BVB: Ex-Dortmunder Kagawa am Tiefpunkt angekommen - #freeShinji ruft niemand mehr

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Shinji Kagawa startete bei Real Saragossa in der zweiten spanischen Liga gut, ließ dann aber stark nach und kämpfte später mit seinem Team um den Aufstieg. Anschließend löste der Klub den Vertrag mit dem Ex-BVB-Spieler auf. Seitdem ist der Japaner vereinslos.

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Als Shinji Kagawa zu Beginn der 2010er-Jahre als japanischer Zweitligaspieler in die Bundesliga kam und bei Borussia Dortmund auf Anhieb groß aufzockte, da hätte man wohl nie gedacht, welche Wendung seine Karriere zu Beginn der 2020er-Jahre nehmen würde. Zwar ist Kagawa mittlerweile 31 Jahre alt, seine unbestrittenen Fähigkeiten als Spieler wollen zu seiner derzeitigen Vereinslosigkeit aber nicht passen.

Seit Anfang Oktober steht Kagawa ohne Klub und Vertrag da. Rund 14 Monate zuvor erfüllte er sich seinen lange gehegten und mit Vehemenz verfolgten Traum, in Spanien zu spielen. Er wechselte dafür den Berater und schließlich für kolportierte drei Millionen Euro vom BVB zu Real Saragossa. Das erstaunte bereits, denn der langjährige Erstligaverein kickt mittlerweile nur noch in der Segunda Division.

"Ich hatte es mir nicht vorgestellt", gab Kagawa in der spanischen Sportzeitung Marca zu, dass es nicht sein Plan gewesen sei, in eine 2. Liga zu wechseln. "Aber ich wusste nicht, was passieren würde. Das kannst du nicht wissen. Wichtig ist, dass wir nach dem Saisonende alle glücklich sein werden", sagte er.

Das war der Plan: Saragossa sollte mit Kagawa, der zum bestbezahlten Spieler des Kaders wurde, in die Primera Division aufsteigen. Sein Start in Aragonien verlief gut, der Japaner zeigte die von ihm erwarteten Leistungen und beeindruckte dabei. Allerdings wurde bereits im Oktober offensichtlich, dass Kagawa keine komplette Saisonvorbereitung absolviert hatte, mit Rückenproblemen kämpfte und auch krankheitsbedingt mit Gewichtsverlust ausgefallen war. Er fiel in ein Loch.

Kagawa: Vom BVB bekannte Fähigkeiten blitzen kaum auf

Saragossa rauschte in der Tabelle nach einigen Niederlagen im Herbst immer mehr ab, von Rang zwei fiel man bisweilen auf Platz neun zurück. Dabei spülte es Kagawa, der von Trainer Victor Fernandez meist auf seiner angestammten Position im offensiven Mittelfeld, aber auch mal auf den Flügeln eingesetzt wurde, aus der Startelf. Es mangelte ihm an Fitness, seine aus der Bundesliga bekannten Drehungen, Ballannahmen und Pässe blitzten kaum noch auf.

"Es ist keine gute Situation für mich", befand Kagawa, der später anders als zu seiner Zeit in Deutschland mit der neuen Sprache gut zurechtkam und erste Interviews auf Spanisch gab. "Ich muss dringend an Selbstvertrauen gewinnen und zeigen, was ich kann, denn ich möchte, dass die Menschen in Saragossa zufrieden mit mir sind."

Wirklich besser wurde es bis zur coronabedingten Ligenunterbrechung aber nicht. Zu dieser Zeit gerieten die Geldprobleme der Blanquillos immer stärker in den Fokus, die wirtschaftlichen Begleitumstände mit Geisterspielen und Co. machten dem Klub schwer zu schaffen. Medienberichten zufolge lag die Nettoverschuldung im Jahr 2019 bei rund 74 Millionen Euro. Erste Gerüchte kamen auf, Saragossa wolle Kagawa den vorzeitigen Ausstieg aus seinem bis 2021 datierten Vertrag erleichtern, um Personalkosten einzusparen.

Kagawa in verbesserter Form nach Corona-Pause

Nach drei Monaten Pause, Saragossa hatte sich vor Corona mit zehn Partien ohne Niederlage wieder auf Platz zwei gespielt, kam Kagawa verbessert zurück. Im zweiten Spiel erzielte er sein drittes von am Ende vier Saisontoren und kam wieder öfter von Beginn an zum Einsatz. Kurios: Obwohl das Team sieben der zwölf Partien nach dem Lockdown verlor, qualifizierte sich Saragossa am 42. und letzten Spieltag mit einem Sieg gegen Ponferradina - Kagawa spielte durch - als Dritter für die Aufstiegsplayoffs.

