BVB - Alarmierende Mängelliste bei Borussia Dortmund: So ist die Qualitätsfrage nicht mehr weit entfernt

Der BVB ist unter Edin Terzic auf Platz acht abgerutscht.
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Vier Niederlagen nach zehn Bundesligapartien, ein negatives Torverhältnis, eine schwache Offensive und immer wieder altbekannte Mängel: Borussia Dortmund spielt in dieser Saison bislang biederen Fußball. Der nächste Versuch einer Analyse der BVB-Probleme.

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Genauso naiv wie der verunglückte Versuch mit der Hacke war Karim Adeyemis Auftritt nach Spielschluss am DAZN-Mikro, als der zur Pause Ausgewechselte als Erster vorgeschickt wurde, um die 0:2-Pleite von Borussia Dortmund beim 1. FC Union Berlin zu erklären.

Als "Hacke-Spitze-hoch-das-Bein-Thematik" wurde dort die Kritik von Mats Hummels nach dem Remis gegen Sevilla bezeichnet, wonach der BVB einfacher spielen müsse, anstatt zu oft auf das Besondere aus zu sein. Adeyemi schien zunächst nicht ganz klar, worauf die Frage abzielte. Er verneinte daher eher reflexartig, als sich tatsächlich darüber bewusst zu sein, dass seine Antwort als Widerspruch zu Hummels' Äußerungen gedeutet werden könnte.

"Nein, würde ich jetzt nicht sagen", sagte Adeyemi und ließ einen Satz folgen, der im Grunde nicht minder naiv war: "Heute haben wir eine andere Formation gewählt, vielleicht hat es daran gelegen." Schließlich ließe sich dies als Kritik an der von Edin Terzic erstmals auserkorenen Herangehensweise mit einer Dreierkette auslegen.

Immerhin erklärte Dortmunds Trainer wenige Minuten später, dass diese Ausrichtung nicht ihren gewünschten Effekt erzielte. Allerdings nicht zwingend aus taktischen Gründen, sondern weil man - eben unter anderem durch Adeyemis Aktion, aus der das 0:2 resultierte - die beiden Gegentore herschenkte. Das, was gegen Union nicht passieren darf, nämlich früh in Rückstand zu geraten, passierte viel zu leichtfertig.

BVB: "Gesamtsituation komischerweise irgendwie in Ordnung"?

Doch mit Blick auf die Saison des BVB, in der nun ein gutes Drittel bereits gespielt ist, war dies nicht das einzig Negative, das passiert ist. Nur einen Kopfball von Anthony Modeste in letzter Sekunde ist die Borussia entfernt, sonst hätte sie die Hälfte ihrer zehn Bundesligaspiele verloren. So stehen dennoch nicht minder stattliche vier Pleiten, ein negatives Torverhältnis und mit Platz acht tabellarisches Mittelmaß zu Buche.

Wenngleich Hummels hinsichtlich des ordentlichen Abschneidens in der Champions League sagte, die Gesamtsituation sei "komischerweise irgendwie in Ordnung", ist sie zumindest in der Liga historisch schlecht - nämlich so mies wie seit 2014 nicht mehr, als der BVB in Jürgen Klopps finaler Saison einen Absturz vollführte, der erst in der Rückrunde gestoppt werden konnte.

Und so muss intern mal wieder eine knallharte Analyse folgen, wie diesmal Niklas Süle forderte. Auch extern und somit medial ist nun erneut die Zeit gekommen, die Stagnation des Vereins, die genau betrachtet bereits Jahre andauert, zu erklären. Beispielsweise mittels dieses Textes, wobei man als Autor in ungeschminkter Offenheit behaupten darf, dass hier nicht der Anspruch analytischer Unfehlbarkeit erhoben wird. Die eierlegende Wollmilchsau einer Erklärung für das, was beim BVB regelmäßig im Großen wie im Kleinen passiert, gibt es schlicht nicht.

