Kommentar zum Klassenerhalt von Werder Bremen: Bloß nicht als Bestätigung missverstehen

Werder Bremen hat sich den Klassenerhalt erst in der Relegation gesichert.
© imago images/gumzmedia

Mit Ach und Krach und jeder Menge fremder Hilfe hat sich Werder Bremen zum Klassenerhalt gewürgt. Dies sollte man in Bremen nun aber bloß nicht als Bestätigung für den eigenen Weg missverstehen. Ein Kommentar von SPOX-Redakteur Ole Frerks.

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Die Werder-Saison fand am Montag ein versöhnliches Ende. Der Nicht-Abstieg war nicht souverän und wurde nur bedingt aus eigener Kraft geschafft. Was am 34. Spieltag Union Berlin war, war an diesem Abend Unglücksrabe Norman Theuerkauf. Eine Menge Glück, Schützenhilfe und die allseits geliebte Auswärtstorregel waren maßgeblich für den Klassenerhalt.

Man sollte diesen Nicht-Abstieg also nicht als Bestätigung ansehen, dass man schon alles richtig gemacht hat, als man sich dazu entschied, die leitenden Figuren intern nie wirklich in Frage zu stellen. Vielmehr war diese überstandene Relegation ein Rettungsring, eine (letzte?) Chance, es vor der kommenden Saison besser zu machen.

Florian Kohfeldt hat bereits durchsickern lassen, dass er sich selbst noch davon überzeugen muss, die richtige Lösung für seinen Verein zu sein - das ist ein Anfang. Der Trainer ist aber weder die einzige noch die erste Person, die ihr Wirken hinterfragen muss. Eine Ebene höher, bei der sportlichen Leitung, gibt es noch mehr zu bemängeln.

Werder Bremen: Mangelhafte Kaderplanung

Immer wieder war zu hören, dass der Kader, der von Frank Baumann (Geschäftsführer Sport) und Clemens Fritz (Leiter Scouting-Abteilung) zusammengestellt wurde, ja nicht so schlecht sei, dass man da unten drinstehen müsste. Den Namen nach ist das wohl auch richtig. Das allerdings war eines der Hauptprobleme, gleichauf mit den Verletzungen, die Werder gerade zu Saisonbeginn heimsuchten.

Werder holte Spieler, die von ihren Vereinen nicht gebraucht wurden, aber Namen hatten, etwa Nuri Sahin, Ömer Toprak, Davie Selke oder Kevin Vogt - letzterer schlug aus dieser Reihe noch am ehesten ein, obwohl er in der Rückrunde gleich mehrere Tore (mit-)verschuldete. Die Kaderplanung war so unkreativ, dass man schon jetzt am ehesten auf eine Rückholaktion von Max Kruse hoffen kann, wenn es um echte Verstärkungen für die kommende Saison geht. Den kennt man schließlich.

Apropos Kruse. An dieser Personalie zeigt sich vor allem auch die fehlerhafte Analyse des Kaders: Gewisse Bedarfspositionen wurden einfach nicht erkannt oder ignoriert. Defensiv fehlte es an Länge und Schnelligkeit, ein Faktor bei der grotesken Anfälligkeit für Standard- beziehungsweise Kopfballgegentore. Im Mittelfeld fehlte Physis und Kreativität.

Vorne fehlte abgesehen von Niclas Füllkrug, einem über die letzten Jahre immer wieder verletzten Stürmer, ein Zielspieler, der wenigstens einen Teil der in der Vorsaison so wichtigen Kruse-Rolle hätte ausfüllen können. Dass dafür ausgerechnet Selke zurückgeholt wurde, zeigte, mit welchem Radar Werders sportliche Leitung operierte.

Der freie Fall kann weitergehen

Die Kaderplanung für die kommende Saison beginnt nun mit der Hypothek, dass man bisher ausgeliehene Spieler wie Toprak oder Leonardo Bittencourt (ein Lichtblick) fest verpflichten muss, Selke käme noch hinzu, wenn man auch in der kommenden Saison den Abstieg verhindert. Das erscheint momentan keineswegs sicher.

Werder muss zwingend erkennen, dass die Vereinstreue als Kriterium nicht reicht und dass es externe Hilfe bei jeder Analyse braucht. Das muss nicht bedeuten, dass alle Beteiligten ausgetauscht werden müssen wie bei anderen Vereinen. Aber die Beteiligten müssen zeigen, dass sie lernfähig sind und Hilfe annehmen.

Sonst ist der "Freefall", von dem Kohfeldt am Montagabend bei DAZN sprach, wahrscheinlich noch nicht vorbei.

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