Borussia Mönchengladbach: Warum Daniel Farke viel zu spät gekommen ist

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Borussia Mönchengladbach hat mit Daniel Farke einen Trainer geholt, der den Klub wieder zurück auf die Spur führen könnte, auf der man einst sogar die Ausfahrt zur Champions League nahm. Womöglich kommt der Nachfolger von Adi Hütter aber nicht zum richtigen Zeitpunkt.

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Der kleine Arjuna, 12 Jahre alt, hatte eine blendende Idee, wen Norwich City als Nachfolger von Daniel Farke verpflichten könnte, um den Klassenerhalt in der Premier League zu sichern. "Mich", sagte er bei einer BBC-Umfrage voller Überzeugung und erklärte, warum man ihn holten sollte: "Ich würde öfter trainieren und noch an anderen Strategien arbeiten."

Ob er traurig ist, dass Farke entlassen wurde? "Ja, schon, er hat es gut gemacht." Aber? "Wir können uns verbessern, wir können es besser machen." Doch weder Arjuna noch Jose Mourinho, den Mandy Price, eine 41 Jahre alte Lehrerin aus dem Norden der Stadt, empfohlen hatte, gelang der Sprung auf die Trainerbank von Norwich City. Stattdessen kam Dean Smith und stieg mit einem Punkteschnitt von 0,77 aus der Premier League ab.

Zwar lag der Premier-League-Durchschnitt von Farke bei 0,53, aber in Norwich würde man heute noch viele Fans finden, die nicht verstehen können, warum man den Deutschen entlassen hat. Es ist der Fußball, den Farke spielen ließ und der eine besondere Note bei den sonst selten verwöhnten Canaries hinterlassen hat. Es war ein ansehnlicher, offensiv ausgerichteter Ansatz, der auch neutrale Zuschauer mitzog.

Und sogar bei den Besten. Pep Guardiola erklärte mal 2021, dass er "nicht viel Zeit" habe, privat Fußball zu konsumieren. Bei Norwich mache er eine Ausnahme: "Ich habe eine gute Beziehung zu ihrem Trainer. Wenn sie spielen, schaue ich ihnen gerne zu", so der Trainer von Manchester City. Was so klang wie ein typisches Guardiola-Lob für den Nächstbesten, stimmte aber. "Er schaut uns tatsächlich gerne zu", erklärte Farke mal bei Sport1.

Die Stationen von Daniel Farke als Trainer

ZeitraumKlubs
2009 - 2015SV Lippstadt
2015 - 2017Borussia Dortmund II
2017 - 2021Norwich City
2022FK Krasnodar
seit Juni 2022Borussia Mönchengladbach

Borussia Mönchengladbach: Warum Daniel Farke keine B-Lösung ist

Wenn man nun eine erste Zwischenbilanz zieht, hätte man da die Kritik von Arjuna, den schwache Punktedurchschnitt und das Lob von Guardiola. Als Außenstehender aber auch als sportlicher Verantwortlicher eines Bundesliga-Klubs ist man da geneigt, eher Guardiola zu folgen, wobei Roland Virkus sicherlich kein Pressestatement des Katalanen benötigte, um von Daniel Farke als neuer Cheftrainer Borussia Mönchengladbachs überzeugt zu sein.

Der 45 Jahre alte Fußball-Lehrer ist in der Szene bekannt. Man kann, ob des immensen Unterschieds in der Kaderqualität, die geringe Punkteausbeute Farkes in der Premier League genauso gut einschätzen wie den Ansatz des Ostwestfalen, ein Fußballspiel anzugehen. Und genau das führte Virkus, der nun schon einige Zeit hatte, sich die Optionen anzusehen, zu Farke.

Dass er zunächst Lucien Favre holen wollte und lange am Schweizer geklammert hatte, hinterlässt natürlich ein Geschmäckle, das selbst auf der Pressekonferenz zur Vorstellung von Daniel Farke zu spüren war. Natürlich fragte man auch bei Farke nach, was er davon hält, dass er nicht die 1A-Lösung war.

