FC Bayern - Fußball-Kolumne: Warum Salihamidzic im Machtkampf mit Flick die besseren Karten hat

Wird Hansi Flick dem FC Bayern München im Sommer den Rücken kehren?
© getty

Hansi Flicks fehlendes Bekenntnis zum FC Bayern nach dem Aus in der Champions League werten nahezu alle Beobachter als klares Indiz, dass er München am Saisonende verlassen wird. Hauptgrund ist das zerrüttete Verhältnis zu Sportchef Hasan Salihamidzic. Die Fußball-Kolumne.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Das Champions-League-Aus des FC Bayern gegen Paris St. Germain war nicht nur das Ende aller großen Träume, sondern auch das Ende einer Ära. Denn für die scheidenden Klublegenden David Alaba, Jerome Boateng und Javi Martinez war es der letzte Auftritt als Münchner in der Königsklasse.

Sehr gut möglich erscheint seit Dienstagabend aber auch, dass es für Hansi Flick ebenfalls der letzte Auftritt als Bayern-Coach in Europas Eliteliga war. Denn nahezu alle Insider, mit denen man rund um die Säbener Straße spricht, rechnen mit einem Abschied am Saisonende.

Diese eindeutige Tendenz hat Flick mit seinem beinahe fünfminütigen Monolog bei Sky nach Spielende noch einmal verstärkt. "Man macht sich ja immer Gedanken, was passiert, wie geht es weiter. Es gibt für mich immer die Situation, alles zu bewerten, sich neuen Herausforderungen zu stellen oder zu überlegen, wie man es angehen kann", sagte er da unter anderem.

Statt auf seinen bis 2023 laufenden Vertrag zu verweisen oder sogar ein klares Bekenntnis abzugeben, ließ er seine Zukunft fast schon demonstrativ offen. Doch auch die Vereinsbosse äußern sich seit Wochen entweder wie in Paris überhaupt nicht oder ausweichend zur Trainerfrage, weil sie offenbar selbst nicht mehr mit einem Verbleib Flicks rechnen.

Flick: Abgänge beim DFB und in Hoffenheim als Blaupause?

Eine vorzeitige Trennung würde aber zum 56-Jährigen passen. Das zeigt der Rückblick auf seine beiden letzten Abgänge, die für die Öffentlichkeit überraschend kamen, letztlich jedoch konsequent waren. Sowohl beim DFB, wo er Anfang 2017 als Sportdirektor hinwarf, als auch bei der TSG Hoffenheim, wo 2018 schon nach acht Monaten als Sportvorstand Schluss war, ging Flick aus Unzufriedenheit über das Führungspersonal und die festgefahrenen Strukturen.

Auch der mehrfach getätigte Hinweis auf die besondere Bedeutung seiner Familie im heimischen Bammental, auch nach dem Spiel gegen PSG, passt da ins Bild: "Meine Familie würde mich immer unterstützen, ob ich jetzt beim DFB wäre und einen ganz anderen Rhythmus hätte, das wäre für sie völlig egal. Entscheidend ist für sie, dass der Job Spaß macht."

Bei Bayern tut er das anscheinend nicht mehr, jedenfalls abseits der täglichen Arbeit mit der Mannschaft. Vor allem der andauernde und mittlerweile auch öffentlich bestätigte Konflikt mit Hasan Salihamidzic hat den Chefcoach offensichtlich zermürbt.

Laut kicker hat Flick dem künftigen Vorstandsvorsitzenden Oliver Kahn in einem ersten Gespräch vor einiger Zeit bereits mitgeteilt, dass er nicht mit Salihamidzic zusammenarbeiten könne. In nächster Zeit dürfte sich daran kaum etwas ändern. Im Gegenteil.

