Erkenntnisse zum BVB-Sieg bei Union Berlin: Jude Bellingham ist auf dem Flügel verschenkt

Wirkte in Berlin auf der linken Außenbahn nicht immer hundertprozentig glücklich: Jude Bellingham.
© getty

Durch den 3:0-Auswärtserfolg bei Union Berlin hat sich der BVB ein Stück weit von der Heimklatsche gegen Bayer Leverkusen rehabilitiert. Einen Spieler setzte Trainer Marco Rose dabei allerdings auf der falschen Position ein. Sein Gegenüber Urs Fischer kann sich hingegen auf eine neue Offensivwaffe freuen. Die Erkenntnisse zum Spiel.

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1. BVB: Jude Bellingham ist auf dem Flügel verschenkt

Dass Jude Bellingham gegen Union, ähnlich wie zuvor gegen den FC Bayern, auf dem linken Flügel ranmusste, war verschenktes Potenzial. Von der Tribüne aus wirkte es, als würde der vor allem in der Anfangsphase immer wieder den Ball fordernde und abwinkende Bellingham das ähnlich sehen. Mehrmals suchte er das Gespräch mit Trainer Marco Rose.

Dieser reagierte auf SPOX-Nachfrage, ob der Austausch etwas mit Bellinghams Position zu tun gehabt habe, zunächst genervt ("Ich habe ihn gefragt, was er heute Abend noch essen will") - um dann aber zu versichern: "Jude war happy mit der Position."

Dass Bellingham an anderer Stelle besser aufgehoben wäre, weiß aber auch Rose: "Jude ist kein klassischer Flügelspieler." Vielmehr sieht ihn der BVB-Coach, wie wohl die meisten, als Box-to-Box-Spieler. "Er ist ein Spieler, der immer den Ball will und wenn er ihn nicht hat, rennt er ihm hinterher, bis er ihn hat - um dann zu versuchen, ein Tor zu schießen."

Die Gründe für Bellinghams Ausflug auf die Außenbahn dürften also woanders liegen. Einerseits ist da die bereits vielfach besprochene Knappheit an Flügelspielern beim BVB. Andererseits war ein gewisser Thorgan Hazard, seines Zeichens einziger gelernter offensiver Außenbahnspieler im Dortmunder Kader und zuletzt gegen Leverkusen noch als solcher aufgeboten, gar nicht erst nach Berlin gereist. Darauf angesprochen sagte Rose: "Der heutige Kader war der, der sich in der Trainingswoche aufgedrängt hat." Hazard, bereits bei der Heimklatsche gegen Leverkusen mit schlechter Leistung, hatte wohl eine maue Trainingswoche folgen lassen.

Dass ihm das nicht nochmal passiert, dürften vor dem Spiel gegen die Glasgow Rangers am Donnerstag alle beim BVB hoffen - vor allem Jude Bellingham.

2. Dass Dortmund die Null hielt, lag vor allem an Union

Erstmals seit sieben Pflichtspielen und damit seit rund zwei Monaten kassierte der BVB mal wieder kein Gegentor. Dass Gregor Kobel an der Alten Försterei nicht hinter sich greifen musste, lag aber weniger an ihm und seinen Vorderleuten als an Union Berlin. Die um Max Kruse beraubte Offensive der Eisernen erzielte in der dritten Partie in Folge (Testspiel gegen Lodz inklusive) kein eigenes Tor, die bisher letzten beiden Treffer steuerte eben jener Kruse in Mönchengladbach bei.

Nun ist es nicht so, dass der große Kader von Urs Fischer nicht die nötige Qualität hätte. In Taiwo Awoniyi ist der beste Torschütze (neun Saisontore) beispielsweise noch da. Beziehungsweise: wieder da. Der 24-Jährige weilte bekanntermaßen zuletzt beim Afrika Cup. Und auch wenn für ihn und sein Heimatland Nigeria bereits im Achtelfinale Schluss war, machen sich die Nachwehen der Reisestrapazen und die fehlenden Trainingseinheiten bei Union bemerkbar. Auch mental brauche Awoniyi noch Zeit, sagte Urs Fischer nach dem Spiel.

Ein nicht ganz spielfitter Awoniyi in Kombination mit dem in Stadt und Liga neuen Sven Michel haben schlicht (noch) nicht die Qualität, wie sie vergangene Woche in Person von Patrik Schick und Co. auf die BVB-Defensive traf. Und so mag Marco Rose Recht haben, als er nach dem Spiel analysierte, eine bessere Balance zwischen Offensive und Defensive gesehen zu haben. Auch sein Lob für Aushilfs-Rechtsverteidiger Manuel Akanji war nicht unberechtigt. Doch wirklich sattelfest war die schwarz-gelbe Abwehr erneut nicht - trotz der Null.

3. Union: No Kruse, no party? Von wegen!

Bereits nach dem 0:2 in Augsburg war rund um Köpenick viel die Rede davon, dass ein Max Kruse eben nicht zu ersetzen sei. Nach Abpfiff der aus Union-Sicht erneut torlosen Partie gegen den BVB skandierten daran angelehnt einige Fans in der Alten Försterei: "No Kruse, no party!"

Sie hatten insofern Recht, dass es keinen Eins-zu-Eins-Ersatz für Kruse geben kann. Doch deswegen brauchen sich die Eisernen noch lange keine großen Sorgen um ihre Offensive zu machen. Grund dafür ist neben etablierten Kräften wie Awoniyi und Voglsammer ein Mann, der das Potenzial hat, den Bundesliga-Fans auch außerhalb Berlins viel Spaß zu bereiten: Sven Michel.

Zwar ist der 31-Jährige schon im fortgeschrittenen Fußballeralter und kann mit Stationen wie den Sportfreunden Siegen, Energie Cottbus und der Zweitvertretung von Borussia Mönchengladbach nicht auf eine erlauchte Vita a la Kruse zurückschauen. Doch Michel hat große Qualitäten. Das deutete er bereits bei seinem rund halbstündigen Bundesligadebüt in Augsburg an und das zeigte er noch mehr bei seinem ersten Startelfeinsatz als Eiserner gegen den BVB.

Michel ist die Kombination zweier Tugenden, die im Fußball wie im Leistungssport allgemein sehr wertvoll sind: Talent und Wille. So bewies der gerne hinter beziehungsweise um eine Spitze herum eingesetzte Linksfuß bereits in Cottbus, dass er, wie Torsten Mattuschka es 2015 ausdrückte, "geisteskranke" Traumtore "in Tor-des-Monats-Manier" kann (hier nachzuschauen, ab 1:14). Dass er aber auch ackern kann, zeigte er gegen einen seiner Jugendklubs, den BVB. Obwohl in Minute 72 ausgewechselt, führte kein Union-Spieler mehr als die 14 Zweikämpfe, in die Michel sich warf. Beim BVB kam nur Bellingham auf mehr (18).

Sven Michel ist ein Spieler, auf den es in den kommenden Wochen und Monaten zu achten gilt. Bei Union wird er vom erfahrenen Urs Fischer genügend Zeit bekommen, um sich in der deutschen Beletage zu akklimatisieren - und dann ist Michel-Party.

Sven Michel: Karriere-Stationen

ZeitraumVerein
k.A.TuS Alchen (Jugend)
-2003Fortuna Freudenberg (Jugend)
2003-2004Borussia Dortmund (Jugend)
2004-2010SuS Niederschelden (Jugend u. Senioren)
2010-2013Sportfreunde Siegen (I u. II)
2013-2014Borussia Mönchengladbach II
2014-2016Energie Cottbus
2016-2022SC Paderborn
2022-Union Berlin