SC Freiburg - Sportdirektor Klemens Hartenbach im Interview: "In Ruanda musste ich jeden Abend meine Unterhose waschen"

Christian Streich
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Erzählen Sie doch einmal ein, zwei Anekdoten, die Sie von Ihren Reisen mit nach Hause gebracht haben!

Hartenbach: 2009 bin ich über Frankfurt und Brüssel für acht Tage zur Afrika-Meisterschaft der U20 nach Ruanda geflogen. Plötzlich wurde ich am Flughafen in Kigali ausgerufen - und war der Einzige, dessen Gepäck nicht ankam. Ich hatte nur meine Umhängetasche bei mir. Der Pädagoge unserer Fußballschule hatte mir ein Zimmer bei einer ruandischen Familie gebucht. Es war pures Glück, dass eine Freundin der Dame des Hauses bei der Fluggesellschaft arbeitete. Am dritten Tag kam endlich mein Koffer an. Zahnbürste und Zahnpasta hatte ich mir natürlich gekauft, aber bis dahin musste ich jeden Abend meine Unterhose waschen, aufhängen und hoffen, dass sie bis zum nächsten Morgen wieder trocken ist. Ich weiß auch noch, wie ich verblüfft war, als ich vor meinem ersten Spiel in Tunesien noch zu einem Jugendspiel ging. Ich war bereits eine Stunde vor Anpfiff dort und ging auf die Tribüne. Dort saß noch genau eine einzige Person - und die hatte ein Freiburg-Trikot mit Zoubaier Baya auf dem Rücken an.

Nach dem Ende von Dufner übernahmen Sie im April 2013 gemeinsam mit Jochen Saier, der Ihnen als Leiter der Fußballschule nachfolgte, zunächst kommissarisch die Aufgaben des Sportdirektors. War da schon klar, dass Sie beiden das kurz darauf im Sommer dauerhaft übernehmen würden?

Hartenbach: Nein. Ich war sogar bei Gesprächen mit meinen potenziellen Nachfolgern dabei. (lacht) Ich hatte mir das anfangs schlicht nicht zugetraut: dieses Allumfassende, harte Verhandlungen führen, die Verantwortung tragen auch in finanzieller Hinsicht für den ganzen Verein. Klar war dagegen, dass wir es nur zu zweit machen. Wir hatten uns zuvor schon sehr gut ergänzt. Mich zog es stets eher in Richtung Rasen, Jochen ist strukturierter und hat den Management-Hintergrund. Wir haben es dann in der kurzen Zeit bis Saisonende im Tagesgeschäft, es standen zum Beispiel einige Vertragsverlängerungen an, nicht so schlecht gemacht. Der Verein und wir kamen also zum Entschluss, dass das die bestmögliche Lösung für den Klub ist.

Streich war zu diesem Zeitpunkt bereits eineinhalb Jahre Cheftrainer. Bevor er im Januar 2012 Nachfolger von Marcus Sorg wurde, erbat er sich einen Abend lang Bedenkzeit und besprach sich mit seinen engsten Vertrauten - unter anderem Ihnen.

Hartenbach: Christian beschäftigte schon zuvor und unabhängig vom SC Freiburg länger der Gedanke: Bin ich das? Bin ich Cheftrainer einer Mannschaft in der 1. Bundesliga - mit allem, was dazugehört? Ich habe ihm schon immer gesagt, dass es da für mich nur eine Antwort gibt, sportlich sowieso. Einzig: Hätte er bei einem Klub begonnen, bei dem man als Trainer hinter jeder Hecke jemanden vermutet, der einem überspitzt formuliert den Dolch in den Rücken stecken möchte - daran wäre er gescheitert. Dieser Energieverlust an Stellen, die nichts mit dem Fußball zu tun haben, hätte ihn zu stark aufgerieben.

Wie erinnern Sie sich denn an diesen Abend bei Streich?

Hartenbach: Ich weiß es noch wie heute: Wir saßen zu fünft oder sechst an seinem Wohnzimmertisch und es wurde auch nicht nur Mineralwasser getrunken. Inhaltlich gab es die unterschiedlichsten Strömungen, es wurde kontrovers diskutiert. Was passiert, wenn es schief geht - bist du dann verbrannt oder gehst zurück in die Jugend oder gar den Lehrerberuf? Meine Meinung war klar: Irgendwann wird der Zeitpunkt doch eh kommen, wenn man sich selbst dazu berufen fühlt, Trainer zu sein. Wenn nicht jetzt, wann willst du das denn dann einmal ausprobieren? Du hast Leute um dich, die du alle kennst, die dich in jeder Beziehung unterstützen und dir Rückhalt geben. Mach's!

Wie sind Sie schließlich auseinandergegangen?

Hartenbach: Wir haben lange gesprochen und sind dann ins Bett gegangen. Es stand am Ende kein Ergebnis fest.

Es stimmt also, dass Streich am nächsten Tag abgelehnt, später am selben Tag aber doch noch zugesagt hat?

Hartenbach: Ja. Christian meinte erst, dass der Zeitpunkt für ihn eher noch nicht gekommen sei. Präsident Fritz Keller führte dann noch einmal ein Gespräch mit ihm und packte dabei einen klugen Schachzug aus. Fritz sagte nur: Gut, dann holen wir halt... - und nannte dabei ein paar Namen. Darauf reagierte Christian so wie von Fritz gewollt und meinte: Okay, bevor es die machen, mache ich es doch! (lacht)

Streich wurde 2017 "Mann des Jahres". Seine Pressekonferenzen werden deutschlandweit viel beachtet, er äußert sich immer wieder deutlich zu politischen Themen. Hätten Sie gedacht, dass er einmal eine solche Rolle in der Öffentlichkeit einnehmen würde?

Hartenbach: In dem Maße nicht, weil ich davon ausgegangen wäre, dass dies sein Energiehaushalt nicht zulassen würde.

Wie beurteilen Sie dies heute?

Hartenbach: Man muss klar festhalten, dass er sich nur auf Nachfrage zu Dingen außerhalb des Fußballs äußert. Christian geht nicht in eine Pressekonferenz und will jemanden belehren. Ich weiß, dass er parallel sehr viele Bücher liest und sich mit zahlreichen Themen intensiv beschäftigt. Daher finde ich es grundsätzlich nicht verkehrt, dass er sich mit seiner Sicht auf die Welt, auf ihre Historie und Aktualität oder auf das Zusammenleben von Menschen äußert. In meinen Augen tut er dies stets mit einer offenen, zugewandten Art und kommt dabei nie besserwisserisch herüber. Es ist bewundernswert, dass bei ihm keine PK wie die andere ist und er nicht ständig dasselbe erzählt.

In Ihrer aktuellen Funktion arbeiten Sie seit neun Jahren mit Streich zusammen. Die Arbeitsbeziehung scheint Ihrer Freundschaft keinen Abbruch getan zu haben.

Hartenbach: Nachdem, wie wir die vielen vergangenen Jahre miteinander verbracht haben, ist es eigentlich die größte Leistung, dass unsere Freundschaft darunter kein bisschen gelitten hat. Das liegt sicher auch an den Menschen, die hier agieren. Wir haben uns aber bis heute Dinge auch neben dem Fußball bewahrt, die wir beide toll finden. Es gibt nicht wenige Abende, an denen wir gar nicht über Fußball reden. Da geht es dann um Kunst, Musik, Familie, Wein, politische Situationen, um alles Mögliche.