Thiago dirigiert den FC Bayern zum Triple: Guardiolas Versprechen eingelöst

Einer der Münchner Triple-Helden: Thiago Alcantara.
© Twitter/Thiago6

Neben Torerzieler Kingsley Coman und Torverhinderer Manuel Neuer war Thiago der stärkste Bayer im Finale von Lissabon. Mit seinem Auftritt strafte er auch seine größten Kritiker endgültig Lügen - womöglich zum letzten Mal.

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Die Highlights des Finals zwischen PSG und dem FC Bayern gibt es hier im Video.

Als die Lichter im Stadion des Lichts allmählich ausgingen, lag Thiago Alcantara do Nascimento noch auf dem konfettibedeckten Rasen, fest in seiner Obhut der Preis, auf den er seit seinem Wechsel nach München im Sommer 2013 so lange hingearbeitet hatte.

Ein Kindheitstraum sei in Erfüllung gegangen, meinte Thiago, der in der Kabine Champagner in den Henkelpokal füllte und unter "Campeones"-Gesängen seiner Kollegen ein paar kräftige Züge daraus nahm. Es waren Szenen, bei denen auch ein wenig Wehmut mitschwang. Der Spanier feierte am späten Sonntagabend in Lissabon womöglich seinen Abschied vom FC Bayern.

"Er hat mir gesagt, dass er bleibt", scherzte Triple-Trainer Hansi Flick am Rande der Feierlichkeiten. Ein wenig Hoffnung auf einen Verbleib des vom FC Liverpool umworbenen Mittelfeldspielers machte er dennoch: "Ich weiß es nicht, er weiß es selbst noch nicht. Wir müssen abwarten, was die nächsten Tage ergeben."

Ein Abgang von Thiago würde mit einer großen Herausforderung für Flick einhergehen. Es gibt keinen Spieler, der seinem Mittelfeld das gibt, was Thiago ihm gibt - auch wenn in Fußball-Deutschland vor nicht einmal acht Wochen wieder Diskussionen tobten, ob der FC Bayern den feinfüßigen, aus Sicht so mancher Fachkundiger zu feinfüßigen Techniker überhaupt brauche.

Ein Ex-Profi des deutschen Rekordmeisters etwa schwadronierte, das Zentrum von Flick käme auch hervorragend ohne den zu jener Zeit wegen einer Leistenverletzung fehlenden Thiago klar, der Spieler sei ja sowieso "kein Bayern-Gen-Experte" und überhaupt: "Wenn der geht, werde ich sicherlich auch nicht meine Mutter anrufen und heulen."

FC Bayern: Mit dem "Gefühl der Unbesiegbarkeit" und Thiago

Möglich, dass jener Ex-Profi namens Mehmet Scholl seine Meinung nach diesem Sonntag noch einmal revidiert - es sei denn, er ist kein Freund von starkem Zweikampfverhalten, kontrolliertem Spielaufbau und dem Gespür für schlitzohrige Momente. Thiago lieferte all das zwar schon zuhauf in seinen sieben Jahren beim FC Bayern, für seine Kritiker jedoch zumeist nur in Spielen, die in die Kategorie "nicht groß genug" fielen.

An diesem Sonntag spätestens sollte sich das ändern. Der Magier mit der Nummer 6 war es gewiss nicht allein, der die Münchner mit ihrem zweiten Triple bescherte. Es war eine Mannschaft, die gegen Paris Saint-Germain auf dem Rasen stand, ausgestattet mit einem "Gefühl der Unschlagbarkeit", wie Joshua Kimmich sagte. Diese Mannschaft aber war eine bessere, weil sie einen Spieler im Mittelfeld hatte, der das Spiel las und verstand, es beruhigte und beschleunigte. Sie hatte Thiago.

Der 29-Jährige spielte mit 85 Pässen die mit Abstand meisten der Flick-Elf, allein 50 davon in der gegnerischen Hälfte. 88,2 Prozent dieser Zuspiele erreichten seine Kollegen. Gleichzeitig zählte Thiago mit sieben Balleroberungen zu den energischsten Zweikämpfern der Bayern, einzig Kimmich, Leon Goretzka und Alphonso Davies kamen auf die gleiche Anzahl an eroberten Bällen.

Guardiolas Versprechen eingelöst: Jetzt ist Thiago komplett

Es war eine komplette Vorstellung des so häufig nur als Spieler für die Galerie abgestempelten Dirigenten, der nach vielen nationalen Triumphen mit dem FC Bayern jetzt auch endlich komplett ist. Einst unter der Ansage "Thiago oder nix" von seinem alten Mentor Pep Guardiola für 25 Millionen Euro vom FC Barcelona losgeeist, kämpfte er Jahr um Jahr vergeblich darum, die Champions League zum ersten Mal als Stammspieler und nicht wie bei Barca 2011 als sporadische Option im Schatten von Xavi und Andres Iniesta zu gewinnen.

"Das ist der Titel, der mich antreibt", sagte Thiago in den vergangenen Jahren immer wieder. Nun hat er ihn, und zwar als unverzichtbarer Bestandteil in den Plänen eines Trainers, der ihn auch nach der einen oder anderen weniger glanzvollen Vorstellung wie jüngst im Halbfinale gegen Olympique Lyon immer wieder von Anfang brachte, wenn er körperlich dazu imstande war.

Thiago kam 2013 auf Wunsch von Pep Guardiola zum FC Bayern.
© imago images / Sven Simon
Thiago kam 2013 auf Wunsch von Pep Guardiola zum FC Bayern.

Ein Liverpool-Wechsel würde für Thiagos Ehrgeiz sprechen

"Thiago ist ein exzellenter Fußballer", pflegte Flick nach seinem Amtsantritt im November 2019 immer wieder zu sagen. Er hatte recht. Das Versprechen von Flicks Vor-Vor-Vor-Vorgänger Guardiola, die Verpflichtung seines Landsmannes werde "viel Freude" garantieren, ging am 23. August in Erfüllung.

Es war vermutlich der größte und der letzte Abend von Thiago im Bayern-Trikot. Eine Verlängerung seines 2021 auslaufenden Vertrags hat er mehrfach abgelehnt, die Liverpool-Gerüchte halten sich hartnäckig.

Flick erklärte zuletzt, Thiago wolle sich nach Spanien und Deutschland auch noch in einer anderen Top-Liga behaupten. Es würde für den Ehrgeiz des Spielers sprechen, das gerade in dem Moment zu tun, in dem er mit seinen Kollegen den Thron des europäischen Fußballs bestiegen hat.

Thiago: Seine Leistungsdaten in der Saison 2019/20

Gespielte Minuten2975
Tore3
Vorlagen2
Kreierte Großchancen5
Vergebene Großchancen4
Passquote90,6 %
Zweikampfquote60,7 %
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