BVB - Juan Ramón Fernández bei Borussia Dortmund: Polizei-Besuch, Flucht, Rekordstrafe

Juan Ramón Fernández wechselte 2002 zum BVB nach Dortmund.
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Nach einem Jahr bei Borussia Dortmund war Juan Ramón Fernández im Juli 2003 plötzlich verschwunden. Der oft verletzte Reservist setzte sich eigenmächtig in seine Heimat Argentinien ab. Als er reumütig zurückkehrte, brummte ihm der BVB die bis dato höchste Geldstrafe der Bundesligageschichte auf.

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Am 31. Oktober 2000 ging Borussia Dortmund als erster deutscher Fußballklub an die Börse. Seither ist der BVB verpflichtet, die Öffentlichkeit zu informieren, sobald Tatsachen geschaffen werden, die den Börsenkurs beeinflussen könnten. Zum Beispiel Spielertransfers. Die siebte sogenannte Ad-Hoc-Mitteilung, die die Borussia in dieser Hinsicht herausgab, betraf im Mai 2002 Juan Ramón Fernández.

Zehn Tage nach dem Gewinn der Meisterschaft gab der BVB bekannt, dass man sich den 22-jährigen Außenverteidiger für 1,65 Millionen Euro vom argentinischen Erstligisten Club Estudiantes de La Plata geangelt habe. Fernández war nach Roman Weidenfeller der zweite Transfer für die Saison 2002/2003.

Dass man sich von Fernández einiges versprach, konnte man bereits an der Vertragsdauer ablesen. Für fünf Jahre unterschrieb der Argentinier, der im Februar 1999 im Alter von 18 Jahren unter Trainer Marcelo Bielsa das erste und einzige Mal für die Albiceleste aufgelaufen war. Fernández zeigte sich "total begeistert", durch den Wechsel sei für ihn "ein Traum wahr geworden".

Allerdings geriet der für Spieler wie Verein sehr schnell zum Albtraum. Fernández sollte in Dortmund zu einer echten Alternative für die Platzhirsche Dédé und besonders Evanilson werden. 90 Erstligaspiele hatte er in seiner Heimat absolviert und war dort als Links- wie als Rechtsverteidiger gefragt. Doch die mangelnde Anpassung an ein fremdes Land sowie zahlreiche Verletzungen verhinderten, dass Fernández je über den Status des Mitläufers hinauskam.

Juan Ramón Fernández wechselte 2002 zum BVB nach Dortmund.
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Juan Ramón Fernández wechselte 2002 zum BVB nach Dortmund.

BVB: Juan Ramón Fernández war "schwer zu integrieren"

"Er wurde von Reinhard Saftig beobachtet und ist für gut genug befunden worden", sagt der damalige BVB-Manager Michael Meier im Gespräch mit SPOX und GOAL. "Er war allerdings sehr introvertiert und schwer zu integrieren. Seine Familie hat ihn nach Deutschland begleitet, kam hier aber nicht klar und reiste relativ schnell wieder ab. Ich habe zusammen mit meiner damaligen Sekretärin, die Spanisch sprach, viele und lange Gespräche mit ihm geführt."

Diese Unterredungen halfen jedoch kaum. Fernández soll sich vielmehr geweigert haben, Deutsch zu lernen und kam daher nicht über minimalen Smalltalk mit seinen Teamkollegen hinaus. Dazu verletzte er sich zu Beginn seiner Zeit am Sprunggelenk, was eine Operation sowie eine wochenlange Pause nach sich zog.

Der fehlende Wille zur Integration verhieß auch in Fernández' Privatleben nichts Gutes. Eines Nachts um 3 Uhr stand die Polizei vor seiner Wohnung, da Fernández mit seinem Bruder und ein paar Kumpels Fußball-Tennis gespielt hatte - weshalb die verstörten wie schlaflosen Nachbarn, die unter ihm wohnten, zum Hörer griffen.

Juan Ramón Fernández ergreift die Flucht vom BVB

Fernández wurde zu einer Strafe verdonnert, doch er verdiente beim BVB sehr gutes Geld und hatte ohnehin ein lockeres Verhältnis zu seinen Finanzen. Der Verein merkte somit schnell, dass er sich mit Fernández mehr Problem als Verstärkung ins Haus geholt hatte. Zum Ende seiner ersten und von Blessuren geprägten Spielzeit standen für ihn nur sechs Einsätze, davon immerhin fünf von Beginn an, zu Buche.

