Fußball-Kolumne - FC Bayern im Transferdilemma: Trotz Rekordeinnahmen wirtschaftlich am Anschlag

Der FC Bayern befindet sich laut Hasan Salihamidzic wirtschaftlich am Anschlag.
© imago images/Frank Hoermann

Der FC Bayern hat durch den Gewinn der Champions League so viel Geld von der UEFA erhalten wie nie zuvor. Dennoch gibt es trotz des ausgedünnten Kaders gute Gründe, warum Hasan Salihamidzic Zurückhaltung auf dem Transfermarkt ankündigt. Die Fußball-Kolumne von Martin Volkmar.

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Das Lob kam aus berufenem Munde. Er sei davon überzeugt, dass der FC Bayern die nächsten Jahre international prägen werde und gute Chancen auf die Titelverteidigung in der Champions League habe, sagte Ottmar Hitzfeld im Interview mit SPOX und Goal. Der erfolgreichste deutsche Vereinstrainer, der selbst zweimal in der Königsklasse triumphierte, glaubt sogar an den Beginn einer Ära wie in den 1970er-Jahren, als die Münchner dreimal hintereinander den Europacup der Landesmeister gewannen.

Hitzfelds These wurde natürlich in diversen Fanforen kontrovers diskutiert, schließlich rüsten andere Klubs wie der FC Chelsea oder Inter Mailand sichtbar auf. Auch Manchester City könnte sich mit Lionel Messi entscheidend verstärken. Fakt ist aber auch, dass Vereine wie der FC Barcelona und teilweise auch Real Madrid vor einem Umbruch stehen, ihnen aber wegen der Corona-Pandemie das Geld für große Investitionen fehlt.

Umso überraschender wurden die äußerst defensiven Wortmeldungen der zwei sportlich wichtigsten Bayern-Angestellten in dieser Woche aufgenommen. Zunächst erklärte Triple-Coach Hansi Flick seine Befürchtung, in Zukunft womöglich mit einem schwächeren Kader arbeiten zu müssen. "Wir werden einige Spieler verlieren, die enorme Qualitäten haben. Das müssen wir auffangen. Wenn ich mit diesem Kader weiterarbeiten könnte, das wäre schön. Aber das ist nun mal nicht der Fall", sagte er der Zeit.

Kurz danach erläuterte der für Transfers zuständige Sportvorstand Hasan Salihamidzic, dass man sich nach dem Einkauf von Leroy Sane keine weiteren teuren Transfer leisten könnte: "Wir sind wirtschaftlich am Anschlag."

FC Bayern kassiert Rekordsumme von der UEFA

Das verwunderte gleich aus zwei Gründen. Zum einen, weil der mit Abstand reichste deutsche Klub, der bislang Jahr für Jahr neue Gewinnrekorde vermeldet hat, gerade erst durch den Sieg in der Champions League die Rekordsumme von rund 130 Millionen Euro von der UEFA bekommen hat. Zum anderen, weil der Rekordmeister zwar auch nach dem Abgang von Thiago über eine herausragende Startelf verfügt, aber dahinter schon in der abgelaufenen Saison Personalprobleme in der zweiten Reihe hatte.

Nun verlieren die Münchner ziemlich sicher noch weitere Akteure - dabei wird die kommende Saison extrem eng getaktet sein. Bislang stehen neben Königstransfer Sane, der rund 45 Millionen Euro an Ablöse kostete, die ablösefreien Tanguy Nianzou (von PSG) und Alex Nübel (Schalke) sowie der nach Leihe vom HSV zurückgekehrte Adrian Fein als Zugänge fest.

Verlassen haben den Rekordmeister bereits Youngster Lars Lukas Mai, Christian Früchtl und Sarpreet Singh, außerdem werden die Leihen von Phillipe Coutinho und Alvaro Odriozola nicht verlängert. Ivan Perisics Leihe ist ebenfalls zu Ende, für dessen fixe Verpflichtung fordert Inter Mailand derzeit 20 Millionen Euro. Keine Perspektive hat zudem Javi Martinez und auch Sven Ulreich denkt über einen Abschied nach.

Das wären zusammen mit Thiago, bei dem es nur noch um die Ablöseformalitäten mit dem FC Liverpool geht, neun Abgänge - nicht eingerechnet Wackelkandidaten wie David Alaba, Jerome Boateng, Corentin Tolisso oder Michael Cuisance, die jedoch voraussichtlich bleiben werden.

Somit hätte Flick, der sich schon im Wintertrainingslager in Katar öffentlich mit Salihamidzic wegen der aus seiner Sicht zu dünnen Spielerdecke angelegt hatte, noch einmal deutlich weniger Profis als vor der Rückrunde. Zwar ist die Innenverteidigung mit fünf Hochkarätern plus Nianzou luxuriös besetzt, zumal Alaba, Lucas Hernandez und Benjamin Pavard auch außen verteidigen können. Aber es fehlt ein Rechtsverteidiger, der sich mehr aufdrängen soll als der enttäuschende Odriozola.

