EM

Rundumschlag von Uli Hoeneß - Toni Kroos schießt zurück

Von SPOX
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Uli Hoeneß hat nach der enttäuschenden EM umfassende Kritik an dem früheren Bundestrainer Joachim Löw, der deutschen Nationalmannschaft und insbesondere Toni Kroos geübt.

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Löw habe "völlig unnötig" auf die Dreierkette in der Abwehr gesetzt, um Kroos als Mittelfeldchef einzubauen, sagte der ehemalige Bayern-Präsident im Doppelpass bei Sport1: "Aber Toni Kroos hat in diesem Fußball nichts mehr verloren. Das war das Hauptproblem."

Beim Aus im Achtelfinale gegen England (0:2) habe Deutschland "Angsthasenfußball" gespielt und allen voran Kroos sei nur durch Querpässe aufgefallen. "Bei anderen Teams geht es mit Zug nach vorne, und bei uns wurde quer gespielt, quer gespielt, quer gespielt", sagte Hoeneß.

Er schätze Kroos, der tolle Erfolge gefeiert habe - aber: "Seine Art zu spielen, ist total vorbei." Kroos selbst hatte nach Ausscheiden das Ende seiner Nationalmannschaftskarriere verkündet.

Kroos reagierte mit Sarkasmus bei Twitter: "Uli Hoeneß ist ein Mann mit großem Fußballsachverstand (auch wenn es für RTL nicht gereicht hat), wenig Interesse für Polemik und mit sich komplett im Reinen. Ähnlich wie sein Greenkeeper (gemeint ist Lothar Matthäus, d.Red.)."

Darauf wiederum reagierte Hoeneß: "Wir leben in einer Demokratie. Jeder kann sagen, was er will. Wer austeilt, der muss auch einstecken können - und das tue ich."

Hoeneß über Löw-System: "Total in die Hose gegangen"

Hoeneß teilte auch gegen den Ex-Bundestrainer aus. Auch was er über Löw und dessen Taktik sage, habe nichts mit seinen Sympathien für den Weltmeistertrainer von 2014 zu tun, betonte Hoeneß: "Es soll nicht heißen, der Hoeneß haut den Löw in die Pfanne. Aber wenn man das Thema analysiert, ist es relativ einfach."

Löw habe nicht einfach das System von Hansi Flick (früherer Bayern-Trainer, d. Red.) kopieren, sondern etwas "besonderes Neues" finden wollen. Und das sei "total in die Hose gegangen".

Hoeneß sagte, er hätte auf eine Viererkette und ein Mittelfeld mit den fünf Bayern-Profis Joshua Kimmich, Leon Goretzka, Thomas Müller, Serge Gnabry und Leroy Sane gesetzt. Wäre das Team so aufgelaufen, sei er "zu 100 Prozent sicher, dass wir jetzt anders dastehen würden".

Hoeneß kritisiert unmündige Spieler

Er wisse, führte der 69-Jährige aus, dass die Mannschaft mit Löws Dreierkette nicht zufrieden war. Allerdings hätte kein Spieler intern Kritik geäußert und die unbeliebte Taktik zur Sprache gebracht.

Daher sei die "Schuld nicht nur bei Jogi Löw zu sehen, sondern auch bei den Spielern", betonte Hoeneß. Er habe viele Spieler "selbstbewusst erlebt unter Hansi Flick", aber nun sei niemand bereit gewesen, die Konfrontation zu suchen: "Das verstehe ich nicht."

Uli Hoeneß über ...

... die Frage, warum er für Italien und gegen England im EM-Finale ist:

"Die Engländer verhalten sich in jeder Hinsicht unmöglich. Wenn ein kleines Mädchen im deutschen Trikot weint und das ganze Stadion gegen das Mädchen grölt oder dass das ganze Stadion pfeift, wenn die dänische Nationalhymne gespielt wird - das ist einfach nicht Sportsmanship, den die Engländer immer so propagieren. Dazu kommt mit Boris Johnson ein Premierminister, den ich nicht mag und der sich womöglich heute Abend im Three-Lions-Trikot feiern lässt, während 60.000 Zuschauer neue Infektionen provozieren. Das sind Dinge, die mir die Engländer jetzt unsympathisch gemacht haben. Vor allem, weil sie durch den Brexit eigentlich aus Europa raus sind."