Anfang Juli 2003 kulminierte die bescheidene sportliche Situation rund um Fernández in einem handfesten Skandal. Obwohl ihn BVB-Cheftrainer Matthias Sammer kurz zuvor noch als "absolute Granate" bezeichnet hatte, ergriff der Argentinier aus Verärgerung über sein Reservisten-Dasein die Flucht und trat ohne Genehmigung der Borussia die Heimreise an.

"Er hat uns erklärt, dass er seine Zukunft eher in Argentinien sieht", sagte BVB-Sportdirektor Michael Zorc. "Es ist nicht zu verstehen und auch nicht zu akzeptieren, bei uns gibt es nur großes Unverständnis. Die Konsequenzen wird er zu tragen haben."

BVB spricht Rekordstrafe gegen Juan Ramón Fernández aus

Die Hintergründe für Fernández' Verhalten lägen "im spekulativen Bereich", Zorc nannte medizinische Probleme als eine Möglichkeit. Oder, dass dem Spieler durch Berater und Vereine "der Kopf verdreht" wurde. Der ehrgeizige Sammer war erzürnt und zu keinem Statement bereit.

Drei Wochen später stand Fernández wieder in Dortmund auf der Matte. Das traf sich gut, denn Torsten Frings und Evanilson hatten sich beide einen Kreuzbandriss zugezogen. Doch Fernández, der sich bei Sammer und vor versammelter Mannschaft für seine Flucht entschuldigte, musste für sein Vergehen tief in die Tasche greifen.

Eine Geldstrafe von 100.000 Euro brummte ihm der BVB auf - so viel musste in der Bundesligageschichte bis dato noch kein Spieler an seinen Verein abtreten. Mit diesem hohen Betrag wolle man ein deutliches Zeichen setzen, sagte Sammer: "Eine Entschuldigung ist das Mindeste. Die Lippenbekenntnisse sind das eine, jetzt müssen Taten folgen. Er spielt vorerst auf Bewährung. Wenn er sich wieder integriert, wird er seine zweite Chance erhalten."

Fernández: In die Legendenelf mit 22 Einsätzen für den BVB

Es dauerte keinen Monat, da bekam er sie. Sammer berief Fernández gegen 1860 München in die Startelf - er wurde auf der rechten Seite schlicht gebraucht. Zwar dauerte es nicht lange, bis sich der Südamerikaner mit einer Innenbanddehnung im Knie mal wieder für ein paar Wochen verabschiedete, doch bis zur Winterpause ließ ihn Sammer in 14 seiner 16 absolvierten Pflichtspiele (drei Torvorlagen) von Beginn an ran.

Anschließend brach Fernández seine Zelte beim BVB ab - diesmal regelkonform. Der Verein, dem in dieser Zeit aufgrund des schwachen sportlichen Abschneidens die dringend benötigten internationalen Einnahmen wegbrachen, lieh ihn im Januar 2004 in seine Heimat an River Plate aus. Als er ein Jahr später wieder zurückkam, absolvierte er kein Spiel mehr für die Borussia. Insgesamt absolvierte Fernández wettbewerbsübergreifend 22 Spiele für Dortmund.

Fernández ging ablösefrei zu CA Colón, Jahre später verließ er bei seinem zweiten europäischen Abenteuer den griechischen Klub Skoda Xanthi nach bereits vier Monaten wieder. Er versuchte es auch in Chile und nach seinem Karriereende mit der Eröffnung eines Restaurants in La Plata, doch von Erfolg gekrönt war beides nicht.

Schön ist jedoch, dass Fernández trotz seines verunglückten Aufenthalts in Dortmund kein rotes Tuch für den BVB ist. Der heute 42-Jährige war im Dezember 2019 Teil von Borussias Legenden-Elf, die beim Legends Cup Brasil aufschlug. Und dort den FC Bayern im Spiel um Platz drei mit 3:2 schlug - mit Fernández.

Juan Ramón Fernández kam beim BVB auf insgesamt 22 Pflichtspiele.
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Juan Ramón Fernández kam beim BVB auf insgesamt 22 Pflichtspiele.

BVB - Juan Ramón Fernández und seine Pflichtspiele für Borussia Dortmund

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