Maximilian Philipp vom VfL Wolfsburg im Interview: "Der Gedanke ans Karriereende war eine Kurzschlussreaktion"

philipp-int
© getty

Maximilian Philipp wechselte einst als Senkrechtstarter für viel Geld vom SC Freiburg zu Borussia Dortmund, doch beim BVB begann der Stern des heute 28-Jährigen zu sinken. In seiner Zeit bei Dynamo Moskau dachte Philipp ernsthaft an ein vorzeitiges Karriereende.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Im Interview mit SPOX und GOAL spricht der Offensivspieler über den frühen Tod seines Vaters und erklärt, wie stark er den jungen Philipp geprägt hat.

Zudem äußert sich der gebürtige Berliner zur schwierigen Zeit beim BVB, den Gedanken ans Karriereende in Russland und sagt, was ihm an seiner Körpersprache nicht gefällt.

Herr Philipp, zu Ihrer Zeit in Freiburg haben Sie einmal gesagt, dass Ihnen Ihr Glaube "extrem wichtig" ist. Wie praktizieren Sie ihn?

Maximilian Philipp: Das wurde damals etwas übertrieben dargestellt. Ich glaube an Gott, aber ich bete nicht täglich oder gehe wöchentlich in die Kirche.

Sie meinten auch, ohne den Glauben hätten Sie es im Fußball nicht so weit geschafft.

Philipp: Absolut. Der Weg, den ich bislang in meinem Leben gegangen bin, ist meiner Ansicht nach kein Zufall, sondern vorherbestimmt. Das soll einfach so sein. So fühle ich das jedenfalls. Es gibt schöne und weniger schöne Zeiten, aus denen man jeweils lernt. Am Ende macht einen das zu dem Menschen, der man ist. Mich bestärkt das, aber jeder muss für sich selbst wissen, welchen Weg er wählt.

Haben Sie den Sinn im Glauben auch noch gesehen, als Ihr Vater 2011 an Krebs gestorben ist? Sie waren damals gerade einmal 16 Jahre alt.

Philipp: Nein, da habe ich extrem daran gezweifelt. Für mich ist eine Welt zusammengebrochen. Als das passierte, habe ich an gar nichts mehr geglaubt, sondern nur gedacht: Womit habe ich das verdient, wieso gerade ich? Meine Eltern sind für mich die wichtigsten Menschen im Leben. Und auf einmal stand ich nach der Schule da und musste sehen, wie manche meiner Freunde von ihrem Papa abgeholt wurden. Das war alles sehr, sehr hart und hat etwas mit mir gemacht.

SPOX-Redakteur Jochen Tittmar traf Maximilian Philipp im Trainingslager in Seefeld/Österreich.
© spox
SPOX-Redakteur Jochen Tittmar traf Maximilian Philipp im Trainingslager in Seefeld/Österreich.

Welche Bindung haben Sie - vielleicht ja eben auch durch Ihren Glauben - heute noch zu Ihrem Vater?

Philipp: Eine extreme. Durch diese Erfahrung habe ich viel gelernt und unglaublich viel Kraft bekommen. Ich bekam eine Einstellung, die mich dorthin gebracht hat, wo ich jetzt bin. Ich bin sehr stark, aber in gewisser Weise auch sehr kalt geworden. Das ist einfach so.

Was heißt sehr kalt?

Philipp: Wenn man jemanden verliert, den man wirklich liebt, entwickelt man um sich herum eine Art Schutzhülle oder Panzer. Es gab viele Situationen, die mir komplett egal waren, weil ich erfahren musste, dass es einfach Wichtigeres gibt. Klar, manchmal war das auch ein Nachteil, aber meistens stellte sich das für mich als Vorteil heraus.

Das ist nun elf Jahre her - genauso lang spielen Sie auch schon Fußball im Seniorenbereich. Damals ging es für Sie in der zweiten Mannschaft von Energie Cottbus in der Regionalliga los. Seitdem ist in Ihrer Karriere einiges passiert. Fühlt es sich für Sie so an, als seien bereits elf Jahre vergangen?

Philipp: Nein. Es ist oft surreal, weil ich mich an einige Dinge noch so gut erinnern kann, als wären sie gestern geschehen. Die Zeit vergeht wahnsinnig schnell. Ich habe in Cottbus das Profidebüt gefeiert und spielte plötzlich ruckzuck in der Bundesliga. Da ging es nur noch bergauf. Ich fand es damals auch selbst krass, wie schnell das ging. Leider habe ich mittlerweile auch feststellen müssen, wie zügig es in die andere Richtung gehen kann.

2013 wechselten Sie in die U19 des SC Freiburg, etwas mehr als ein Jahr später debütierten Sie in der Bundesliga. Während der Pubertät sollen Sie etwas frecher gewesen sein und in Freiburg schnell gemerkt haben: Mit dieser Art komme ich hier nicht weit.

Philipp: Nach dem Tod meines Vaters hatte ich zwei Seiten. Ich ging kurz darauf für eineinhalb Jahre nach Cottbus und war dort sehr leicht reizbar. Ich habe mir nichts sagen lassen und stets direkt gesagt, was ich denke. Ich habe nicht groß nachgedacht, weder auf dem Feld, noch in der Schule. Das war mir alles egal. Ich muss zugeben, dass mir das auch sehr geholfen hat, weil ich mir dadurch einen gewissen Respekt verschafft habe.

Von 2013 bis 2017 spielte Maximilian Philipp für den SC Freiburg.
© imago images
Von 2013 bis 2017 spielte Maximilian Philipp für den SC Freiburg.

Wieso war das dann in Freiburg anders?

