jedem Trainer etwas gelernt", sagt Sahin. Bei der Studie der Dreierkette, die er aktuell spielen lässt, blickt er beispielsweise zu Thomas Tuchels Chelsea. "Wir schauen uns an, welchen taktischen Ansatz er verfolgt, und wir versuchen schon ähnlich zu spielen", sagt Sahin.

Sahin guckt sich Pressekonferenzen an, um zu studieren, wie die Granden des Sports auf schwierige Fragen reagieren. Er studiert Trainingseinheiten. Schon als Spieler analysierte er privat die großen Mannschaften. Mit seinem Bruder Ufuk Sahin trainierte er nebenbei auf Amateurniveau in Meinerzhagen. Das große Vorbild ist und bleibt aber Jürgen Klopp, zu dem Sahin ein freundschaftliches, ja sogar familiäres Verhältnis pflegt.

Jürgen Klopp und Nuri Sahin im Jahr 2015 bei Borussia Dortmund.
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Jürgen Klopp und Nuri Sahin im Jahr 2015 bei Borussia Dortmund.

Nuri Sahin über Klopp: "Jürgen lügt nicht"

Klopp war es auch, der Sahin den letzten Anstoß zur Entscheidung, das Angebot von Antalya anzunehmen, gegeben hat. "Jürgen war einer der wenigen, die ich um Rat gefragt habe. Er sagte mir nur: 'Du bist ein guter Mensch und wirst Erfolg haben.' Das hat mich sehr beeinflusst", sagt Sahin und wird dabei fast schon emotional. Über Klopp sagte Sahin mal: "Am meisten liebe ich an ihm, dass er menschlich ist. Er berührt dich auf einer menschlichen Ebene. Jürgen lügt nicht. Er ist, wer er ist."

Und Sahin will auch selbst nicht lügen. "Mir hat ein erfahrener Trainer gesagt, dass ich mit meiner sehr offenen und ehrlichen Kommunikation bei großen Klubs, wo der Druck noch höher ist, Probleme bekommen könnte. Aber ich will so bleiben, wie ich bin. Ich kann alles, aber nicht lügen. Ich hoffe, dass ich so bleiben kann."

Am Mittwoch hatte Sahin schon die erste Chance, den ersten Titel seiner noch jungen Trainerkarriere zu ergattern. Im Supercup traf Antalyaspor im katarischen Doha auf Besiktas - nach einer starken Vorstellung verlor seine Truppe erst im Elfmeterschießen. Den ersten Elfmeter für Antalya verschoss der 18 Jahre alte Mustafa Erdilman.

Als Sahin vor die Mikrofone trat, um über das Spiel zu sprechen, kam er gleich zu seinem Youngster. "Ich habe in meinem Fußballerleben so viele Elfmeter verschossen. Das ist gar kein Problem. Er hat Charakter gezeigt und ist angetreten. Das zählt!"

Mit einem verlorenen Elfmeterschießen begann einst die Verbindung Jürgen Klopp und Nuri Sahin. Der junge Mittelfeldspieler hatte beim BVB im Oktober 2008 einen schweren Stand. Als es bei Udinese zum Elfmeterschießen kam, war es Sahin, der sich als erstes den Ball packte und das Tor traf. Zwar schied Dortmund später aus, weil Tamas Hajnal und Jakub Błaszczykowski vergaben, aber Klopp schloss Sahin in sein Herz und eine Fußballer-Freundschaft begann.