Hasan Salihamidzic, Hansi Flick, FC Bayern München
© imago images / MIS

Aus für Jerome Boateng sorgt bei Flick für Verärgerung

Viel mehr haben einige Vorkommnisse in den vergangenen Wochen das Zerwürfnis von Trainer und Sportchef noch weiter vertieft, vor allem das Aus für Jerome Boateng und mehr noch die Art und Weise. Zunächst sprach Uli Hoeneß als TV-Experte dem unter Flick wieder zum Leistungsträger avancierten Weltmeister die EM-Tauglichkeit ab.

Danach verkündete Salihamidzic Boateng das Ende der gemeinsamen Zusammenarbeit nach übereinstimmenden Aussagen am Tag des Hinspiels gegen PSG am Rande des Anschwitzens, was auch in der Mannschaft nicht gut angekommen sein soll. "So ein Vorgehen kann sich ein Trainer einfach nicht gefallen lassen", heißt es. Andere sprechen sogar von "Mobbing".

Boateng ist die dritte Stammkraft nach Thiago und David Alaba, die Flick gerne gehalten hätte. Seine Unzufriedenheit über die Kaderzusammenstellung wurde auch in einer bemerkenswerten Aussage auf einer der letzten Pressekonferenzen deutlich: "Wir hatten letztes Jahr eine Mannschaft, die qualitativ, das weiß jeder, besser war als dieses Jahr."

Diese Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit droht sich nicht nur aus Flicks Ansicht mit dem Verlust der beiden Führungsspieler Boateng und Alaba in der nächsten Spielzeit noch zu vergrößern. Dabei ist dem Trainer durchaus bewusst, dass eine Verlängerung mit dem Star-Trio aufgrund deren hoher Gehaltsforderungen eher unwahrscheinlich war. Trotzdem fehlte ihm speziell im Fall Boateng auch der konkrete Wille von Salihamidzic und Co., den Routinier zu halten.

Bayern-Personalplanung der Hauptgrund für Zerwürfnis

Ohnehin ist die Personalplanung der Hauptgrund für die anhaltenden, teilweise recht lautstarken Diskussionen der beiden. Denn Flick fühlt sich bei diesem wichtigen Thema zu wenig eingebunden. Ein Konflikt, der bei Bayern auch historische Gründe hat. Salihamidzics Mentor Hoeneß vertritt seit langem die These, dass die Entscheidungen über Neuzugänge beim Verein und nicht beim Trainer liegen müssen, damit die Abhängigkeit von diesem nicht zu groß wird.

"Man will bei der Kaderplanung mitgenommen und eingebunden werden. Wir wissen alle, wie es in München abläuft: Dort ist es genau das Gegenteil", bestätigte Flicks Vorgänger Niko Kovac diesen Kernkonflikt kürzlich in der Sportbild.

Kritik an Arbeit von Hasan Salihamidzic wächst

Gleichzeitig aber hat sich Salihamidzic mit seiner Transferpolitik angreifbar gemacht. Außer Alphonso Davies habe der Bosnier in seinen bald vier Jahren als Verantwortlicher keinen guten Transfer hinbekommen, monieren seine zahlreichen Kritiker, die sich auch innerhalb des FC Bayern finden.

Sie sehen den Ex-Profi, der im Sommer 2017 überraschend von Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge zum Sportdirektor ernannt worden war, als Fehlbesetzung. Nur die Rückendeckung von Ehrenpräsident Hoeneß schütze ihn, behaupten Salihamidzics Gegner.

Angeblich soll die Zahl der Skeptiker zwar auch in der Vereinsführung immer größer werden, aber angesichts der von vielen Seiten bestätigten Teilung des Klubs in ein Hoeneß- und ein Rummenigge-Lager, wird sich am Status quo zumindest bis zu Rummenigges Vertragsende als Vorstandsvorsitzender Ende des Jahres kaum mehr etwas ändern.