Philipp: Dort hat es irgendwie Klick gemacht. Ich weiß nicht wie oder aus welchem Grund, aber mir wurde klar: Wenn ich im Profibereich richtig nach oben möchte, muss ich mich wieder beruhigen und mich darauf besinnen, wer ich wirklich bin. Ich bin nämlich eigentlich ein ziemlich ruhiger Typ und wurde sehr gut erzogen. Ich bin nicht aufdringlich, arrogant oder nervig, sondern eher zurückhaltend und lustig. Wenn ich mit meiner Familie oder meinen Freunden zusammen war, konnte ich auch immer diese ganz normale Seite zeigen, die ich schon mein Leben lang habe.

In Freiburg gelang Ihnen nach einem starken Jahr in der 2. Liga und einer guten Saison in der Bundesliga schließlich der Durchbruch. Sie wechselten für 20 Millionen Euro zu Borussia Dortmund. Warum wollten Sie direkt diesen großen Schritt wagen?

Philipp: Es war Borussia Dortmund - wenn man da absagt, wie oft bekommt man dann noch die Chance, dort zu spielen? Ich hatte zudem noch einen langfristigen Vertrag in Freiburg, weshalb die Ablösesumme so enorm hoch war. Die konnte sich nicht jeder leisten, daher sprangen ein paar Vereine ab. Wenn der BVB anruft, sagst du nicht nein. Das hat auch absolut nichts mit Geld zu tun. Der Verein ist sportlich sehr attraktiv und hat diese im positiven Sinne absolut wahnsinnigen Fans. Da gab es nicht viel zu überlegen.

Beim BVB konnten Sie sich trotz eines guten Starts nicht durchsetzen und verließen den Verein nach zwei Jahren wieder. Wäre es rückblickend betrachtet besser gewesen, Sie hätten nach Freiburg einen Zwischenschritt gemacht?

Philipp: Im Nachhinein ist man immer schlauer. Natürlich habe ich schon darüber nachgedacht, was passiert wäre, hätte ich diesen Zwischenschritt gemacht. Ich muss aber ganz klar sagen: Ich würde es wieder genauso machen. Ich konnte Dortmund einfach nicht absagen, ich war dort ja auch gewollt.

Sie hatten beim BVB mit Peter Bosz, Peter Stöger und Lucien Favre drei sehr unterschiedliche Trainer. Gerade in der zweiten Saison saßen Sie fast nur noch auf der Bank und kamen auf lediglich elf Startelfeinsätze. Wie hat Favre die wenige Spielzeit Ihnen gegenüber begründet?

Philipp: Das musste er nicht großartig begründen. Ich habe im zweiten Jahr als klassischer Stürmer gespielt und in den ersten acht Bundesligaspielen ein Tor erzielt. Wenn das deine Bilanz bei Borussia Dortmund ist, wird es schwer. Das ist ja völlig klar. Das war einfach nicht meine Position und das hat man auch gesehen.

Wie erging es Ihnen in dieser Phase?

Philipp: Es war schwer, denn erst staute sich die Enttäuschung an und irgendwann wurde Frust daraus. Den habe ich eine Zeit lang in mich hineingefressen. Ich war aber weit davon entfernt, Stunk zu machen oder besonders negativ zu sein. Als ich mit Freunden ausgiebig darüber sprach, gelang es mir, damit besser umzugehen. Mir dämmerte, dass es eben nicht immer nur nach oben gehen kann. Solche Erfahrungen gehören leider dazu. Wenn man beim BVB auf der Bank sitzt, heißt das ja nicht automatisch, dass man ein schlechter Spieler ist.

Beim BVB kam Maximilian Philipp unter Trainer Lucien Favre immer seltener zum Einsatz.
© getty
Beim BVB kam Maximilian Philipp unter Trainer Lucien Favre immer seltener zum Einsatz.

Hatte sich Ihr Befinden verändert, als klar war, dass Sie Dortmund verlassen würden oder sind Sie damit schließlich auch zu Dynamo Moskau gewechselt?

Philipp: Im Hinterkopf hatte ich es schon. Es war klar, dass nun nicht alles auf Anhieb wieder total toll klappen wird. Andererseits war es für mich ein echter Neustart. Ich war durchaus zuversichtlich.

Sie haben in Moskau neun Tore in 29 Pflichtspielen erzielt, aber auch an ein Karriereende gedacht. Zu welchem Zeitpunkt kam der Gedanke erstmals auf?

Philipp: Eher gegen Ende. Gerade die Corona-Pandemie machte es für mich ganz schwer. Ich konnte nirgendwohin, war das erste Mal so richtig weit weg und zumindest physisch komplett von meiner Familie abgeschnitten. Wir konnten uns sehr lange nicht gegenseitig besuchen. Das war richtig schlimm für mich. Nur einmal war es möglich, dass ich mich mit meiner Freundin in der Türkei treffen konnte. Ich bin ein Familienmensch und brauche meine Freunde. Ohne sie macht mir alles einfach keinen Spaß, so ehrlich muss ich sein. Es gibt viel Wichtigeres als den Fußball. Das habe ich ja wie besprochen schon früh erkannt, aber in dieser Phase ist mir das noch einmal sehr bewusst geworden.

Maximilian Philipp: Seine Karriere als Profi im Überblick

VereinZeitraumPflichtspieleToreVorlagen
Energie Cottbus II2011-20123-1
SC Freiburg II2013-2014311215
SC Freiburg2014-2017881823
Borussia Dortmund2017-201951118
Dynamo Moskau2019-20202991
VfL Wolfsburgseit 20205176
Inhalt: