EM

Warum Pedri aus Spaniens Nationalmannschaft nicht mehr wegzudenken ist

Von Stefan Petri
Pedri vom FC Barcelona ist mit 18 Jahren schon Leistungsträger in der spanischen Nationalmannschaft.
© getty

Wenn Spanien am Dienstagabend gegen Italien um den Einzug ins Finale der EM 2021 spielt (21 Uhr im LIVETICKER), wird bei der Furia Roja erneut der 18 Jahre alte Pedri vom FC Barcelona in der Startelf stehen. Der Offensivspieler hat sich bei Barca und in der Nationalmannschaft in Rekordzeit zum Schlüsselspieler gemausert - mit Tugenden, die für einen Spieler seines Alters nicht unbedingt typisch sind.

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Es ist eine ganz gehörige Menge Druck, die in diesen Monaten auf den eher schmalen Schultern des 1,74 Meter großen Pedri abgeladen wird. Vor einem Jahr war dieser noch nicht einmal volljährig und spielte leihweise beim spanischen Zweitligisten UD Las Palmas.

Zwölf Monate - und 66 Spiele später - soll dieser Pedro Gonzalez Lopez, wie er mit vollem Namen heißt, nicht nur der Schlüssel für Lionel Messis Vertragsverlängerung beim FC Barcelona sein, sondern auch ein entscheidender Baustein von Spaniens Nationaltrainer Luis Enrique auf dem Weg zum vierten EM-Titel nach 1964, 2008 und 2012.

Es ist eine Sache, beim Barca dieser Tage unverhofft in eine tragende Rolle zu rutschen: Das Team befindet sich mitten im Umbruch, die Leistungsträger vergangener Tage sind entweder gegangen oder in die Jahre gekommen. Und so fand sich Pedri in der abgelaufenen Saison unverhofft als Stammspieler von Trainer Ronald Koeman wieder. Lediglich einmal, am letzten Spieltag gegen Eibar, stand er nicht im Kader: Sonderurlaub.

Wer aber hätte gedacht, dass dieser Pedri bei der EURO 2020 auf dem Weg ins Halbfinale 509 von möglichen 510 Spielminuten absolviert - und dabei Liverpool-Star Thiago Alcantara auf die Bank verdrängt?

Pedri: Spaniens Erbe von Iniesta?

Aber wie schon zuvor unter Koeman brauchte Pedri nicht viel Zeit, um Luis Enrique von seinen Fähigkeiten zu überzeugen, als dieser ihn im vergangenen März erstmals für die A-Nationalmannschaft nominierte. Im 4-3-3-System nimmt er den halblinken Part im Mittelfeld ein, flankiert von den Barca-Kollegen Sergio Busquets neben und Jordi Alba links hinter ihm. In einer jungen Mannschaft ohne klassischen Spielmachertyp darf Pedri diese Rolle übernehmen: Wie einst Iniesta zu Spaniens Blütezeit vor einem Jahrzehnt kurbelt er das Offensivspiel über seine Seite an, findet die Räume zwischen den gegnerischen Linien und spielt kluge Pässe.

"Es stimmt, es gibt Ähnlichkeiten zwischen Pedri und Iniesta", sagt Goals Barca-Korrespondent Adria Soldevila: "Er kann Chancen kreieren, den Ball gut abschirmen und ihn auch wieder zurückerobern." Auch für ihn ist es überraschend, wie stark Luis Enrique auf Pedri baut: "Er trägt viel Verantwortung, die Mitspieler suchen ihn." Dieser zahle das in ihn gesetzte Vertrauen bislang jedoch zurück: "Seine Leistungen in einem so großen Turnier sind hervorragend, man merkt ihm den Druck nicht an. Als würde er immer noch in der Jugend spielen."

Pedris Heatmap in den K.o.-Spielen gegen Kroatien (links) und die Schweiz.
© opta
Pedris Heatmap in den K.o.-Spielen gegen Kroatien (links) und die Schweiz.

Pedri: Reife Leistung bei der EM 2021

Iniesta selbst, 2018 von Barca zu Vissel Kobe gewechselt, bescheinigt dem Youngster vor allem eine enorme Reife in dessen Spiel. "Wenn er auf den Platz geht, sieht er nicht wie 17 aus", sagte der 37-Jährige, als Pedri im vergangenen Herbst erstmals in Barcelona von sich reden machte.