... den Grund, warum England in der K.o.-Runde stark verbessert auftritt:

"Wir haben die Engländer aufgebaut. Die hatten die ersten 20 Minuten die Hosen voll und Deutschland ist nicht gekommen. Dann sind sie selbst gekommen - und seitdem spielen sie anständig Fußball."

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... die Gründe für Deutschlands frühes Scheitern:

"Da gewinnt der FC Bayern die Champions League in einer überragenden Saison mit einer Viererkette. Dann spielen wir in der WM-Qualifikation ganz ordentlich mit der Viererkette. Und völlig unnötig im dritten Spiel fangen wir mit der Dreierkette an. Und das war nur die Vorbereitung für Jogi Löw, weil er genau wusste, dass er Toni Kroos einbauen musste. Aber Toni Kroos hat in diesem Fußball nichts mehr verloren. Das war das Hauptproblem. Löw wollte nicht das System von Hansi Flick kopieren, sondern er wollte etwas völlig Neues. Und es ist in die Hose gegangen. Hätten wir mit der Viererkette gespielt, bin ich mir hundertprozentig sicher, dass wir jetzt anders dastehen würden."

... Kroos' Spielweise:

"Der Toni Kroos passt nicht mehr in dieses Spiel mit seinen Querpässen. Ich mag Kroos extrem, er hat bei uns Weltklasseleistungen gezeigt, aber seine Zeit und seine Art zu spielen, ist vorbei. Bei der EM habe ich sonst keinen Spieler gesehen, der diese Art von Fußball spielt. Und wenn Toni Kroos deswegen auffällt, weil er grätscht und dem Gegner den Ball abnimmt, dann stimmt etwas nicht".

... mangelndes Engagement der DFB-Spieler:

"Ich habe unsere Spieler kennengelernt als super selbstbewusste Jungs, die bei Hansi Flick ein großes Mitspracherecht hatten. Ich weiß, dass sie total unzufrieden waren mit der Situation, mit der Taktik. Und trotzdem haben sie es akzeptiert. So kenne ich unsere Spieler nicht. Ich verstehe es nicht."

Hoeneß: "Gosens ist technisch zu schwach"

... seine EM-Formation:

"Hätte man von Anfang an mit einer Viererkette und einem Mittelfeld Goretzka, Kimmich, Müller gespielt, dazu die zwei Außenstürmer Sane und Gnabry und den Havertz in der Mitte vorn, dann bin ich hundertprozentig sicher, dass wir jetzt anders dastehen würden."

... die Vorbereitung und mangelnde Eingespieltheit:

"Während der ganzen EM waren wir immer ungeordnet. Gosens hat einmal gut gespielt, weil der portugiesische Trainer seinen Namen wohl nicht kannte. Sonst ist er technisch zu schwach. Gnabry und Sane sind es bei Bayern gewohnt zu spielen. Wir haben es zugelassen, dass sie öffentlich zu sehr infrage gestellt haben. Die waren doch immer in and out. Genauso bei Havertz. Das ist doch ein super Spieler, einer, der auch kopfballstark ist. Wenn ich die Spieler als Bundestrainer so wenig sehe, lasse ich die Mannschaft, die ich im Kopf habe, die vier, fünf Partien vor der EM durchspielen. Bei uns gab es ständig Systemwechsel und Wechsel innerhalb der Spieler. So kann keine Einheit entstehen."

... Hansi Flick, den neuen Bundestrainer:

"Er ist ja der Messias. Aber als Messias muss man auch Erfolg haben. Der Druck auf ihn ist ungeheuer groß, dass man mit dieser Macht, die er wahrscheinlich bekommen wird, auch Erfolg hat."

