Kommentar zur Trennung des FC Bayern von Jerome Boateng: Kleine Luke statt großes Tor

Jerome Boateng und der FC Bayern - das war zehn Jahre lang eine schwierige, aber äußerst ertragreiche Beziehung. Neue Enthüllungen der Bild zeigen, wie sehr es zwischenzeitlich zwischen beiden Parteien krachte. Die Chronologie einer Achterbahnfahrt.
© getty

Jerome Boateng geht. Und er geht nicht "durchs große Tor", wie Hasan Salihamidzic behauptet. Dafür hat ihn der FC Bayern München in den vergangenen Jahren zu despektierlich behandelt. Hansi Flicks Genervtheit ist verständlich. Ein Kommentar.

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Am 30. Juni 2021 endet die Zusammenarbeit zwischen dem FC Bayern und Jerome Boateng. "Der Vertrag", erklärte Sportvorstand Hasan Salihamidzic Minuten vor dem einigermaßen irren Champions-League-Viertelfinalspiel gegen Paris Saint-Germain, "wird nicht verlängert."

So weit, so nachvollziehbar. Der Klub möchte einen neuen Weg einschlagen, hat mit Dayot Upamecano, Lucas Hernandez, Tanguy Nianzou, Niklas Süle - sofern er denn bleibt - und möglicherweise dem aktuell noch verliehenen Chris Richards eine starke und entwicklungsfähige Innenverteidigung für die kommenden Jahre beisammen.

Überraschend ist die Trennung von dem 32 Jahre alten Boateng demnach nicht. Ebenso wenig wie die Art und Weise der Trennung. Die Info zu Wochenbeginn erst an die Presse durchzustechen und dann just vor einem wichtigen Spiel derart trocken auszusprechen, passt sehr gut zum generellen Umgang der Bayern-Verantwortlichen mit dem Abwehrspieler in den vergangenen Jahren.

Einem bedauernswerten, weil unwürdigen und zum Teil auch respektlosen Umgang. Umso deplatzierter sind Salihamidzics Worte, Boateng verabschiede sich "durchs große Tor". Das Gegenteil ist der Fall. Der FCB schiebt ihn durch die kleine Luke aus der Allianz Arena.

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Sicher: Auch Boateng selbst hat zu verantworten, in seinen zehn Jahren in München kaum ein wirklicher Teil der Bayern-Familie geworden zu sein. Doch die Granden des deutschen Rekordmeisters - auch schon vor Salihamidzics Amtszeit - haben ihn nie wie den verdienten Spieler behandelt, der er aufgrund seiner Erfolge ist.

Sei es der "Back-to-Earth"-Appell von Karl-Heinz Rummenigge vor viereinhalb Jahren, der "freundschaftliche Rat" von Uli Hoeneß inmitten der Meisterfeier 2019, sich einen neuen Klub zu suchen oder die jüngsten Aussagen von ebenjenem Hoeneß bei RTL, er würde statt Boateng doch lieber Mats Hummels mit zur Europameisterschaft nehmen, weil der Bayernprofi nicht benötigt werde - all das war nicht bayern-like. Und trug viel zur aktuellen Genervtheit von Trainer Hansi Flick bei, dem Trainer, der Boateng wieder zu dem Boateng machte, der einer der Schlüsselspieler beim Triple-Sieg 2013 gewesen war.

"Ich kenne es von Bayern München, dass man seine Spieler immer unterstützt", sagte Flick an Karfreitag in Richtung Hoeneß. Was der Übungsleiter von Salihamidzics Auftritt vor dem PSG-Spiel hielt, verriet schon ein Blick in sein Gesicht bei der Pressekonferenz. Auf den Boateng-Abgang und die damit einhergehende Unruhe vor dem Spiel angesprochen, kam statt eines "das ist okay" oder "das haben wir so vereinbart" ein "diese Frage möchte ich nicht beantworten". Vielsagend, ebenso wie die kryptischen Worte, die der Trainer hinterherschob: "Ich muss da auch ein bisschen schauspielern, das gehört zum Trainerjob dazu."

Dass der FC Bayern den Verteidiger nun aussortiert, dürfte dem vom DFB momentan noch im Verborgenem umworbenen Trainer nicht gefallen. Die Art und Weise tut ihr Übriges. "Sie werden ohne Hansi planen müssen", sagte Bayerns Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge zuletzt zu The Athletic in Richtung DFB: "Meine Erfahrung sagt mir, dass Trainer, die bei Bayern gut arbeiten, gepflegt und langfristig gehalten werden müssen." Momentan arbeiten die Bayern-Granden aber eher daran, dass das Gegenteil eintritt.