BVB und die lange Liste an Mängeln

Als Begrifflichkeit taugt am ehesten noch das Wort Inkonstanz, auch die von Ex-Coach Marco Rose ins Feld geführte "fehlende Nachhaltigkeit" kann man gelten lassen. Die Gründe für das stete Auf und Ab innerhalb Dortmunds eigenen Dampfes sind vielschichtig, sie sind kurz- wie langfristiger Natur, teils bedingen sie sich einander.

Man kann gewiss erneut Problemfelder aufzählen, das wird hier auch zwei Sätze weiter noch geschehen. Entgegen der inhaltlich meist sehr guten Aspekte, die Hummels in seinen Interviews stets und als zweiter Kapitän natürlich auch vollkommen zu Recht anspricht, fehlen derzeit nicht "ein bis zwei Siege in der Bundesliga". Es fehlen vielmehr Dinge, die die Basis sind, um ausreichend Siege auf diesem Niveau einfahren und die Ansprüche des Klubs erfüllen zu können.

Die aktuellste Auflistung der Mängel, in ungeordneter Reihenfolge:

  • Die Körpersprache wirkt immer verheerender. Besonders nach (den aktuell häufigen) Rückständen oder in schwierigen Spielsituationen fehlen Spieler, die den Kopf oben behalten, vorangehen und die Mannschaft mit ihrer Aura positiv beeinflussen, um zumindest gegen Widerstände ankämpfen und sie idealerweise sogar überwinden zu können.
  • Der BVB produziert exorbitant viele unnötige Ballverluste, weil man sich zu oft in aussichtslose und zu enge Räume kombiniert. Es wird zu oft das Risiko gesucht, im Passspiel fehlt es an der Einsicht zum klaren, einfachen Ball.
Der BVB ist unter Edin Terzic auf Platz acht abgerutscht.
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Der BVB ist unter Edin Terzic auf Platz acht abgerutscht.

BVB fehlt unter Trainer Edin Terzic eine Spielidee in Ballbesitz

  • Ein Klassiker: Trotz der Transfers von Niklas Süle und Nico Schlotterbeck sowie des starken Augenmerks auf defensive Stabilität und Konzentration - die Anzahl an Gegentoren wurde auch tatsächlich reduziert - fehlt der gesamten Mannschaft im Block weiterhin die nötige Gier beim Verteidigen und den einzelnen Spielern die Lust beim Erledigen von Aufgaben, "auf die sie weniger Bock haben", wie es Terzic eindeutig wie vielsagend ausdrückte. Die Bereitschaft zu hoher Intensität in allen Spielphasen über die vollen 90 Minuten fehlt.
  • Der Fokus auf Defensivthemen geht auf Kosten der Offensive. Das überrascht durchaus, denn dort verfügt der BVB über herausragendes individuelles Potential und schaffte es dadurch seit Jahren, Probleme beim Verteidigen zu kaschieren, indem man genügend Tore erzielte. Nun stehen ohne Ausnahmespieler wie Jadon Sancho und Erling Haaland 13 Tore in zehn Ligaspielen zu Buche - so viele wie Kellerkind Stuttgart und 17 weniger als der FC Bayern.
  • Dortmund ist offensiv deshalb harmlos, weil es Terzic auch aufgrund der in dieser Saison wieder zahlreichen Ausfälle in rund vier Monaten noch nicht geschafft hat, dem Team eine stringente Spielidee in Ballbesitz zu vermitteln. Bis zur urplötzlichen Siegesserie war Terzics Fußball bereits in seiner Interimsamtzeit, die freilich unter erschwerten Bedingungen begann, nicht besonders schön anzuschauen. Denn ...

