FC Bayern spielt wieder zu null: Abstand von der Unterhaltungsbranche

Julian Nagelsmann war gegen Frankfurt sehr glücklich über das knappe 1:0.
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Der FC Bayern München ist beim 1:0-Sieg bei Eintracht Frankfurt erstmals seit Mitte Januar ohne Gegentor geblieben. Lag es an der Mentalität? Oder am System?

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Es war Herbst und der FC Bayern München befand sich über Wochen in bestechender Form. Die Münchner erzielten pro Spiel meistens so ungefähr fünf Treffer, manchmal auch sieben. Da machten ein paar vereinzelte Gegentore eher nichts aus - mal abgesehen von den unerklärlichen fünf gegen Borussia Mönchengladbach, die das Aus im DFB-Pokal bedeuteten.

"Ein 5:2 ist mir lieber als ein souveränes 1:0 oder 2:0", sagte Trainer Julian Nagelsmann damals - passenderweise nach zwei 5:2-Siegen hintereinander. Mittlerweile ist Februar - und jetzt machen ein paar vereinzelte Gegentore auf einmal doch ziemlich viel aus.

Dabei fing alles so harmlos an, wie ein kleiner Rückblick zeigt. Beim 4:1-Sieg gegen Hertha Ende Januar verschuldete Dayot Upamecano mit einem schlechten Pass das späte Gegentor. Anschließend wackelten die Münchner beim 3:2 gegen Leipzig akut. Soweit so unproblematisch, es wurde ja weiterhin gewonnen.

Doch dann: Beim 2:4 in Bochum überrannt, beim 1:1 in Salzburg erst spät das Remis gerettet und auch beim 4:1 gegen Fürth in Rückstand geraten. Auf einmal hatte der FC Bayern ein veritables Defensivproblem. Und was sagt 5:2-Liebhaber-Nagelsmann dazu?

"Grundsätzlich habe ich das Bewusstsein, dass Fußball Teil der Unterhaltungsbranche sein soll. Und ein 1:0 ist im Normalfall nicht ganz so unterhaltsam wie ein 5:2", erklärte der Trainer am Samstagabend. Er dachte an die Zuschauer, "die für ihre Tickets ordentlich viel Geld hinlegen und was geboten haben wollen", und er dachte auch an sich selbst: "Ich bin jemand, der in der Coachingzone gerne viel jubelt." Aber letzten Endes war ihm die Unterhaltungsbranche diesmal relativ egal: "Heute bin ich sehr glücklich über das 1:0."

Feierlich durfte vermeldet werden: Der FC Bayern ist beim 1:0-Auswärtssieg gegen Eintracht Frankfurt nicht in Rückstand geraten! Erstmals seit drei Spielen. Und vor allem: Der FC Bayern hat kein Gegentor kassiert! Erstmals seit fünf Spielen.

FC Bayern: Überzeugende Defensivarbeit in Frankfurt

Tatsächlich präsentierte sich Nagelsmanns Mannschaft in Frankfurt defensiv ungewohnt stabil. Abgesehen von Filip Kostics Chance in der 7. Minute ließ der FC Bayern kaum etwas zu. So ausführlich alle Beteiligten anschließend über die Defensivarbeit sprachen, so präsent war das Thema zuletzt offenbar in der Mannschaft.

"Wir hatten das Spiel unter Kontrolle und haben defensiv sehr stark gespielt", lobte etwa Robert Lewandowski. Sonst chronisch torgeil, sagte er nun lapidar: "Man kann nicht immer drei oder vier Tore schießen." Den einzigen Treffer des Spiels erzielte Leroy Sane in der 71. Minute, er war nur vier Minuten vorher eingewechselt worden. Bis dahin verzeichnete der FC Bayern zwar eine Feldüberlegenheit und viele Abschlüsse, hochkarätige Torchancen waren aber kaum dabei.

"Ich bin sehr zufrieden mit der Leistung. Wir haben ... ", begann Nagelsmann, korrigierte sich aber schnell selbst: "Hoffentlich hatten wir eine Phase, in der wir nicht immer ganz so souverän in den Spielen waren. Heute hatten wir eine gute Kontrolle im Spielaufbau, haben nicht so viele Bälle verloren. Das einzige, was ein bisschen gefehlt hat, waren die Tore. Das Zu-Null war wichtig."

Aber woran hat es gelegen? Ging es zuletzt um die vielen Münchner Gegentore und noch mehr Wackeligkeiten, fielen immer wieder die Schlagworte Mentalität und System.

