Kommentar zur Super League: Die Totengräber des Fußballs jetzt nicht zu Helden machen - Ceferin nicht weniger zynisch als die Phantasten

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So schön es ist, dass sich sofort eine ganz breite Front gegen die Schwachsinns-Idee namens Super League gebildet hat, muss einem klar sein, mit wem man protestiert: Die Frontlinie verläuft hier nicht zwischen Gut und Böse, Fußballliebhabern und Leidenschaftssimulatoren und Vernunft und Größenwahn. Sondern zwischen unendlicher Gier und noch mehr Gier. Ein Kommentar.

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Dankenswerterweise hat der englische Alt-Internationale Gary Neville so gut wie alles, was es zu diesem Gipfel der Schwachsinnigkeit namens Super League zu sagen gibt, in seinem rund dreiminütigen epischen Rant geäußert.

Der Ausbruch der Manchester-United-Ikone bei Sky gegen die "pure Gier" der "Hochstapler" in den Chefetagen der zwölf Abtrünnigen ging unter die Haut. Klar, Neville hat als Spieler, Trainer und Experte durchaus profitiert von diesem irrwitzig verkommenen System Profifußball. Doch seine Wutrede wirkte wie ein glaubwürdiges Manifest für einen echteren, reineren, liebenswerteren Fußball, vorgetragen von einem Mann, der den Fußball wirklich liebt.

Was man auf keinen Fall von allen behaupten kann, die da seit Sonntag hyperventilierend den Niedergang des Fußballs ausrufen und sich erdreisten, "genug ist genug" zu rufen. Keine Frage, Florentino Perez, Andrea Agnelli, Joel Glazer und die anderen Super-League-Phantasten sind Gierköpfe, die den Hals nicht voll kriegen und all die Werte, für die ihre Klubs einmal standen, mit Füßen treten.

Doch das trifft eben genauso auf sehr viele zu, die sich nun plötzlich als Gralshüter des sportlichen Wettkampfs und Bewahrer der Werte und Kultur nicht nur des Fußballs, sondern des ganzen Kontinents aufspielen. UEFA-Präsident Alexander Ceferin seien seine Enttäuschung und Wut auf die Abtrünnigen zugestanden.

Super League: Rummenigge plötzlich Stimme der Vernunft

Doch ohne Rot zu werden einerseits die Super-League-Phantasten als falsche Schlangen zu bezeichnen und das komplizierte, nicht minder verheerende Konzept einer reformierten Champions League als "fantastisches Projekt" zu deklarieren, erfordert schon auch ein ziemlich verschobenes Weltbild. Als Ceferin dann noch davon fabulierte, die reformierte Champions League werde "langfristige Lebensfähigkeit, Wohlstand und Wachstum für alle im europäischen Fußball ermöglichen", klang das wie blanker Hohn.

Wer, wenn nicht Leute wie Ceferin, FIFA-Boss Gianni Infantino, ihre Vorgänger und windigen Partner haben den Fußball denn dahin gebracht, wo er jetzt steht? Wer hat dieses nimmersatte Monster erschaffen, das immer mehr braucht - mehr Spiele, mehr Wettbewerbe, mehr Geld, mehr Macht? Wer ist denn dafür verantwortlich, dass Bayern Münchens Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge wirklich als Stimme der Vernunft gilt?

So schön es grundsätzlich ist, dass sich sofort eine ganz breite Front gegen die Super League gebildet hat, muss einem klar sein, mit wem man protestiert: Die Frontlinie verläuft hier nicht zwischen Gut und Böse, Fußballliebhabern und Leidenschaftssimulatoren, zwischen Vernunft und Größenwahn.

Die Frontlinie verläuft zwischen unendlicher Gier und noch mehr Gier. Zwischen Leuten, die nach Jahren des Drohens nach Hinterzimmerberatungen quasi über Nacht eine Super League aus dem Boden stampfen wollen und Typen, die mitten in einer Pandemie die Ausrichterstädte der EM 2020 Garantien erpressen, vor Zuschauern zu spielen.

Wie man also den Gründern der Super League zurufen müsste "Geht doch! Verpisst euch aus den nationalen Ligen! Macht eure Super League und erstickt an eurer Gier", darf man die anderen Verräter und Totengräber des Fußballs jetzt ja nicht zu Rettern machen.

Super League: Die Gründungsvereine im Überblick

TeamsLiga
Manchester CityPremier League
Manchester UnitedPremier League
FC LiverpoolPremier League
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Tottenham HotspurPremier League
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