"Diese Kategorien interessieren mich nicht. Es ist völlig selbstverständlich, dass sich Borussia Mönchengladbach mit Lucien Favre beschäftigt. Er hat hier eine außergewöhnliche Arbeit abgeliefert und ist ein hervorragender Trainer. Er hat Mannschaft, Spieler und Werte entwickelt." Er wäre als Gladbach-Fan "enttäuscht", so Farke, wenn sich sein Verein mit Favre nicht beschäftigt hätte.

Verewigt in Norwich: Daniel Farke auf der Wand einer Kneipe in der Stadt.
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Verewigt in Norwich: Daniel Farke auf der Wand einer Kneipe in der Stadt.

Borussia Mönchengladbach: Mit Daniel Farke kommt der alte Stil zurück

Nicht enttäuscht darüber wird er sein, dass das Comeback des Schweizers zur Borussia nicht geklappt hat. Nun bekommt er seine erstmalige Chance in der Bundesliga. Aus Gladbacher Sicht mag es so sein, als wäre es eine weitere Episode eines Fußballklubs, dessen sportliche Führung kein glückliches Bild abgibt. Aber dass man statt Favre nun Farke holte, hat durchaus Hand und Fuß.

Beide Trainer ähneln in ihrem Ansatz, das Spiel anzugehen. Favre ist seit jeher obsessiv, was gepflegten Offensivfußball angeht, auch wenn es Phasen in seiner Karriere gab, in denen er die Balance verlor. Aber damit hatte er fast überall Erfolg und er verfolgte seinen Weg, auch wenn es vielleicht in jenem Augenblick gar nicht Sinn machte, weil Gegner und Wettbewerb etwas anderes einforderten. Aber Favre blieb sich bis ins Verderben treu.

So gesehen gilt das auch für Farke, der in Norwich zweimal mit einem Feuerwerk aufgestiegen war, aber einmal abstieg und einmal gehen musste, bevor es wieder so weit kam, weil er in der Premier League seinem Spielstil treu blieb. Aber Farke ist ein Mann mit Prinzipien. Nicht nur, was seine taktische Vorgehensweise angeht.

"Ich werde nur ein Projekt übernehmen, von dem ich zu 100 Prozent überzeugt bin. Und bei dem ich das Gefühl habe, dass die Vorstellungen des Klubs und meine absolut übereinstimmen", sagte Farke vor gar nicht allzu langer Zeit. Nach seinem Aus in Norwich im November 2021 hatte er genug Gelegenheiten, sofort wieder einzusteigen.

Daniel Farke sagte in der Türkei ab

Nach Informationen von SPOX und GOAL waren die türkischen Spitzenklubs Fenerbahce und Besiktas an Farke interessiert und auch wenn es zu Gesprächen kam, konnten sie in unterschiedlichen Zeiten den Deutschen von ihrem sportlichen Konzept nicht überzeugen. Als ein Verantwortlicher der beiden Klubs von Farke gefragt wurde, was man von ihm erwarten würde und er "Die Meisterschaft" als Antwort bekam, war das für Farke offenbar das Kriterium, nicht weiter zu sondieren.

Dass man große Ziele verfolgt, ist klar. Doch mit welchen Mitteln und welcher Vorgehensweise, das sollte im Vorfeld schon abgesteckt werden. Beim FK Krasnodar, wohin ihn es Anfang des Jahres zog, wurde ihm da schon ein konkreter Plan aufgezeigt, aber nach der Invasion Russlands in der Ukraine war das Engagement beendet, bevor es überhaupt begann.

Seither gibt es um Farke immer wieder neue Gerüchte. Dass es dann am Ende Gladbach wurde, kam überraschend. Nicht nur wegen des großen Interesses an Favre, sondern auch aufgrund der Umstände, die er in Gladbach vorfindet. Die Borussia ist sicher kein Scherbenhaufen, aber seitdem abrupten Weggang von Max Eberl im Januar sind die Baustellen größer als gedacht.

