BVB-Geschäftsführer Carsten Cramer im Interview: "Bei adidas oder Audi würden wir kommunikativ unter ferner liefen stattfinden"

Von Niklas König
Gio Reyna wird wohl langfristig beim BVB bleiben.
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Um bei den Trikots zu bleiben: Das Design der neuen Shirts wurde im Vorfeld dieser Saison vor allem unter den Fans kontrovers diskutiert. Wie geht der Prozess genau vonstatten, der über die Optik eines neuen Trikots entscheidet?

Cramer: Der Ausrüster kommt mit Ideen auf uns zu, hat es mit uns aber nicht ganz so leicht. Wenn es von unserer Seite immer heißt, das Heimtrikot müsse gelb-schwarz und das Auswärtstrikot schwarz-gelb sein, ist der Gestaltungsspielraum nach inzwischen acht Jahren mit Puma eingeschränkt. Bei uns ist es in der Regel so, dass es alle zwei Jahre ein bisschen lauter und kreativer und dann wieder etwas ruhiger wird. Das führt dazu, dass jeder Geschmack in der Regel mindestens alle zwei Jahre bedient wird.

Auch Juve oder Barca haben in den vergangenen Jahren bei ihren Heimtrikots traditionelle Muster aufgebrochen und teilweise nicht mehr in klassisch längsgestreiften Shirts gespielt. Es gibt aber auch Vereine wie Real Madrid, Liverpool oder Chelsea, bei denen beim Heimtrikot fast gar nicht experimentiert wird. Warum hat sich der BVB für erstere Variante entschieden und inwiefern kann aus Marketingsicht auch negative Aufmerksamkeit helfen?

Cramer: Das Trikot ist genauso wie das Logo ein wichtiges Symbol für den Verein. Deshalb wollen wir unserer Herkunft treu bleiben und grundsätzlich in Schwarz und Gelb spielen. Man kann das bei der Trainingskleidung sicher auflockern und braucht auch ein Ausweichtrikot für den Fall, dass man im DFB-Pokal auswärts gegen Eintracht Braunschweig oder Alemannia Aachen spielt. Ansonsten haben wir so schöne Vereinsfarben in einer im Fußballgeschäft seltenen Farbkombination - da wären wir doof, wenn wir sie aufgeben.

Das Heimtrikot des BVB.
© imago images / Jürgen Fromme
Das Heimtrikot des BVB.

Cramer: "Wir spielen bei Puma eine größere Rolle"

Wenn man auf die Sponsoren beziehungsweise Partner von Borussia Dortmund in den jeweiligen Bereichen schaut, arbeitet der BVB nicht mit den bekanntesten und umsatzstärksten Konzernen zusammen. Ausrüster ist Puma, nicht adidas oder Nike, Trikotsponsor ist 1&1, nicht die Telekom oder Vodafone, Automobilpartner ist Opel, nicht VW, BMW oder Audi. Warum ist das so?

Cramer: Zunächst einmal sind wir über jeden der genannten Partner froh und freuen uns, dass sie sich mit Borussia Dortmund identifizieren. Wenn Sie eine archetypische Marktpositionierung zu Grunde legen, sind wir der Herausforderer. Die Marken, die Sie gerade genannt haben, sind alle keine Platzhalter, sondern Brands, die das Establishment herausfordern. Und: Wir sind eben auch Dortmund, kommen aus einer strukturschwachen Region, haben keine Konzerne in unserer Stadt, wie es in München, Frankfurt, Hamburg oder Berlin der Fall ist.

Muss es nicht dennoch das Ziel sein, nicht nur im sportlichen Bereich, sondern auch auf Ebene der Partner und Sponsoren ganz oben mitzumischen?