Die gleiche Erfahrung haben auch seine Kollegen in der Nationalmannschaft gemacht: Wo andere Nachwuchsspieler vor allem durch ihren jugendlichen Übermut auffallen, wirkt Pedri schon jetzt wie ein alter Hase. "Es ist schon überraschend, wie reif er mit seinen 18 Jahren ist", meint etwa Atleticos Koke, der dritte Mann im Mittelfeld, und Stürmer Alvaro Morata staunte: "Pedri spielt, als wäre er 40 Jahre alt."

Die Statistiken des so Gelobten fallen auf den ersten Blick eher sparsam aus: Noch keinen Scorerpunkt hat Pedri im Turnier verbucht. Den Ball brachte er lediglich gegen Kroatien im Tor unter, und das im eigenen, als Schlussmann Unai Simon seinen Rückpass über den eigenen Schlappen und ins Tor rutschen ließ.

Ins Bockshorn jagen ließ sich Pedri vom längsten Eigentor der EM-Geschichte aber nicht - noch ein Beweis dafür, wie weit er schon ist. 5:3 gewannen die Spanier das Achtelfinalspiel am Ende und Pedri wurde im Anschluss in den heimatlichen Gazetten als "Spieler Spaniens" und "Kompass der Mannschaft" geadelt.

Pedri: Marathonläufer für Spaniens Nationalmannschaft

Und auch wenn Pedri in Sachen Torgefahr sicherlich noch zulegen kann - "Iniesta spielte seinen Part damals offensiver", merkt Soldevila an -, sprechen die fehlenden Assists nicht die ganze Sprache. Kein Spieler bringt im laufenden Turnier mehr Pässe im gegnerischen Spieldrittel an den Mann, und keiner hat so viele Torchancen generiert wie der Rechtsfuß (12). So spielte Pedri beim 5:0 im letzten Gruppenspiel gegen die Slowakei bei gleich drei Treffern den "Assist zum Assist", also den vorletzten Pass.

Und noch eine Statistik sieht den 18-Jährigen ganz vorn: Pedri hat in der laufenden Saison nicht nur schon stolze 4.415 Spielminuten in 66 Pflichtspielen auf dem Buckel - und damit 400 mehr als etwa Bayern Münchens Robert Lewandowski -, er nutzt diese Minuten auch, um seine Gegenspieler in Grund und Boden zu laufen. 61,5 Kilometer hat er in fünf Turnierpartien abgespult - das sind fast vier mehr als der Zweitplatzierte Tomas Soucek (Tschechien). Begründet liegt diese Tatsache auch darin, dass Pedri in seiner Jugend auf Teneriffa auch als Leichtathlet aktiv war, bei unterschiedlichsten Distanzen von 400 bis 3.000 Meter.

Resultat: Pedri läuft die Löcher im Mittelfeld zu, findet die freien Räume zwischen den gegnerischen Ketten und zieht in die Zentrale, um Spaniens Offensivspiel zu beleben. Unai Simons Spitzname für ihn spricht Bände: "Diesel". Wo andere Jungstars sich ihre regelmäßigen Pausen nehmen, ist Pedri unglaublich konstant. "Er ist einzigartig. Wir haben keinen Zweiten wie ihn", sagt Luis Enrique.

Das Duell mit den Italienern wird für Pedri eine Belastungsprobe darstellen: Gerade körperlich muss er trotz seiner Laufstärke natürlich noch zulegen. Doch selbst wenn Spanien das Turnier nach potenziell 240 weiteren Minuten gewinnen sollte, ist die kräftezehrende Saison für Pedri noch nicht zu Ende. Er steht im Kader der spanischen U21 für die Olympischen Spiele in Tokio. Das dortige Finale steigt am 7. August - sechs Tage später soll die neue LaLiga-Saison beginnen.

In Barcelona soll man ob dieser Nominierung not amused sein, eine entsprechende Anfrage an den Verband ist laut Sport abgeschmettert worden. "Er ist immer voller Energie, sogar beim Tischtennis", beteuert Luis Enrique zwar, doch bei den Katalanen fürchtet man sich davor, das Juwel zu früh zu verheizen. Schließlich soll Pedri ein wichtiges Puzzleteil der neuen Generation werden. Die Verlängerung des bis 2022 laufenden Vertrags ist da nur Formsache: "Er wird verlängern", ist sich Adria Soldevila sicher: "Er war schon als Kind Barca-Fan."

Pedri: Statistiken der Saison 2020/21 (Stand: 5. Juli)

TeamEinsätzeToreVorlagenSpielminuten
Spanien9-1722
Spanien U214-1167
FC Barcelona52463.526
Gesamt66474.415
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