Jahrelang ruhte sich der Klub im Schatten von Eberl aus, hinterfragte keine Entscheidungen und als Eberl weg war, entstand ein riesiges Vakuum. Den Fußball, den Favre einst spielen ließ, war stilbildend und den Annalen des Klubs gerecht. Dieter Hecking versuchte das als Nachfolger mit seinen Methoden zu adaptieren.

Borussia Mönchengladbach: Max Eberls Plan ging nicht auf

Doch dann wollte Eberl was Neues probieren. Er sah, dass sich der Spielstil in Europa verändert. Er sah, was im RB-Imperium gut lief und wollte das auch in Gladbach. Erst kam Marco Rose aus dieser Schule, dann Adi Hütter. Was bei Rose - bis zum Bruch wegen der BVB-Thematik - gut lief, war bei Hütter gar nicht mehr zu sehen. Gladbach spielte einen Fußball, der nicht zum Verein passte, nicht gut.

"Wenn man 61 Gegentore kassiert, ist das normalerweise abstiegsreif", sagte Virkus auf der Mitgliederversammlung zuletzt. "Wir brauchen wieder defensive Stabilität - und genauso Stabilität, was die physischen Daten angeht." Gegenüber den Mitgliedern erklärte er, dass Borussia Mönchengladbach in der vergangenen Saison die Mannschaft mit dem zweitniedrigsten Laufpensum war. "Daran gilt es zu arbeiten in der neuen Saison."

Zwar lässt sich defensive Stabilität auch mit Offensivfußball bewerkstelligen, von daher ist Farke schon wohl die richtige Wahl, aber die Frage ist nur, ob die Verpflichtung zu spät kommt. Dass Eberl mit seiner Einschätzung, einen neuen Stil in Gladbach zu installieren, gescheitert ist, kann passieren, kann aber mit einer einfachen Rolle rückwärts nicht einfach wieder geradegebogen werden.

Denn Gladbach hat viele Baustellen im Kader. Dass man den Umbruch irgendwann verpasste, weil die Pandemie und die ausbleibenden Verkäufe dem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung gemacht haben, liegen auf der Hand. Nun hat Gladbach auch den einen oder anderen unzufriedenen Spieler. Farke muss es schaffen, den Kader auf seine Seite zu bekommen und dabei mithelfen, den Umbruch jetzt zu machen.

Gute alte Zeiten bei Borussia Mönchengladbach: mit Lucien Favre (l.) und Max Eberl
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Gute alte Zeiten bei Borussia Mönchengladbach: mit Lucien Favre (l.) und Max Eberl

Gladbach: Kann Farke die Fohlen auf ein neues Level hieven?

Aus den Aussagen des Ostwestfalen ist durchaus zu hören, dass er eine gewisse Investitionskraft in Gladbach erwartet. Allerdings wirkt die Pandemie immer noch nach. Inwiefern das also klappt, wird man in den nächsten Wochen sehen. Farke wird dafür sorgen müssen, dass es schnell vorangeht, auch um den eigenen Ambitionen gerecht zu werden.

"Ich mag es, wenn ich einen Klub auf ein höheres Niveau bringen kann. Also zum Beispiel: aus einem Mittelklasseverein ein Team zu formen, das in Europa spielen kann", sagte Farke in einem Interview: "Oder ein Europa-League-Team in ein Champions-League-Team zu verwandeln. Der nächste Schritt, das nächste Level und Siegermentalität in eine Mannschaft, in einen Verein tragen: Das ist es, was mich reizt."

Helfen ihm die Gladbacher dabei, kann Farke dem Klub tatsächlich helfen, wieder an alte Zeiten zu knüpfen. Zumindest an Zeiten unter Favre, in denen man schönen Fußball und auch bei Rückschlägen wusste, dass es sich lohnt, nächste Woche wieder ins Stadion zu gehen. Und vielleicht schaut ja dann auch Arjuna mal vorbei.

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