EM

Memphis Depay bei den Niederlanden: Der ewig Kritisierte

Memphis Depay war beim 3:0-Sieg der Niederlande gegen Nordmazedonien an allen drei Treffern direkt beteiligt.
© getty

Nach zwei nicht gänzlich überzeugenden Vorstellungen und aufkeimender Kritik fand Stürmer Memphis Depay (27) beim abschließenden Gruppenspiel der Niederlande und somit rechtzeitig vor dem Achtelfinale gegen Tschechien am Sonntag (18 Uhr im LIVETICKER) zu seiner Bestform. Das hängt wohl mit zwei Faktoren zusammen.

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Als der rumänische Schiedsrichter Istvan Kovacs das abschließende Spiel der Gruppe C zwischen den Niederlanden und Nordmazedonien zur Halbzeit pfiff, war Memphis Depay gerade im Mittelfeld am Ball. Statt einen weiteren Angriff seiner Mannschaft initiieren zu dürfen, hob er den Ball auf und überreichte ihn Kovacs persönlich. So als wolle er sagen: Pass gut darauf auf und gib ihn mir nach der Pause unversehrt zurück, ich brauche ihn noch!

Depay war nicht nur in diesem Moment deutlich anzumerken, dass er an jenem Montagabend mal wieder einiges zu beweisen hatte. Gelungen ist ihm das bravourös: Nach seinem 1:0 in der ersten Halbzeit legte er später noch Georginio Wijnaldums 2:0 mit einem tollen Solo auf und leitete anschließend dessen Treffer zum 3:0 ein. Für Depay war das ein Befreiungsschlag: Während sich seine Mannschaft mit den Siegen gegen die Ukraine und Österreich zu einer der positiven Überraschungen der EM gemausert hatte, war ihr vermeintlich bester Spieler selbst zunächst nämlich hinter den hohen Erwartungen zurückgeblieben.

Als die gefeierten Helden Amsterdams galten stattdessen Mittelfeldmotor Wijnaldum und Denzel Dumfries, der bei den ersten beiden Spielen an allen fünf Treffern der Niederlande beteiligt war und im 3-5-2-System von Trainer Frank de Boer die rechte Außenbahn bearbeitet. Vor und zu Beginn des Turniers war eben jenes System beziehungsweise im Umkehrschluss die Abkehr vom fast schon heiligen 4-3-3 das Lieblings-Diskussionsthema unter Fans und Experten, bald wurde es die Rolle von Depay.

Niederlande: Depay überzeugte gegen Nordmazedonien

Nun, es war ja nicht so, dass Depay wirklich schlecht gespielt hätte, keineswegs: Gegen Österreich erzielte er beispielsweise das 1:0 per Elfmeter selbst und leitete das 2:0 ein. Man hatte in den Niederladen aber eben noch viel mehr von ihm erwartet: mehr Impulse, mehr Engagement, mehr Uneigennützigkeit, mehr Tore. Vom Österreich-Spiel in Erinnerung blieb auch sein fast schon absurder Fehlschuss kurz vor der Pause.

"Memphis ist der erste, der sich selbst oder seine Spielweise kritisiert und sagt: 'Ich kann es besser, als ich es bisher gezeigt habe'", erklärte Trainer Frank de Boer vor dem Spiel gegen Nordmazedonien. "Lasst uns einfach davon ausgehen, dass sich Memphis weiter steigern wird, dass er in den kommenden Spielen, wenn es echt um etwas geht, der entscheidende Mann sein wird." Bis dahin wollte Depay aber nicht warten, stattdessen nutzte er für diese Steigerung schon das Spiel gegen Nordmazedonien, dem einzigen des Turniers ohne sportliche Relevanz. Die Niederlande standen bereits als Gruppensieger fest, Nordmazedonien als Gruppenletzter.

Die Oranje-Fans feierten und de Boer probierte im Mittelfeld das erst 19-jährige Ajax-Talent Ryan Gravenberch aus, komplett ernst nahm das Spiel wohl nur Depay. Er verzichtete zwar nicht auf sein typisches und gelegentlich unangenehmes Gestikulieren, Mosern und Nach-Ballverlust-Stehenbleiben, rückte es mit seiner Offensivleistung aber immerhin in den Hintergrund. Depay war von Beginn an ein steter Aktivposten, an so gut wie jedem Angriff und letztlich auch an allen drei Treffern beteiligt.

