DFB-Präsident Keller vor Gericht, seine Gegner vor dem Abgang: Tabula rasa an der DFB-Spitze?

SID
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Fritz Keller muss sich als erster DFB-Präsident vor dem Sportgericht verantworten. Doch nicht nur die Zeit des Chefs läuft ab.

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Die demütigende Vorführung als "Angeklagter" bleibt Fritz Keller immerhin erspart. Obwohl sich erstmals ein Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) vor dem Sportgericht des Verbandes verantworten muss, braucht Keller den von ihm ausgelösten Nazi-Eklat nicht vor den Augen der Öffentlichkeit zu erläutern.

Der DFB hat gnädigerweise ein "nicht öffentliches" Verfahren für seinen Noch-Boss angesetzt. Doch auch wenn Keller von neugierigen Blicken verschont bleibt, rückt sein unausweichlich scheinendes Aus wie das weiter Teile der Verbandsführung immer näher - dies legt auch die jüngste Eskalation im Konflikt mit der Deutschen Fußball Liga (DFL) nahe.

Spätestens seit der Einlassung von Generalsekretär Friedrich Curtius stehen die Zeichen auf einen Neuanfang ohne die belasteten Spitzenfunktionäre, zu denen auch Vizepräsident Rainer Koch und Schatzmeister Stephan Osnabrügge gehören. Die von Curtius signalisierte Gesprächsbereitschaft hinsichtlich seiner Position scheint der Beginn der von vielen Kritikern längst geforderten Tabula rasa an der heillos zerstrittenen DFB-Spitze zu sein.

Schließlich will auch Osnabrügge sein Amt bald räumen. Nach SID-Informationen wird sich der 50-Jährige beim nächsten DFB-Bundestag nicht mehr zur Wiederwahl stellen. Dies kündigte Osnabrügge im Rahmen der Konferenz der Regional- und Landesverbände am vergangenen Wochenende an. Kurze Zeit später sprachen ihm die "Landesfürsten" für die restliche Amtszeit mit knapper Mehrheit das Vertrauen aus.

DFB-Spitze: Rücktritte kommen näher - was macht Keller?

Osnabrügge und Curtius ("Ich stehe für Gespräche zu konstruktiven Lösungen für den DFB jederzeit zur Verfügung, dies umfasst selbstverständlich auch meine Funktion") haben die Zeichen der Zeit offenbar erkannt.

Für Keller scheint das (noch) nicht zu gelten - obwohl die Nachfolge-Diskussion längst begonnen hat. Die Beobachter, die seinen Rücktritt spätestens nach dem Verweis seines Falles von der Ethikkommission an das Sportgericht erwartet hatten, sehen sich offenbar getäuscht.

"Ich übernehme selbstverständlich für meine Äußerung Verantwortung vor dem zuständigen Sportgericht", zitierte die Bild-Zeitung den 64-Jährigen, der Koch in einer Sitzung mit dem berüchtigten Nazi-Richter Roland Freisler verglichen hatte.

Damit hat Keller die Führungskrise des Verbandes rund um ihn und Curtius, der sich ebenfalls wegen des Vorwurfs von Verfehlungen dem Sportgericht stellen muss, dramatisch zugespitzt. Als Folge haben die Chefs der Landes- und Regionalverbände mit großer Mehrheit den Rücktritt des DFB-Chefs gefordert.

Wie das Verfahren vor der Ethikkammer des Sportgerichts im Detail aussehen wird, ist zunächst offen. Der Vorsitzende Hans E. Lorenz sagte dem SID, dass noch keine Entscheidung darüber gefallen sei, ob es ein schriftliches Verfahren oder eine mündliche Verhandlung geben werde.

DFB-Präsident Keller: Urteil in zweiter Maihälfte erwartet

Das hängt nach SID-Informationen auch davon ab, wie sich Keller einlassen wird. Sicher ist jedoch laut Lorenz, dass der Prozess "nicht öffentlich" sein wird. Mit einem Urteil rechnet der Richter "in der zweiten Maihälfte".

Sollte Keller auch in der Folge eine Demission ablehnen, könnte das Thema "Amtsenthebung" im DFB-Vorstand landen. Wie dort die Mehrheitsverhältnisse aussehen, ist unklar. Denn obwohl die Vertreter des Profifußballs zum Lager Kellers gezählt werden dürfen, erscheint es unwahrscheinlich, dass sie den Präsidenten angesichts seiner verbalen Entgleisung weiter stützen.

Ganz sicher nicht unterstützen werden die Profis Koch, der ihnen seit jeher ein Dorn im Auge ist. Die Lage Kochs, der nach SID-Informationen nicht an einen Rückzug denkt, ist aber kompliziert. Die Profivertreter wollen sicher nicht, dass der Vizepräsident den DFB zum dritten Mal in Folge nach einem Präsidenten-Rücktritt interimsmäßig führt.

Die DFL-Spitze dokumentierte ihr Misstrauen gegenüber Koch am Dienstag erneut. DFL-Boss Christian Seifert, der von einem "dysfunktionalen System" beim DFB spricht, forderte in einem aktuellen Brief den DFB-Vize zu einer Stellungnahme hinsichtlich angeblich weitergegebener Informationen auf. Koch reagierte mit einem achtseitigen Antwortschreiben, das dem SID vorliegt. Darin widerspricht Koch den Anschuldigungen und erhebt seinerseits heftige Vorwürfe.

In Seiferts Brief geht es um angeblich von Koch verbreitete Details hinsichtlich "möglicher Pläne der DFL" sowie "beruflicher Perspektiven" Seiferts, der im kommenden Jahr die DFL verlassen wird. Konkret stellt Seifert in dem Schreiben klar, dass die DFL nicht plane, den DFB strukturell zu zerschlagen. Stattdessen empfiehlt er allen DFB-Funktionären, "wiederkehrende Unterstellungen zu unterlassen".

Koch schießt gegen Seifert: "Frei erfunden"

Die Antwort Kochs fiel nicht minder heftig aus. Die Behauptung Seiferts der Informationsweitergabe, "mittlerweile bundesweit in allen Kanälen medial bestens gestreut", sei "frei erfunden", schrieb Koch an Seifert. Er werde sich "weder durch verbale Ausfälle Ihrerseits mir gegenüber in Präsidiumssitzungen provozieren lassen, noch mich einschüchtern und von meinem Engagement für die Belange des Amateurfußballs abbringen lassen."

Für Koch, hinter dem nach wie vor weite Teile des Amateurlagers stehen, spricht, dass er gerade erst in das Exekutivkomitee der Europäischen Fußball-Union (UEFA) gewählt wurde. Sollte der Chef des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV) aus der DFB-Chefetage vertrieben werden, stünde der Verband auch ohne seinen internationalen Vertreter da.

Dieselbe Problematik begleitet auch den anderen Vizepräsidenten Peter Peters. Wie Koch bei den Profis ist Peters bei den Amateuren nicht sonderlich beliebt - beide stehen sinnbildlich für den seit langem anhaltenden Kampf zwischen beiden Lagern. Doch auch der viel kritisierte Peters hat seine Position durch die zurückliegende Wahl ins FIFA-Council gestärkt. Den zurückgewonnen Einfluss im wichtigsten Gremium des Weltverbands will der DFB ebenfalls nicht verlieren.

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