BVB - Wie die Fans von Borussia Dortmund 1993 bei Bröndby IF die eigene Torhymne erfanden

Wenn der BVB in einem Heimspiel ein Tor schießt, ertönt seit der Saison 1994/95 stets dasselbe Lied vom Band.
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Am Mittwochabend gastiert Borussia Dortmund zum finalen Gruppenspiel der Champions League beim FC Kopenhagen. Ganz in der Nähe in Bröndby, einem Vorort der dänischen Hauptstadt, ist im November 1993 bei Minusgraden die Hymne entstanden, die bis heute nach jedem BVB-Heimspieltor vom Band kommt.

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Wenn Borussia Dortmund in einem Heimspiel ein Tor schießt, ertönt seit der Saison 1994/95 stets dasselbe Lied vom Band. Unmittelbar nachdem der Ball die Torlinie überschritten hat, spielt die Stadionregie die Hymne "Olé, jetzt kommt der BVB" ein. Ihren Ursprung hatte diese Tradition in Bröndby, einem Vorort von Kopenhagen, wo die Westfalen am Mittwochabend erstmals seit einem UEFA-Cup-Spiel am 22. November 2001 wieder gastieren.

Fast auf den Tag genau acht Jahre zuvor, am 25. November 1993, kickte der BVB erstmals in Dänemark. Im Achtelfinale des UEFA-Cups, der heute Europa League heißt, kam es vor 16.800 Zuschauern zu einem äußerst biederen 1:1 gegen Bröndby IF.

Es herrschten Minusgrade, es hatte geschneit, das Spielfeld war entsprechend ramponiert und die Borussia trat in ihrem damals brombeerfarbenen (!) Ausweichtrikot an - es war also gewissermaßen ein Abend für spezielle Anlässe. Und es war die Zeit, in der das Lied "Go West" des britischen Pop-Duos Pet Shop Boys auf Platz eins der deutschen Singlecharts stand.

Diesen Song machten sich die anwesenden BVB-Fans zu eigen, dichteten ihn um und sangen statt "Go West! Life is peaceful there" die mittlerweile legendäre Zeile "Olé, jetzt kommt der BVB". Dies allerdings nicht ein, zwei Mal, sondern rund 60 Minuten am Stück!

In diesem ungewöhnlichen Trikot lief der BVB im November 1993 bei Bröndby IF auf.
In diesem ungewöhnlichen Trikot lief der BVB im November 1993 bei Bröndby IF auf.

BVB-Fans singen bei Bröndby 60 Minuten ein einziges Lied

Spricht man mit Leuten, die damals Teil des Spektakels im Gästeblock des Bröndby-Stadions waren, fallen Worte wie "arschkalt" oder "alle hemmungslos betrunken". Begonnen mit dem Dauerschleifen-Gesang haben die Anhänger, einige davon oberkörperfrei, in der Halbzeitpause und sie hielten tatsächlich die komplette zweite Halbzeit durch.

Es gibt einen nostalgischen Clip auf YouTube, in dem in zwei Minuten und 18 Sekunden Länge die beiden Treffer des Abends gezeigt werden. Nach 75 Sekunden, als Michael Schulz die Vorlage zum Ausgleichstor von Stéphane Chapuisat spielt, ist der Gesang zu hören.

Doch gehört hatte man die entsprechende Textzeile bereits vor Anpfiff in einer Kneipe in der Stadt, in der sich viele BVB-Fans aufhielten. Im Stadion verselbständigte sich die Sache schließlich. Ultra-Gruppierungen, die mit Trommeln den Takt vorgeben und die Menge animieren, gab es damals noch nicht. Es gab aber Fanklubs, die einflussreicher waren als andere. Wenn diese anfingen zu singen, stieg der Rest mit ein.

"Olé, jetzt kommt der BVB" auch im TV gut zu hören

Es habe sich dann immer weiter ausgebreitet und auch deshalb nicht mehr aufgehört, weil das Spiel wahrlich kein Leckerbissen war, hört man. Schnell wurde daraus ein Running Gag für die Fans. Immer dann, wenn der Gesang wieder etwas leiser wurde, fing von irgendwoher der nächste Anhänger unter großem Gelächter der Meute erneut lauter damit an.

Da es bei Bröndby so gut wie keine Fanszene gab, bestimmte der lautstarke Gästeblock das Geschehen auf den Tribünen. Was wiederum dafür sorgte, dass das "Olé, jetzt kommt der BVB" während der deutschen Fernsehübertragung deutlich wahrzunehmen war. Auch für Matthias Kartner im heimischen Dortmund.