Hauptverantwortlich für seine Leistungssteigerung waren wohl zwei Faktoren: der Sturmpartner und das zwei Tage zuvor beendete Transfer-Theater um seine Person.

Memphis Depays Leistungsdaten bei seinen Profistationen

ZeitraumKlubPflichtspieleToreAssists
2012 bis 2015PSV Eindhoven1245029
2015 bis 2017Manchester United5376
2017 bis 2021Olympique Lyon1787655

Niederlande: Donyell Malen oder Wout Weghorst?

Anders als bei den ersten beiden Spielen stürmte Depay gegen Nordmazedonien nicht neben dem wuchtigen Wout Weghorst vom VfL Wolfsburg, sondern neben dem wendigeren Donyell Malen von der PSV Eindhoven. Der Mannschaft ging deshalb zwar ein Bälle-fixierender Brecher im Sturmzentrum ab, Depay hatte dafür aber einen gleichgesinnten Spielkameraden, mit dem ihm das Fußballspielen sichtlich mehr Spaß machte.

"Es besteht eine gute Verbindung zwischen den beiden", lobte de Boer. Tatsächlich gingen sowohl dem ersten als auch dem dritten Treffer traumhafte Kombinationen zwischen Depay und Malen voraus. Kombinationen, wie sie mit Weghorst eher nicht vorstellbar wären. Gut möglich, dass de Boer nun auch am Sonntag beim Achtelfinale gegen Tschechien neben Depay auf Malen setzt.

Für den 22-jährigen Stürmer von Eindhoven ist die EM eine Bühne, um sich für größere Klubs interessant zu machen. Zuletzt wurde bereits über einen möglichen 30-Millionen-Euro-Wechsel zu Borussia Dortmund spekuliert. Während seine Zukunft weiterhin offen ist, ist Depays seit letztem Freitag geklärt. Nach einem rund einjährigen Poker wechselt er zur kommenden Saison ablösefrei von Olympique Lyon zum FC Barcelona.

Memphis Depay wechselt ablösefrei zum FC Barcelona

"Ja, das ist eine Erleichterung. Vielleicht gibt ihm das einen extra Kick, noch besser zu performen", mutmaßte de Boer bereits vor dem Nordmazedonien-Spiel und sollte damit offensichtlich recht behalten. Womöglich hatten Depay die Spekulationen über seine Zukunft und die Kritik aus Lyon zuvor tatsächlich abgelenkt. Lyon-Sportdirektor Juninho ließ während der EM-Vorbereitung etwa ausrichten: "Das ganze Team musste sich um ihn drehen und das ist sehr schwer."

Durch die Fixierung des Transfers ist dieses Thema nun Vergangenheit, was Depay "glücklich, sehr glücklich" gemacht habe. Er unterschrieb bis 2023 in Barcelona und ist nach Stürmer Sergio Agüero (Manchester City) und Abwehrspieler Eric Garcia (Manchester City) bereits der dritte hochkarätige ablösefreie Neuzugang. Eine entscheidende Rolle beim Transfer dürfte Trainer Ronald Koeman gespielt haben, der Depay bereits aus der niederländischen Nationalmannschaft kennt und ihn dort stets vehement gegen die regelmäßig aufkeimende Kritik verteidigt hatte.

"Memphis muss mir nichts beweisen. Er hat oft genug gezeigt, wie gut er ist", sagte Koeman vor zwei Jahren, als Depay erstmals auf einen Abschied aus Lyon drängte und in der Nationalmannschaft gleichzeitig mal wieder öffentlich hinterfragt wurde. Ob der Kombination aus immensem Talent und einer egozentrischen Art sind die Erwartungen an ihn stets ganz besonders hoch, von den Fans und auch von ihm selbst. "Er hat den Willen, der Beste im Team zu sein. Das finde ich wunderschön zu sehen", sagte de Boers Co-Trainer Ruud van Nistelrooy.

Bei Depay müssen es immer außergewöhnliche Dinge sein, nur Tore und Assists reichen nicht. In Sachen Effizienz ist jegliche Kritik aber ohnehin obsolet: Depay erzielte in seinen 67 Länderspielen 28 Treffer und legte 24 weitere auf. Alleine in den vergangenen zehn Spielen gelangen ihm 13 Torbeteiligungen.

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