VfB Stuttgart spielt mal wieder Game of Cannstatt: Fragen und Antworten zum Machtkampf zwischen Hitzlsperger und Vogt

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© getty

Vorstandschef Thomas Hitzlsperger will Präsident des VfB Stuttgart werden, obwohl er das laut Satzung womöglich gar nicht darf. Präsident Claus Vogt will einen Datenskandal aufdecken und beschäftigt eine teure und umstrittene Agentur. Treibt der Machtkampf im Ländle nur wieder mal die absurdesten Blüten oder entscheidet sich in Stuttgart sogar, wem der Fußball gehört - SPOX und Goal versuchen, ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen.

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Die entscheidenden Fragen kann (oder will) einem auch bald eine Woche - und einem sorgsam inszenierten Scheinfrieden samt gemeinsamem Tribünenbild und beschwichtigenden Tweets später - rund um den VfB Stuttgart niemand erklären:

  • Warum bewarb sich Vorstandschef Thomas Hitzlsperger um das Amt des Präsidenten des Vereins?
  • Warum um alles in der Welt begründete er diesen selbst für Profifußballverhältnisse absurd anmutenden Griff nach der absoluten Macht mit einem vierseitigen Brief, der einer verbalen Hinrichtung des amtierenden Präsidenten Claus Vogt gleichkam?
  • Und warum setzt der bis dahin allseits beliebte Meisterheld von 2007 nicht nur seinen guten Ruf, sondern womöglich auch eine Funktionärskarriere aufs Spiel?

SPOX und Goal versuchen das Geschehen beim VfB trotzdem einzuordnen.

VfB: Darf Hitzlsperger überhaupt Präsident werden?

Womöglich darf der dafür zuständige Vereinsbeirat Hitzlspergers Kandidatur zu der für März geplanten Wahl gar nicht zulassen. Ganz unabhängig davon, dass das natürliche Ausschlusskriterium für die Personalunion, dass sich der Vorstandsvorsitzende Hitzlsperger dann nämlich vom Präsidenten Hitzlsperger kontrollieren lassen würde, allenfalls mit maximal gedehnten juristischen Winkelzügen aus dem Weg geräumt werden könnte.

Wer Präsident des VfB Stuttgart werden möchte, muss laut §16, Satz 3 bcc der Vereinssatzung "über eine mindestens zehnjährige Erfahrung in wirtschaftlichen Angelegenheiten in einer hohen Managementposition oder in einer vergleichbaren Führungsposition und/oder im aktiven Leistungssport" verfügen. Hitzlsperger kann zwar auf eine zwölfjährige Karriere als Profifußballer zurückblicken, der Meisterheld von 2007 ist aber erst seit 2016 als Funktionär beim VfB aktiv (seit 2019 im Vorstand).

Dabei sorgt vor allem die "und/oder"-Formulierung im Satzungstext für Diskussionen. Der Satz könnte womöglich auch so gelesen werden, dass das "und/oder" das Wort "wirtschaftlichen" im ersten Teil des Satzes durch "aktiven Leistungssport" ersetzen würde und daher nicht die "Führungsposition" maßgeblich wäre. Klar scheint angesichts der aufgeheizten Atmosphäre: Sollte Hitzlsperger nominiert werden, dürften sich Gerichte mit den schwammigen Formulierungskünsten der schwäbischen Satzungsschreiber beschäftigen.

 

VfB: Wieso tritt Hitzlsperger trotzdem an?

Seriös beantworten kann diese Frage natürlich nur Hitzlsperger selbst. In seinem Brief begründet er die Bürgerkriegserklärung vor allem mit der angeblichen vollumfänglichen Inkompetenz und Profilierungssucht Vogts und seiner Sorge um "die Existenz des ganzen Vereins". Drunter macht er es nicht.

VfB: Wieso tritt Hitzlsperger wirklich trotzdem an?

Seriös beantworten kann diese Frage natürlich nur Hitzlsperger selbst. Vogt verweist in seiner im Ton etwas milderen, in der Sache aber nicht weniger scharfen ebenso vierseitigen Replik auf den Datenskandal, an dem hochrangige Klub-Mitarbeiter beteiligt sein sollen und der die Mitglieder des VfB seit September außer Atem hält.

Die Aufklärung der Affäre habe er "im Namen von 72.500 Mitgliedern zur Chefsache erklärt". Dazu gehörte etwa, dass Vogt das Berliner Beratungsunternehmen Esecon mit der Aufklärung beauftragte. Zusätzlich ermittelt der Landesdatenschutzbeauftragte von Baden-Württemberg.

Hitzlsperger hätte die Angelegenheit dem Vernehmen nach lieber intern geklärt und verweist in seinem Brief unter anderem auf die hohen Kosten der externen Agentur, die vom DFB etwa im Zuge der schleppenden Aufarbeitung des Sommermärchen-Skandals mit einer Generalinventur beauftragt wurde. Laut Vogt seien die Kosten aber größtenteils durch eine Versicherung gedeckt.

So oder so: Sehr weit sollen die Esecon-Ermittler bisher nicht gekommen sein. Die von ihnen befragten Funktionäre und Klub-Mitarbeiter sollen größtenteils eine Mauer des Schweigens gebildet haben. 400.000 Euro soll die schleppend verlaufende Aufklärung dem VfB bisher gekostet haben. "Man kann zu dem Eindruck kommen, dass es im und um den VfB Menschen/Personen gibt, die diese Aufklärung nicht wollen. Warum? Das überlasse ich Ihrer Einschätzung", schreibt Vogt.

Ein Duktus, der auch in Städten, die nicht als Hochburgen von Verschwörungstheoretikern gelten, wilde Spekulationen auslösen würde.

VfB: Was hat es mit dem Datenskandal auf sich?

Der kicker deckte im September 2020 auf, dass zwischen März 2016 und Oktober 2018 211.000 Datensätze mit persönlichen Informationen von Mitgliedern von Mail-Accounts von VfB-Mitarbeitern an den PR-Unternehmer Andreas Schlittenhardt geschickt wurden.

Schlittenhardts damalige Agentur war vom VfB mit der PR- und Marketing-Kampagne zur umstrittenen Ausgliederung der Profifußballabteilung beauftragt worden und hatte unter anderem den Slogan "Ja zum Erfolg" erfunden.

Gleichzeitig soll es aber noch eine informellere Zusammenarbeit gegeben haben zwischen dem Klub und der von Schlittenhardt auf Facebook betriebenen Fanseite "Fokus VfB". Dem kicker liegt die Präsentation einer als "streng vertraulich" gekennzeichneten Kampagne mit dem Titel "Glaubwürdiges Guerilla-Marketing - Fokus VfB" vor.

"Dem derzeitigen Anschein nach" seien "die persönlichen Daten unserer Mitglieder unerlaubt weitergegeben und zu deren Täuschung und Beeinflussung genutzt" worden, schreibt Vogt.

Mails von hochrangigen VfB-Mitarbeitern an Schlittenhardt etwa mit der Betreffzeile "Abgleich Facebook-Nutzer" nähren den Verdacht der Wahlbeeinflussung durch illegal weitergegebene Social-Media-Nutzerdaten.

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