Joshua Kimmich zeigte gegen Frankfurt eine gute Leistung.
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Joshua Kimmich zeigte gegen Frankfurt eine gute Leistung.

Bayerns Kimmich: "Heute war die Mentalität echt gut"

Die Mentalitäts-Debatte, traditionell eher in Dortmund geführt, eröffnete Joshua Kimmich nach der Pleite in Bochum. Die dortigen Gegentore hatten seiner Meinung nach "nicht viel mit einem Plan oder einer Taktik zu tun, sondern mit der Art und Weise, wie man so ein Spiel angeht. Da müssen wir uns auf jeden Fall hinterfragen und müssen uns auch fragen, ob das die Mentalität ist, die der FC Bayern verkörpert."

Das war eine rhetorische Frage, die Antwort lautete natürlich: Nein! Mia san eigentlich mia und mia san nicht wie der BVB, der womöglich wegen der Mentalität, ziemlich sicher aber wegen der bedeutend geringeren finanziellen Mitteln meistens hinter dem FC Bayern landet und nun zumindest vorübergehend wieder neun Punkte Rückstand hat. Dank des Sieges in Frankfurt, den der herausragende Kimmich einen "Kampfsieg" nannte und das ausschließlich positiv meinte: "Heute war die Mentalität echt gut. Wir haben uns in den letzten 15 Minuten sehr gepusht, um kein Tor zu kassieren. Das macht dann auch Spaß."

Mentalität lässt sich leider nicht statistisch messen, am nächsten ran kommt womöglich die Zweikampfquote. Bei den vergangenen Partien gewannen die Spieler des FC Bayern stets nur etwa die Hälfte ihrer direkten Duelle. Diesmal waren es starke 66 Prozent. Das war der beste Wert einer Mannschaft in der ganzen Bundesligasaison. "Frankfurt ist im Normalfall eine aggressive Mannschaft", erklärte Nagelsmann. "Aber heute waren wir die aggressivere."

FC Bayern: Nagelsmann probiert in Frankfurt neue Besetzung

Als Hauptverantwortlicher für System-Entscheidungen zählt sich Nagelsmann sicherlich auch aus Selbstschutz ebenfalls zu den Verfechtern der These, dass die Gegentorflut zuletzt grundsätzlich eher an der Mentalität lag. Schon bei der Pressekonferenz vor dem Spiel monierte er, dass zum Themenkomplex Grundformationen "viel zu viel diskutiert" werde. Nach dem Sieg verkündete er: "Wenn ich jetzt sagen würde, dass es am System liegt, dann wäre das peinlich. Es ist immer eine Frage der Art und Weise."

Nagelsmanns grundsätzliches Problem ist bekanntlich der Ausfall von Linksverteidiger Alphonso Davies, der dem Spiel des FC Bayern die aus dem Herbst bewährte Statik nahm. Seitdem experimentiert der Trainer munter herum. In Bochum probierte er sogar ein 4-1-4-1 mit vier Innenverteidigern, dem Mittelfeldspieler Kimmich und fünf Angreifern. Das ging dermaßen schief, dass er die Schuld dafür sogar teilweise auf die Taktik schob und somit auf sich nahm.

In Frankfurt setzte Nagelsmann auf eine Dreierkette mit ganz unterschiedlichen Außenbahnspielern. Auf links agierte der offensive Kingsley Coman, auf rechts der defensive Benjamin Pavard. Die Ausgewogenheit schien zu passen. Aber wohl am wichtigsten: Die zuletzt viel kritisierten Innenverteidiger Dayot Upamecano, Niklas Süle und Lucas Hernandez leisteten sich keine individuellen Fehler.

Zu bestätigen gilt es die neue defensive Stabilität nächsten Samstag gegen Bayer Leverkusen. Womöglich gibt es dann auch wieder eine Annäherung an die Unterhaltungsbranche: Obwohl Leverkusen auf Tabellenplatz drei liegt, kassierte die Mannschaft ligaweit die sechstmeisten Gegentore.

FC Bayern: Die kommenden Spiele

TerminWettbewerbGegner
Samstag, 05.03., 15.30 UhrBundesligaBayer Leverkusen (Heim)
Dienstag, 08.03., 21 UhrChampions LeagueRB Salzburg (Heim)
Samstag, 12.03., 15.30 UhrBundesligaTSG Hoffenheim (Auswärts)
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