Cramer: Das wird der Sache nicht gerecht. Wir spielen doch eine viel größere Rolle bei Puma oder Opel, als es bei adidas, Nike, VW oder Audi der Fall wäre. Da wären wir einer von vielen Partnern und würden kommunikativ unter ferner liefen stattfinden. Jetzt sind wir bei Opel gemeinsam mit Jürgen Klopp eines der werblichen Aushängeschilder, bei Puma sind wir das mit Manchester City und der italienischen Nationalmannschaft. Damit ist sichergestellt, dass überall, wo es Puma-Klamotten gibt, auch ein BVB-Trikot hängt. Wären wir bei adidas, hängen da erstmal Trikots von Real Madrid, Manchester United, Bayern München und anderen Top-Klubs. Da wären wir im Zweifel das fünfte Rad am Wagen. Wir wollen uns weiterentwickeln und unsere Partnerschaften werthaltiger gestalten. Es geht aber nicht darum, unter einem Brandindex die nächsthöhere Stufe zu erzielen. Wir wissen, wo wir herkommen.

Cramer: "Die Umverteilungsdiskussion ist nicht zielführend"

Anderes Thema: Wie bewerten Sie die anhaltende Diskussion um eine mögliche Umverteilung der TV-Gelder?

Cramer: Wie ich zuvor in anderem Zusammenhang bereits betont habe, bin ein großer Verfechter des Leistungs- und Verursacherprinzips. Dementsprechend finde ich die Umverteilungsdiskussion nicht zielführend. Man muss das, was die Vereine individuell leisten, wertschätzen. Jeder Verein hat Möglichkeiten, sich selbst zu entwickeln. Ob der Meisterschaftskampf, der am Ende über die Attraktivität der Liga entscheidet, spannender wird, weil Borussia Dortmund fünf Millionen Euro weniger und Mainz 05 fünf Millionen Euro mehr bekommt, wage ich zu bezweifeln.

Wobei man die Gelder auch komplett antizyklisch verteilen könnte, damit die Schere zwischen Arm und Reich zumindest mittel- bis langfristig nicht immer weiter aufgeht.

Cramer: Dann sollten wir die amerikanischen Verhältnisse komplett adaptieren, den Transfermarkt entsprechend regulieren und eine geschlossene Gesellschaft ohne Auf- und Abstieg schaffen. Und dann können wir auch jede Saison Kniffel spielen und schauen, wie es ausgeht. Sie merken: Ich halte nichts davon, unsere Prinzipien komplett über den Haufen zu werfen - genau das wäre nämlich der Fall. Wir sind froh darüber, dass wir an vielen Stellen nicht vergleichbar mit dem amerikanischen Sportsystem sind. Sich dann nur eine Seite herauszupicken, ohne die andere zu betrachten, finde ich zu kurz gedacht.

Beim und rund um den BVB gab es speziell in den vergangenen Jahren angeregte Diskussionen über die Positionierung in der Titeldiskussion. Wie sieht Ihre Sicht der Dinge aus?

Cramer: Wir machen alles maximal ambitioniert. Es hilft aber keinem, öffentlich zu verkünden, dass wir Ziel X erreichen wollen. Das führt nur dazu, dass die Journalisten möglicherweise nach ein paar Spieltagen fragen, ob der Verein nicht sein Ziel revidieren müsse.

Abschließend zu Ihnen persönlich: Sebastian Kehl wird derzeit als Nachfolger von Michael Zorc aufgebaut, Sie wiederum sind seit März 2018 Geschäftsführer, während der Vertrag von Hans-Joachim Watzke ...

Cramer: Ich weiß schon, worauf Sie hinauswollen. Die Frage brauchen Sie gar nicht auszuformulieren, denn sie stellt sich nicht. Wir sind ein großartiges Team, arbeiten schon lange zusammen und schätzen uns ungemein. Ich hoffe, dass wir in der Konstellation noch lange zusammenarbeiten.

Anders gefragt: Könnten Sie sich vorstellen, langfristig noch mehr in der Gesamtverantwortung zu stehen, als es derzeit der Fall ist?

Cramer: Ich habe momentan einen tollen Job und im Hier und Jetzt so viel zu tun, dass ich mir über Überübermorgen keine Gedanken mache. Ich hoffe einfach, dass mein Umfeld und die Menschen, die Borussia Dortmund ausmachen, mit meiner Arbeit zufrieden sind. Dabei belasse ich es.