Diese fanden erst einen guten Monat später gegen den Tabellensechsten FC Elche statt, gegen den Saragossa im regulären Saisonverlauf noch beide Begegnungen gewann. Kagawa, der in LaLiga 2 auf letztlich enttäuschende 23 Startelfeinsätze und acht Einwechslungen kam, durfte bis auf vier alle Minuten mitspielen.

Es ging dabei auch um seine Zukunft, denn die Hinweise verdichteten sich, dass nur ein Aufstieg seine Zukunft im Nordosten Spaniens retten kann. Jedoch war selbst das ungewiss, da sich Kagawas Jahressalär bei einem Aufstieg angeblich automatisch erhöht hätte. Dies blieb letztlich Theorie: Nach einem 0:0 im Hinspiel verlor Saragossa im heimischen Romareda mit 0:1 - durch einen Gegentreffer acht Minuten vor Schluss.

Kagawa nach Saragossa-Aus: "Ich war wütend"

Der Traum des Klubs und von Kagawa war geplatzt, schon zwei Tage später musste Trainer Victor Fernandez gehen. Das besiegelte auch das Ende von Kagawa, der neue Coach Ruben Baraja wollte ihn trotz seiner ansteigenden Formkurve nicht in seinem Team haben. Als sechs Wochen nach dem Nackenschlag gegen Elche die neue Saison startete, war der Japaner gänzlich außen vor.

Kurz darauf gab der Verein bekannt, den Vertrag mit Kagawa vorzeitig aufgelöst zu haben. Neben den hohen Kosten, die Kagawa verursachte, hing die Entscheidung vor allem mit der Tatsache zusammen, dass er keinen europäischen Pass besitzt. Anders als im Ober- dürfen im Unterhaus nämlich nur zwei statt drei Spieler ohne EU-Ausweis im Kader stehen. Baraja besetzte diese beiden Plätze mit dem von Celta Vigo ausgeliehenen uruguayischen Mittelstürmer Gabriel Fernandez und mit Leihrückkehrer Rai Nascimento aus Brasilien.

Dass Kagawa nicht mehr auf der Ende September einzureichenden Meldeliste für den Kader stand, hatte ihn laut eigener Aussage überrascht: "Mit dieser Entscheidung habe ich nicht gerechnet. Es war sehr schwierig, sie zu akzeptieren. Ich war wütend, ich wusste nicht, warum sie mich nicht wollten", sagte er. Demnach sei er auch bereit gewesen, für weniger Gehalt zu spielen: "Wenn es ein finanzielles Problem gewesen wäre, hätte ich mit dem Verein reden können. Ich weiß nicht, ob die erste Liga meine Situation verändert hätte", erklärte der Asiate.

BVB-Fans und der freeShinji-Hashtag

Kagawa tat dies auf einer eigens einberufenen virtuellen Pressekonferenz kund. Ein besonders trister Kontrast zu seiner Vorstellung im August 2019 war das, als 7000 Fans und 70 Journalisten von 35 verschiedenen Medienanstalten aufschlugen. Noch trister ist freilich, dass Kagawa anschließend keinen neuen Verein mehr fand.

Fortuna Düsseldorfs Vorstand Klaus Allofs verriet, dass man sich mit dem Japaner beschäftigte, in ihm aber nicht den richtigen Spieler für die 2. Liga sah. In Spanien klopften die Zweitligisten UD Logrones und CE Sabadell an, auch Interesse von Sampdoria Genua wurde kolportiert und eine England-Rückkehr zu Leicester City stand im Raum.

Gerüchte gab es genug, doch es ist gewiss ein Zeichen, wenn bei jemandem mit Kagawas Anlagen keine Übereinkunft mit interessierten Vereinen zustande kommt. Erst recht, wenn er als vertragsloser Spieler nicht auf die Öffnung des Transferfensters warten muss.

2012 verwendete eine Armee trauriger BVB-Fans den Hashtag #freeShinji bei Twitter, als Kagawa zu Manchester United wechselte und dort schnell nicht glücklich wurde. Kurz vor seiner Rückkehr nach Dortmund zwei Jahre später wurde der Hashtag gar einer der beliebtesten in ganz Deutschland. Heute ruft niemand mehr #freeShinji. Eigentlich genauso traurig.

Shinji Kagawa erfüllte die Erwartungen bei Real Saragossa nicht.
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Shinji Kagawa erfüllte die Erwartungen bei Real Saragossa nicht.

Shinji Kagawa: Seine bisherige Karriere im Überblick

VereinZeitraumPflichtspieleToreVorlagen
Cerezo Osaka2006-20101275717
Borussia Dortmund2010-2012 und 2014-20192166055
Manchester United2012-201457610
Besiktas20191442
Real Saragossa2019-20203642