Fußball-Kolumne - Hasan Salihamidzics Rolle beim FC Bayern: Geldverbrenner oder Stratege?

Hasan Salihamidzic (l.) und Uli Hoeneß bei der JHV der Bayern Ende November 2021.
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Hasan Salihamidzic ist nicht nur bei Fans und Öffentlichkeit, sondern auch in Teilen des FC Bayern umstritten. Die einen halten dem Sportchef fehlende Kompetenz vor, die anderen loben ihn für seine Arbeit. Die Fußball-Kolumne.

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Der Verlust von Niklas Süle hat die nach den sportlichen Erfolgen recht gute Stimmung beim FC Bayern in dieser Woche ordentlich verhagelt. "Natürlich schmerzt der Abgang", gab Oliver Kahn bei einer Presserunde zu. "Er gehört zu den besten Innenverteidigern, die es im Moment gibt."

Von einer "Ohrfeige für die Bosse", sprach sogar Sport1 angesichts der Tatsache, dass nach David Alaba und Jerome Boateng in Süle bereits der dritte ablösefreie Innenverteidiger binnen eines Jahres die Münchner verlässt. Insgesamt ein Verlust dreier Nationalspieler mit einem Marktwert im Bereich von rund 100 Millionen Euro ohne Gegenwert.

Hasan Salihamidzic: Fehleinkäufe Cuisance, Arp, Sarr

Entsprechend schnell geriet der zuständige Sportvorstand Hasan "Brazzo" Salihamidzic in den Fokus seiner zahlreichen Kritiker, die ihm auch mehrere teure Fehleinkäufe vorwerfen wie Michael Cuisance (acht Millionen Euro Ablöse), Fiete Arp (drei Millionen Euro Ablöse und angeblich fünf Millionen Euro Jahresgehalt) und vor allem Bouna Sarr (neun Millionen Euro Ablöse). So erklärt sich Salihamidzics negative Transferbilanz von minus 140 Millionen Euro.

Insgesamt gaben die Bayern unter seiner Ägide rund 320 Millionen Euro für 23 neue Spieler aus und kassierten ca. 180 Millionen für Abgänge.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die angeblich zu geringe Präsenz beim und fehlendes Interesse am Nachwuchs im Bayern-Campus. Als aktuelles Beispiel dafür wird die Tatsache genannt, dass der Klub noch immer nicht mit Megatalent Paul Wanner (16) verlängert hat, dessen Ausbildungsvertrag im Sommer endet.

Darüber hinaus werden dem Ex-Profi seit seiner Amtsübernahme als Sportdirektor 2017 immer wieder seine rhetorischen Schwächen, sein teils hölzernes Auftreten in der Öffentlichkeit und seine angeblich oft aufbrausende Art negativ angerechnet. Viele der Vorhaltungen, so ist zu hören, empfinde Salihamidzic als ungerecht und vor allem undifferenziert.

Hasan Salihamidzic: Rückendeckung durch Uli Hoeneß

Ebenso hartnäckig hält sich nicht nur in den Medien, sondern auch in Teilen des Vereins der Vorwurf, Salihamidzic halte sich nur wegen der Rückendeckung durch Uli Hoeneß im Vorstand.

Der Ex-Präsident hat sich in der Tat immer wieder vor seinen einstigen Spieler gestellt und den 45-Jährigen in den höchsten Tönen gelobt.

"Er ist ein Volltreffer", sagte Hoeneß, der offenbar ein Urvertrauen in seinen Schützling besitzt: "Wenn ich mich am Berg nach hinten fallen lassen würde, und Hasan stünde hinter mir, wüsste ich, dass er mich auffängt."

Uli Hoeneß: Entscheidende Unterstützung im Machtkampf

So hatte Hoeneß vor rund einem Jahr auch einen entscheidenden Anteil am Ausgang des Machtkampfs zwischen Salihamidzic und dem damaligen Trainer.

"Er wusste mich immer an seiner Seite, besonders im Konflikt mit Hansi Flick. Da wollten ihn auch im Verein einige Leute loswerden", sagte Hoeneß der Zeit. Am Ende musste der Erfolgscoach ungeachtet aller öffentlichen Unterstützung gehen, der Sportchef blieb.

Allerdings hat sich der stellvertretende Bayern-Aufsichtratsboss vor einigen Monaten erstmals öffentlich unzufrieden mit Salihamidzics Arbeit gezeigt. "So viele Aktivitäten im August, das finde ich nicht gut. Weil das ist meistens teuer", sagte Hoeneß im Podcast 11Leben. "Ich bin nie in den Urlaub gefahren, wenn nicht alle Transfers gemacht waren. Das haben wir dem Hasan auch schon gesagt."

Hasan Salihamidzic
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Hasan Salihamidzic

Oliver Kahn: "Hasan noch eine lange Zeit beim FC Bayern"

Doch nach dem Süle-Abschied waren solche oder ähnliche Aussagen aus der Bayern-Führung nicht zu vernehmen, im Gegenteil. "Ich arbeite schon eine lange Zeit mit ihm zusammen, über zwei Jahre. Es macht unheimlich Spaß", sagte Kahn bei seiner Presserunde.

"Wenn man sich den Kader heute anschaut, wie viel Erfolg die Mannschaft in den letzten Jahren in seiner Ägide gehabt hat, spricht das alles für Hasan. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Hasan noch eine lange Zeit beim FC Bayern bleiben wird."