Warum beim BVB die Qualitätsfrage nicht mehr weit ist

  • ... Dortmund geht schlicht die nötige Zielstrebigkeit ab. Der BVB spielt viel zu sehr in die Breite, dem Passspiel fehlt das Tempo. Die Spieler bieten nur wenige Läufe hinter die gegnerischen Ketten an, es gibt im Freilaufverhalten kaum gegenläufige Bewegungen oder Finten, um den Gegner aus seiner Position zu locken. Der enorme und über den gesamten Platz verteilte Radius von Jude Bellingham hilft dem Team sehr, sorgt jedoch auch für unklare Positionierungen seiner Gegenspieler. Es fehlt gerade in aussichtsreichen Situationen die Konsequenz, da man meist zu viele Ballkontakte und zusätzliche Schnörkel in Kauf nimmt, bevor der Abschluss gesucht wird. Aktuelles Beispiel: Marco Reus' Chance auf den Anschlusstreffer gegen Union (78.), als er vor Keeper Frederik Rönnow stehend sofort schießen muss, sein weiterer Ballkontakt aber den Winkel erschwert.
  • Weitere Punkte, die zum biederen Offensivfußball führen: Akteure wie Karim Adeyemi, Donyell Malen oder Thorgan Hazard sind formschwach, Spieler wie Sebastién Haller, Jamie Bynoe-Gittens oder Mahmoud Dahoud fallen aus. Zudem fehlt dem BVB ein Neuner, der ausreichend abliefert. Das Spiel auf Modestes Stärken im Strafraum zuzuschneiden, schlug bislang eklatant fehl. Der Ex-Kölner ist eher Fremdkörper als Verstärkung. Youssoufa Moukoko hingegen ist endlich verletzungsfrei und hat körperlich auch enorm aufgeholt, die physischen Defizite des 17-Jährigen sind jedoch noch längst nicht ausgemerzt. Ob Modeste oder Moukoko, beide Angreifer leiden auch unter der geringen Unterstützung der Reihe dahinter. Die Strafraumbesetzung ist in vielen Fällen mangelhaft.
  • Terzic betont nach Rückschlägen stets, dass sich seine Spieler intern anschließend einsichtig zeigen. Sie wüssten, worum es ginge und sähen selbst den großen Spielraum an Verbesserungen. Der Trainer nannte sein Team schon "vergesslich", wenn es um die Umsetzung geht. Wenn dies allerdings so konstant Probleme bereitet, dann ist es nicht mehr weit hin, die Frage nach der nötigen Qualität zu stellen.

BVB: Winter-Depression statt neuer Begeisterung?

Angesichts der bis zur WM-Pause weiterhin atemlosen Abfolge an Spielen wird es Terzic kaum möglich sein, dieser Fülle an Schwierigkeiten auf dem Trainingsplatz zu begegnen. Das Videostudium und die Inhalte in der Theorie mündlich vor der Mannschaft zu wiederholen, sind momentan die einzigen Mittel des BVB-Trainers.

Der weiß um die volle Rückendeckung des Vereins, wird allerdings verstärkt in den Blickpunkt rücken, wenn er mit seinem Team innerhalb der nächsten vier Wochen nicht bald die Kurve bekommt. Sonst droht die nächste Winter-Depression. Schon jetzt ist die Mannschaft von der Begeisterung, die Terzic mit ihr am hoch emotionalen Fußballstandort Dortmund entfachen wollte, weit entfernt.

Für die Qualifikation zum Achtelfinale der Königsklasse fehlt noch ein Punkt aus zwei Partien. Drei Zähler Rückstand auf Abonnement-Platz zwei in der Liga sind nicht die Welt. Doch die Tabelle ist in Dortmunds derzeitigen Lage höchstens einer, aber bestimmt nicht der entscheidende Indikator.

BVB: Die kommenden Spiele von Borussia Dortmund

DatumGegnerAustragungsortWettbewerb
Mittwoch, 19. OktoberHannover 96Heinz von Heiden Arena, HannoverDFB-Pokal, 2. Runde
Samstag, 22. OktoberVfB StuttgartSignal Iduna Park, DortmundBundesliga, 11. Spieltag
Dienstag, 25. OktoberManchester CitySignal Iduna Park, DortmundChampions League, 5. Spieltag
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