Der Musiker, selbst BVB-Fan und von allen nur "Kasche" genannt, war damals Sänger der Band Pur Harmony - und hatte prompt eine Idee. "Ich habe das Spiel allein zu Hause auf der Couch geschaut und fand es phänomenal, was die Fans dort abgezogen haben", sagt Kartner im Gespräch mit SPOX und GOAL. "Ich war euphorisiert. Ich bin am nächsten Tag direkt in unseren Proberaum gegangen und habe meinen Jungs gesagt, dass wir das unbedingt machen müssen, bevor es uns die Schalker klauen."

BVB-Hit verkauft sich in drei Wochen 30.000 Mal

Dort traf er aber zunächst auf wenig Begeisterung. "Die konnten sich das gar nicht vorstellen, die hatten mit Fußball auch wenig am Hut. Ich habe sogar mit dem Keyboarder gewettet, der war nämlich total skeptisch. Ich war mir aber sicher, dass wir mit dem Lied eine hohe Verkaufszahl an CDs haben werden - und so war es dann auch."

Kartners Überzeugungsarbeit fruchtete. Die Band lud schließlich Freunde, Familie und Dortmunder Fanklubs ein, um frische Background-Gesänge zu bekommen, die man dann unter die Stadiongesänge mischte. "Das ist Anfang 1994 in den Verkauf gekommen. Binnen drei Wochen waren 30.000 CDs verkauft - der Wahnsinn", erinnert er sich.

Schwierig war der Weg bis dorthin aber nicht nur band-intern. Um das Lied produzieren und auf den Markt bringen zu können, bedurfte es der Zustimmungen des BVB und von Musikproduzent Ralph Siegel, dessen Verlag sich die deutschen Rechte an der ursprünglichen Melodie gesichert hatte und daher ein Einspruchsrecht bei Cover-Anfragen besaß.

Torhymne "Olé, jetzt kommt der BVB" ist Dortmunder Kulturgut

"Wir haben die Rechte Gott sei Dank bekommen, aber keine GEMA-Lizenzen", sagt Kartner. "An Borussia Dortmund mussten wir einen knapp fünfstelligen Betrag bezahlen, denn es war Bedingung, das BVB-Logo mit zu integrieren. Das war uns aber egal, denn wir wollten diese Idee einfach nur umsetzen."

Es war nicht die einzige mit BVB-Bezug. Kartner und Band veröffentlichten vor der Saison 1995/96 auch den Song "Wer wird Deutscher Meister? BVB Borussia". Der wurde noch häufiger verkauft und stellte sich als prophetisch heraus - am Saisonende wurden die Westfalen tatsächlich Meister, zum zweiten Mal in Serie. Auch das Cover von "You'll Never Walk Alone" stammt von Pur Harmony und wird bis heute vor jedem Heimspiel gespielt.

Alle drei Songs sind längst Dortmunder Kulturgut, allen voran die Torhymne "Olé, jetzt kommt der BVB". Der kurzzeitige Versuch des Vereins, nach erzielten Heimspieltoren mit "Borussi-jaa" ein weiteres Lied von Pur Harmony zu etablieren, setzte sich nicht durch. Und dennoch kam es nicht bei allen Anhängern gut an, dass aus der Schnapsidee von Bröndby ein kommerzieller Hit gemacht wurde.

Matthias "Kasche" Kartner ist seit Jahrzehnten glühender Anhänger des BVB.
© facebook.com/Kasche.Kartner
Matthias "Kasche" Kartner ist seit Jahrzehnten glühender Anhänger des BVB.

BVB-Hit-Produzent: "Wir sind dadurch nicht reich geworden"

"Mich hat das als Fan emotionalisiert, das ist aus meinem BVB-Herzen heraus entstanden", entgegnet Kartner darauf. "Uns ging es nicht um den kommerziellen Gedanken, sondern wir wollten den Fans damit Spaß und Freude bereiten. Das war eine tolle Idee der Fans, die ich umsetzen wollte, damit sie kein anderer Verein klaut."

Die Taschen voll gemacht haben sich Pur Harmony davon jedenfalls nicht, wie "Kasche" schmunzelnd mit einem Vergleich beteuert: "Wir sind dadurch nicht reich geworden, wir hatten ja keine Lizenzen. Zum Schluss ist für jeden unserer Musiker vielleicht ein neuer Fiat Panda übriggeblieben - ohne Extras!"

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