Zu viel Kult, zu wenig Führung: Was zur Ausbootung von Sascha Mölders bei 1860 geführt haben soll

1860-Stürmer Sascha Mölders wurde suspendiert.
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"Warum muss man bei 1860 München immer einen Schuldigen suchen?", fragte Klub-Präsident Robert Reisinger nach dem 2:5 der Löwen gegen den 1. FC Magdeburg am Samstag. Zwei Tage später strich der Verein auf Wunsch von Trainer Michael Köllner Kapitän und Publikumsliebling Sascha Mölders aus dem Kader - eine "Suspendierung" soll es aber nicht gewesen sein. Es ist nicht das erste Mal, dass der Trainer in der Krise so reagiert.

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Bereits während seiner Zeit beim 1. FC Nürnberg strich Michael Köllner im Dezember 2018 seinen Kapitän Hanno Behrens überraschend aus dem Kader. Der Club, der in der Vorsaison überraschend aufgestiegen war, war damals auf einen Abstiegsplatz gerutscht.

Behrens, in der Aufstiegssaison von Köllner selbst zum Kapitän gemacht, hatte zuvor zwei Spiele verletzt gefehlt. Nach der Winterpause gehörte der heutige Spieler von Hansa Rostock aber wieder zur Stammelf des Clubs und blieb auch nach dem Abstieg in Nürnberg. Behrens legt Wert auf die Feststellung, er sei damals nicht suspendiert worden. Köllner erlebte damals den Abstieg nicht mehr. Er wurde im Februar 2019 entlassen und heuerte im November bei 1860 München an.

Auch Mölders ließen die Löwen in der Mitteilung über die Suspendierung grundsätzlich eine Hintertür für eine Rückkehr in die Mannschaft offen - der Torschützenkönig der vergangenen Drittligasaison nehme demnach "bis auf Weiteres" nicht am Mannschaftstraining teil. Mölders reagierte auf Instagram "schockiert".

Am Dienstag bemühte sich Löwen-Geschäftsführer Günther Gorenzel dann darum, die Wogen zu glätten: "Es hat nie eine Suspendierung von Sascha Mölders gegeben und eine Suspendierung von Sascha Mölders stand auch nie im Raum." Aus Leistungsgründen habe Köllner seinen Stürmer aus dem Kader gestrichen und ihm einen individuellen Trainingsplan vorgeschlagen, um wieder in Schwung zu kommen.

Mölders mit zahlreichen Nebenaktivitäten

Dem Vernehmen nach soll die überraschende Ausbootung auch eine pädagogische Komponente haben für den 36-Jährigen, offenbar erhoffen sich die Verantwortlichen des Tabellenzweiten durch die Maximalstrafe Rückbesinnung aufs Wesentliche und die Bereitschaft, an sich zu arbeiten.

Obwohl die Zahlen des 36-Jährigen grundsätzlich in Ordnung sind - Mölders erzielte in dieser Saison fünf Tore und sechs Assists - kann die selbsternannte "Wampe von Giesing" gewisse Fitnessdefizite nicht mehr in jedem Spiel durch seine Erfahrung und seinen Torriecher kompensieren.

Zudem soll es auch innerhalb der Mannschaft nicht sonderlich gut angekommen sein, dass ihr Kapitän, der in der Kabine außerdem bisweilen ein recht robustes Regiment führen soll, zuletzt zweimal nicht die Elfmeter für das Team schießen wollte.

Auch könnten Mölders seine zahlreichen Nebentätigkeiten zum Verhängnis geworden sein. Der 36-Jährige trainiert in seiner Freizeit unter anderem die zweite Mannschaft des bayerischen Landesligisten SV Mering, betreibt seinen eigenen Internet-Fanshop, tritt seit Mai als Experte bei DAZN auf und beobachtet in seiner Kicker-Kolumne den internationalen Fußball.

Würde es bei 1860 sportlich rund laufen, wären dies alles Dinge, auf die man als Klub stolz verweisen könnte oder über die man, wie im Fall von Mölders' Ernährungsgewohnheiten, schmunzeln könnte.

Mölders: 82 Tore für 1860 München

"Als ich hier ankam, war er 35 Jahre alt. Was soll ich ihn also noch davon überzeugen, dass Weißbier und Wurstsemmel nach dem Spiel nicht das Sinnvollste sind oder ihn gar davon abhalten? Er kommt mit dieser Art der Lebensführung gut zurecht und am Ende geht es mir vor allem um seine Leistung", sagte Köllner im Sommer im Interview mit SPOX und GOAL.

Sobald die Leistungen aber nicht mehr immer stimmen und es auch sonst nicht läuft, scheint der Grat zwischen Kult und Belastung für eine Mannschaft schmal zu sein. Die Löwen haben sich nun die Reissleine gezogen. Ob vorterst oder nicht, wird sich zeigen. Die Widersprüchlichkeit zwischen der sehr nachrichtlichen Verkündung der Ausbootung am Montag, Mölders' Interpretation seines Gesprächs mit den Verantwortlichen und Gorenzels Präzisierung verwundern nur, wem der 1860-eigene Irrsinn unbekannt ist.

Mölders spielt seit 2016 für den TSV 1860 München, bei den Fans wurde er zum Liebling, als er nach dem Zwangsabstieg der Löwen aus der zweiten in die Regionalliga blieb. Er erzielte in 212 Profispielen 82 Tore (54 Assists) für 1860.