Salihamidzic dank Rückendeckung von Hoeneß sicher im Sattel

So lange Hoeneß als stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats weiterhin eine wichtige Rolle beim Rekordmeister spielt, dürfte Salihamidzic sicher im Sattel sitzen. Auch und gerade in der aktuellen Auseinandersetzung mit Flick, weshalb eben sehr viel für dessen Abschied im Sommer spricht.

Mit dem Vergraulen eines der erfolgreichsten Bayern-Trainers aller Zeiten, würden die Münchner allerdings weitgehend selbst verschuldet vor einer neuen Baustelle stehen. Denn der passende Nachfolger ist derzeit nicht in Sicht.

Zwar gilt es als gesichert, dass Julian Nagelsmann der mit Abstand beste Kandidat wäre und allein aufgrund der engen Verbundenheit zu seiner Heimat gerne eines Tages die Bayern trainieren würde. Aber der Leipzig-Coach hat diese Woche auch sehr deutlich gemacht, dass es aktuell keine Gespräche gibt und er sich bei RB an seinen noch bis 2023 laufenden Vertrag gebunden fühlt, der auch keine Ausstiegsklausel beinhaltet.

"Ich würde niemals einen öffentlichen Krieg oder Kampf anfangen, um mich irgendwo rauszuboxen. Es muss immer für beide Seiten passen", stellte Nagelsmann klar. Die Leipziger haben ihrerseits auch gar keinen Grund, ihrem wichtigsten Angestellten die Freigabe für den Konkurrenten aus München zu geben, im Gegenteil.

Außer Nagelsmann kaum geeignete Nachfolger auf dem Markt

Ansonsten aber hält sich das Angebot an geeigneten Trainern aktuell in engen Grenzen. Erik ten Hag wehrte bei Ajax Amsterdam bislang die Lockrufe sämtlicher Interessenten ab. Zwar stünde etwa Ex-Kapitän Mark van Bommel zur Verfügung, aufgrund dessen geringer Erfahrung würde der Verein aber ins Risiko gehen. Ähnlich wie bei Niko Kovac, der trotz des Double-Gewinns in seinem ersten Jahr schon kurz vor dem Aus stand.

Damals soll Rummenigge noch vor dem DFB-Pokalfinale mit Leipzigs Trainer Ralf Rangnick über eine mögliche Zusammenarbeit gesprochen haben, ehe Hoeneß am Tag nach dem 3:0-Finalsieg gegen RB auf dem Münchner Rathausbalkon Kovac eine Jobgarantie gab.

Die hielt allerdings nur bis Ende Oktober, als der Kroate nach einem 1:5 in Frankfurt entlassen wurde. Auch danach soll Rummenigge Rangnick den Trainerjob bei Bayern offeriert haben, doch als der Umworbene die Vertragsauflösung bei Red Bull in die Wege geleitet hatte, verwies ihn Rummenigge angeblich für die Klärung der sportlichen Details an Salihamidzic. Daraufhin soll Rangnick abgesagt haben, weil er nicht unter dem Bosnier arbeiten wollte.

Stattdessen übernahm Kovacs Assistent Flick und führte die strauchelnden Bayern zu historischen sechs Titeln. Nun ist nur noch die Meisterschaft möglich. Dies sei zwar der wichtigste Titel, hatte Hoeneß 2017 das Münchner Mantra erklärt: "Aber auf die Dauer ist ein Titel schon ein bisschen wenig für uns."

FC Bayern - Spiele, Termine: Restprogramm in dieser Saison

WettbewerbRundeDatumUhrzeitOrtGegner
Bundesliga29Sa. 17.04.2115:30AVfL Wolfsburg
Bundesliga30Di. 20.04.2120:30HBay. Leverkusen
Bundesliga31Sa. 24.04.2115:30A1.FSV Mainz 05
Bundesliga32Sa. 08.05.2118:30HBor. M'gladbach
Bundesliga33Sa. 15.05.2115:30ASC Freiburg
Bundesliga34Sa. 22.05.2115:30HFC Augsburg
Artikel und Videos zum Thema