Nach Elfmeter-Kuriosum bei Bayern-Pleite in Leverkusen: Harsche Gräfe-Kritik befeuert Debatte

Von SID / Tim Ursinus
Tobias Stieler
© getty

Die Elfmeter-Thematik bei der Partie in Leverkusen hat die Debatte um die Schiedsrichter und den Videobeweis weiter befeuert.

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Manuel Gräfe garnierte seine vernichtende Kritik an Tobias Stieler und den Schiedsrichter-Bossen mit einem Augen-zu-Affen.

Das Emoji am Ende seines Tweets zum viel diskutierten Elfmeter-Kuriosum beim Bundesligaspiel zwischen Bayer Leverkusen und Bayern München (2:1) war die visuelle Zusammenfassung des Rundumschlags, mit dem der Ex-Referee die Debatte um seine ehemaligen Kollegen und den Videobeweis weiter befeuerte.

"Wenn man die personelle Fehlentwicklung des letzten Jahrzehnts beispielhaft verdeutlichen will, dann dass solche Schiedsrichter bis zur höchsten Gruppe der UEFA vom DFB protegiert wurden, aber die Leistungen es nie begründeten", twitterte Gräfe, der sich nach wie vor in einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) befindet.

Dabei scheute Gräfe nicht davor zurück, sich sogar namentlich auf den Schiri-Chef Lutz Michael Fröhlich sowie die früheren Spitzenfunktionäre Herbert Fandel und Hellmut Krug zu beziehen.

Leverkusen - Bayern: Stieler sorgt für Kuriosum

Schon bei seinem Tweet davor hatte Gräfe kaum ein gutes Haar an den Leistungen der Unparteiischen am Bundesliga-Wochenende gelassen. Es falle auf, "dass weiter bei Hand, Foul und VAR jeder Schiedsrichter macht, wie er meint", schrieb der 49-Jährige, der nur "erfahrene Kräfte" wie Frank Willenborg von seiner Schelte ausnahm: "Bei anderen fehlt weiter die Linie - leider".

Diese Kritik trifft auf Stieler sicher zu. Zweimal hatte sich der Referee aus Hamburg im Sonntagsspiel zwischen Leverkusen und den Bayern mächtig geirrt. Zweimal bezichtigte er den Leverkusener Amine Adli einer Schwalbe im Münchner Strafraum.

Zweimal verhängte er für diesen vermeintlichen Täuschungsversuch voller Überzeugung eine Gelbe Karte. Zweimal musste er diese kleinlaut zurücknehmen, um Entschuldigung bitten - und Foulelfmeter für Bayer geben.

Leverkusen - Bayern: Gräfe legt nach

Im Interview mit der Bild-Zeitung ordnete Gräfe seine Aussagen nochmal ein: "Eine solche Analyse oder Kritik richtet sich nie gegen die Person selbst, sondern es geht um die Entscheidungen auf dem Platz bzw. die des DFB. Ich habe in dem Tweet - wie auch früher schon - das mangelhafte Leistungsprinzip der Schiedsrichterführung kritisiert. Es werden aber dennoch weiterhin Schiedsrichter nicht adäquat eingestuft, was unter anderem zu solchen Folgen wie am Sonntag beim Spiel in Leverkusen führen kann. Ich frage mich: Warum sollten sich Schiedsrichter wie aber auch deren Führung nicht genau wie Spieler und Trainer in der Bundesliga an ihren Handlungen messen lassen müssen?"

Auf die Frage, ob er Stieler als nicht qualifiziert für seine Position sehen würde, antwortete Gräfe: "Wenn man häufiger und wiederholt schwere Fehler macht, gehört man aufgrund der fehlenden Leistung - und nur darum geht es - sicher nicht zur europäischen Spitze. Das war die angesprochene personelle Fehlentwicklung, die die Schiedsrichter-Führung der letzten 10 Jahre zu verantworten hat. Felix Brych dagegen wurde von unserem früheren Chef Volker Roth zu Recht international positioniert und brachte dort über zehn Jahre - bis auf die WM 2018 - Top-Leistungen."

Gräfe lobte außerdem die "alten Hasen" unter den Bundesliga-Schiedsrichtern. Aytekin, Brych und Fritz zählen für ihn zu den besten der Zunft. "Bei den Jüngeren ist für mich Sven Jablonski das größte Talent seit über zehn Jahren. Es gibt noch weitere ambitionierte, ehrgeizige Jüngere", erklärte er und vermied, "schwächere Schiedsrichter" bei ihren Namen zu nennen.

Dennoch merkte Gräfe an, dass es "zu wenige Top-Schiedsrichter" geben würde und enthüllte: "Die fehlende Qualität hat kürzlich die UEFA der DFB-Schiedsrichter-Führung mitgeteilt. Daraufhin gab es eine Krisensitzung von Lutz Michael Fröhlich & Co. mit den deutschen FIFA-Schiedsrichtern. Die UEFA ist mit den Leistungen nicht einverstanden und in Sorge. Diese Meinung habe ich also nicht exklusiv."

Stieler: "Paradebeispiel für perfekte Zusammenarbeit"

Stieler selbst hatte sich nach dem Abpfiff ebenfalls zu den Szenen geäußert. "Meine Seele weint etwas", sagte er bei DAZN, "aber die Fußballwelt kann zufrieden sein." Die Fußballwelt - ja. Er selbst - überhaupt nicht. Darum wusste Stieler auch, an wen er sich zu wenden hatte: an seinen Kollegen Sören Storks.

"Es war ein Paradebeispiel für die perfekte Zusammenarbeit mit dem Video-Assistenten", sagte Stieler. "Der VAR wird immer viel kritisiert, aber das war sehr gut. Er war quasi mein Lebensretter - und auch für das Spiel der Lebensretter." Die Zusammenfassung: "Zweimal auf dem Feld daneben gelegen, zweimal vielen Dank in den Kölner Keller für die tolle Unterstützung. Am Ende waren beide Mannschaften happy, weil die richtige Entscheidung getroffen wurde."

Aytekin kontert Gräfe-Kritik

Genau so will es Fröhlich sehen - und genau so läuft es seiner Einschätzung nach auch zumeist. "Für mich ist die Debatte momentan zu negativ ausgerichtet", kommentierte der Schiedsrichter-Boss die anhaltenden Konflikte rund um den Videobeweis bei Bild live. "Alles, was nicht gut läuft, wird thematisiert. Und alles, was gut läuft, wird nicht angesprochen", äußerte Fröhlich: "Wir haben ganz viele ruhige Spieltage erlebt, was den VAR angeht."

Gräfe sieht das zwar ganz anders - die ständige Kritik geht Teilen seiner Ex-Kollegen aber mittlerweile ziemlich auf die Nerven. Deniz Aytekin bezeichnete Gräfe am Montag zwar als "unglaublich guten Schiedsrichter", doch die "immer gleichen Pauschalkritiken ermüden mich".

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