... Flicks Fähigkeit, eine Nationalmannschaft zu formen:

"Ich sehe da überhaupt kein Problem, wenn er es wieder schafft, nicht nur die Bayern-Spieler, sondern auch die aus anderen Vereinen hinter sich zu bringen."

Hoeneß: "Ein aktives Amt kann ich mir nicht vorstellen"

... DFB-Direktor Oliver Bierhoff und den Zustand des Verbands:

"Leistung und Erfolg entstehen durch Reibung. Da braucht man Gesprächspartner. Auch Leute, die mal eine andere Meinung haben. Es kann nur funktionieren, wenn Oliver Bierhoff aus der Versenkung kommt und nicht nur alle drei Monate ein Interview gibt, sondern sich aktiv einbringt. Dass man auf andern handelnden Akteure, die alles Amateure sind, nicht bauen kann, das ist so klar wie Fleischbrühe."

... ein Engagement von Karl-Heinz Rummenigge oder ihm beim DFB:

"Wir werden beide kein Amt beim DFB übernehmen. Man könnte aber eine Gruppe machen, die sich einmal im Monat trifft und dann Dinge voranbringen. Ein aktives Amt kann ich mir aber nicht mehr vorstellen, sonst springt mir meine Frau ins Kreuz."

... Philipp Lahm:

"Ganz interessanter Name. Er hat Hirn und Kompetenz, er sollte ins Präsidium." (Lahm ist im DFB-Präsidium seit 27. September 2019, Anm. d. Red)

... den von Flick mit verursachten Ärger beim FC Bayern:

"Ich habe nicht verstanden, dass er auch mitverantwortlich ist, dass der FC Bayern im Jahr des größten sportlichen Erfolgs auch den größten Krach produziert hat. Wenn man es von außen betrachtet, war immer nur der Krach da. Und das hat er mit verursacht."

Hoeneß über BL: "Es wird oben enger, spannender"

... den neuen Bayern-Trainer Julian Nagelsmann:

"Ich habe mich mit ihm unterhalten und habe bei ihm ein richtig gutes Gefühl. Er fordert auch nicht direkt neue Spieler, das hat mir sehr gut gefallen. [...] Wir wollten auch mit Hansi Flick eine neue Ära entwickeln. Nach seiner Möglichkeit zum DFB zu gehen, war es ein Glückzustand für uns, dass Nagelsmann ein echter Bayern-Fan ist, das könnte richtig gut werden."

... die mittelfristige Planung beim FC Bayern:

"Der FC Bayern ist einer der wenigen großen Vereine, der die finanzielle Krise ernst nimmt. Wir analysieren alles und im Frühjahr 2022 werden wir sehen, wie die Situation ist. Danach kann man wieder richtig investieren, aktuell investierst du ins Blaue. Die Klubs mit Investoren können das machen, aber wir wollen das gar nicht."

... die Kräfteverhältnisse in der Bundesliga:

"Es wird oben enger werden. Dortmund hat nach dem Sancho-Transfer extrem viel Geld in der Kasse. Auch andere Vereine werden kommen, es wird spannender. Ich bin aber sehr positiv gestimmt, ich verspüre eine Aufbruchsstimmung bei uns."

... die Kritik an der Bayern-Zusammenarbeit mit Qatar Airways:

"Ich muss jetzt auch mal diese Scheinheiligkeit in unserer Gesellschaft beenden. Katar ist bei der Deutschen Bank und VW involviert, das schafft tausende Arbeitsplätze. Wir haben die Bundesregierung gefragt, es ist ein guter Wirtschaftspartner für uns. Danach haben sie sich in vielen Bereichen verbessert, im Gegensatz zu Dubai, Kuwait oder anderen Länder. Dürfen wir jetzt auch keine Geschäfte mehr mit China machen? Wenn wir morgen aufhören, mit denen Geschäfte zu machen, wird es den Arbeitern bestimmt nicht besser gehen. Wir müssen den Austausch pflegen."