Als sich Pavard vor dem Champions-League-Finalturnier verletzte, musste Kimmich aus dem Mittelfeld wieder in die Kette rücken. Als erste Kandidaten gelten Max Aarons (20) von Norwich und Sergino Dest (19) von Ajax, deren Ablöse bei rund 20 Millionen Euro taxiert wird.

FC Bayern: Wenig Alternativen im Mittelfeld

Weit enger ist die Situation aber im früher meist überbesetzten Mittelfeld hinter den Platzhirschen Kimmich, Leon Goretzka und Thomas Müller - selbst wenn Flick den drei Backups Fein, Cuisance und Tolisso mehr Vertrauen als bisher schenken sollte. Doch der gesuchte defensive Mittelfeldspieler dürfte teuer werden, für die aktuell gehandelten Eduardo Camavinga (17, Stade Rennes) und Marcelo Brozovic (Inter) werden rund 40 Millionen Euro aufgerufen.

Zudem will Flick noch einen erfahrenen vierten Außenstürmer, was sowohl gegen Barcas Talent Pedri (17), der ohnehin wohl nur ohne Kaufoption ausgeliehen werden könnte, als auch gegen die Eigengewächse Leon Dajaku und Oliver Batista-Meier sprechen würde. Argumente für Perisic - wenn der den Münchnern auch angesichts seiner 31 Jahre nicht (noch) zu teuer wäre. Ohnehin hatte Vorstandsboss Karlheinz Rummenigge Flick schon kürzlich eingenordet: "Auch für den Trainer gilt: 'Wünsch dir was' können wir uns in Zeiten von Corona finanziell nicht leisten."

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© imago images/Peter Schatz

Rummenigge: "Mindereinnahmen von circa 50 Millionen Euro"

Bleibt die alles entscheidende Frage: Blufft der Rekordmeister nur oder sieht es wirtschaftlich wirklich so schlecht aus wie von Salihamidzic angedeutet? Laut Rummenigge rechnet die AG für die abgelaufene Saison "mit Mindereinnahmen von circa 50 Millionen Euro", hoffe aber noch, "eine schwarze Null zu schreiben".

Das Defizit erklärt sich unter anderem durch die fehlenden Zuschauereinnahmen durch Corona. Rund ein Fünftel der gesamten Erträge generierte der FCB vor der Pandemie durchs Ticketing, pro Spiel in der ausverkauften Allianz Arena soll sich der Verlust an Zuschauereinnahmen auf rund 2,5 Millionen Euro belaufen. Dieses bisherige Minus von rund 20 Millionen könnte sich bis Jahresende auf 50 Millionen Euro erhöhen, wenn die gesamte Hinrunde ohne Fans gespielt werden muss.

Dazu kommen die ebenfalls pandemiebedingten Abschläge bei den Einnahmen aus der nationalen TV-Vermarktung. Berichten zufolge wurden an die gesamte Liga etwa 150 Millionen Euro weniger ausgeschüttet als eingeplant. Zudem dürften von den 130 Millionen Einnahmen aus der Champions League um die 100 Millionen schon vorher verplant gewesen sein, weil Bayern in der Regel mit einem Viertelfinal-Einzug kalkuliert.

Darüber hinaus liegt die Gehaltsstruktur des Bayern-Kaders mittlerweile auf einem ähnlich hohen Niveau wie bei anderen internationalen Topklubs, wenn man die offiziellen Zahlen über die jeweiligen Personalkosten analysiert. Das gilt vor allem für die etablierten Akteure wie Manuel Neuer, Robert Lewandowski, Thomas Müller oder Neuzugang Sane, aber eben auch für jüngere Spieler wie Kimmich, Serge Gnabry oder Alphonso Davies, deren Entwicklung mit deutlichen Gehaltssteigerungen bei den Vertragsverlängerungen belohnt wurde.

Zusammengenommen spricht daher einiges für Salihamidzics Aussage über die schwierige wirtschaftliche Situation und die deshalb fehlenden Mittel auf dem Transfermarkt, zumindest für große Namen.

Zwar dürften die Erlöse wie die bei Thiago erwarteten rund 30 Millionen Euro reinvestiert werden, aber sehr wahrscheinlich werden die Bayern mit Blick auf das späte Ende der Wechselfrist am 5. Oktober erstmal abwarten, welche ins Profil passenden Spieler nach Saisonbeginn wegen ihrer Reservistenrolle unbedingt einen neuen Klub finden wollen.

Sportlich zumindest ist der FCB nach dem Triple-Triumph weltweit eine absolute Topadresse.

FC Bayern: Die kommenden Spiele

DatumWettbewerbGegner
18.09.2020BundesligaFC Schalke 04
24.09.2020UEFA SupercupFC Sevilla
27.09.2020BundesligaTSG Hoffenheim
30.09.2020SupercupBorussia Dortmund
04.10.2020BundesligaHertha BSC
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