Schon vor einer Woche hatte die Sportbild berichtet, dass man in der Vereinsspitze sehr zufrieden mit Salihamidzics Arbeit und daher die Verlängerung des 2023 auslaufenden Vertrags nur Formsache sei. Und diese Woche titelte das Blatt: "Mehr Transfermacht für Brazzo". Demnach darf der Sportvorstand künftig in einem bestimmten finanziellen Rahmen eigenverantwortlich über Neuzugänge entscheiden.

Hasan Salihamidzic: Unterstützung durch Neppe und Gerlinger

Das Risiko hält man in der Führung für überschaubar, da Salihamidzic zum einen im sportlichen Bereich vom Technischen Direktor Marco Neppe und im wirtschaftlich-organisatorischen Bereich vom zum Vice President Sports Business and Competitions beförderten Michael Gerlinger unterstützt wird.

Zudem hat der gebürtige Bosnier bekanntlich auch einige Erfolge auf dem Transfermarkt zu verzeichnen, besonders Alphonso Davies und Jamal Musiala oder der ablösefrei verpflichtete Leon Goretzka.

Zudem gehen nicht alle Fehleinkäufe allein auf Salihamidzics Kappe, gerade der immer wieder als Flop genannte Sarr wurde auf expliziten Wunsch von Hansi Flick geholt.

Hasan Salihamidzic: Lob von Spielern und Beratern

Ohnehin zeichnen Spieler und ihre Berater im Gespräch ein ganz anderes Bild von Salihamidzic als dessen Kritiker. "Er hat sicher Schwächen im öffentlichen Auftritt, aber im persönlichen Gespräch ist er sehr gewinnend. Er hat Feuer und Herzblut, ist fleißig und verlässlich", sagt ein renommierter Agent: "Er macht einen guten Job."

Und ein anderer lobt: "Er ist herzlich und hat einen guten Instinkt. Zudem achtet er sehr auf die Kader-Hygiene und eine ausgewogene Mischung zwischen jung und alt."

Die größte Herausforderung ist dabei, mit den Oligarchen- und Scheich-Klubs, für die Geld nach wie vor keine Rolle spielt, angesichts knapper Kassen weiterhin mitzuhalten. Beim deutschen Rekordmeister hingegen haben die Millionenverluste durch die Corona-Auswirkungen ein großes Loch hinterlassen.

"FC Bayern wie ein Tourenwagen in der Formel 1"

"Der FC Bayern ist wie ein Tourenwagen, der in der Formel 1 mitfährt", sagt ein Experte über den unfairen Wettbewerb mit Vereinen wie Paris St. Germain oder Manchester City, und lobt das Duo Salihamidzic/Neppe. "Angesichts der schweren finanziellen Rahmenbedingungen machen sie es verdammt gut."

Deshalb entschied man sich im Klub auch, bei Süle nicht über die angebotenen zehn Millionen Euro Jahresgehalt zu gehen, auch wenn Nagelsmann seinen einstigen Hoffenheimer Zögling gerne behalten hätte.

Zum einen, weil der 26-Jährige ungeachtet seiner fußballerischen Qualitäten immer wieder Verletzungsprobleme hatte und öfter wegen seiner unsportlichen Lebensweise negativ aufgefallen sein soll. So ist aus Spielerkreisen zu hören, dass Süle nicht nur einmal mit deutlichem Übergewicht aus einer Spielpause zurückgekehrt sein soll - was der Verteidiger allerdings immer zurückgewiesen hat ("Irgendein Schwätzer hat das gestreut").

FC Bayern: Drei Kandidaten auf Nachfolge von Niklas Süle

Andererseits sind Salihamidzic und Neppe der Meinung, dass der Spielertyp Süle auch angesichts der restlichen Qualität in der Defensive auf dem Markt adäquat ersetzt werden kann. Zumal die Topkandidaten Andreas Christensen, Antonio Rüdiger und Matthias Ginter allesamt im Sommer ablösefrei zu haben sind.

Dagegen fiel die Bewertung bei den zuletzt verlängerten Verträgen mit Kingsley Coman, Jamal Musiala und Joshua Kimmich anders aus. Hier kamen die Verantwortlichen zu dem Urteil, dass die deutlich erhöhten Gehälter Sinn ergeben, weil alle Akteure jung sind und in ihren verschiedenen Rollen einen entscheidenden Unterschied für das Bayern-Spiel machen können.

Aus den gleichen Gründen soll Salihamidzic daher zeitnah mit dem Führungs-Trio Manuel Neuer, Robert Lewandowski und Thomas Müller sowie "Role Player" Serge Gnabry verlängern - auch wenn eine Einigung aufgrund der erschwerten Rahmenbedingungen keineswegs ein Selbstläufer ist.

Angesichts der insgesamt sehr stark gestiegenen Gehälter einiger Leistungsträger werden zähe Verhandlungen mit den Alphatieren erwartet.

"Brazzo muss aufpassen, dass er nicht zum Spielball der Berater wird, denn Pini Zahavi oder Thomas Kroth sind mit allen Wassern gewaschen", sagt ein Insider, der daher glaubt: "Der Transfersommer der Bayern wird wesentlich entscheiden, ob Salihamidzics Vertrag tatsächlich verlängert wird. Er hat weiter den Rückhalt von Hoeneß, aber er wird genau beobachtet."

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