Ex-Schalke- und Mainz-Manager Christian Heidel im Interview: "Der Schlaganfall hat mich noch stabiler gemacht"

Christian Heidel war zuletzt Manager beim FC Schalke 04.
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In den letzten Monaten hat sich Christian Heidel etwas zurückgezogen. Im Interview mit SPOX und Goal spricht Heidel über seine Anfänge bei Mainz 05, sein Ende bei Schalke 04, sein Verhältnis zu Schalke-Boss Clemens Tönnies, seinen Schlaganfall und den Trainer, der Jürgen Klopp die Augen öffnete.

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Mitten in seinem Sabbatical erlitt Christian Heidel, als Manager von Mainz 05 und Schalke 04 nie um einen Spruch verlegen, im Sommer 2019 einen Schlaganfall. Seitdem lernte Heidel das Joggen zu schätzen. Er rege sich nicht mehr so sehr auf, sagt er. Sollte er nicht wieder ins Fußballgeschäft zurückkehren, würde das nicht am Schlaganfall liegen.

"Heidel steckt auf Malle fest", war jüngst zu lesen. Herr Heidel, wie kam's?

Christian Heidel: Meine Lebensgefährtin und meine kleine Tochter leben hier. Als die Coronakrise auch bei uns in Europa langsam ernst wurde, war ich noch in Mainz. Aber ich ahnte, dass irgendwann alles dichtgemacht werden würde und wollte natürlich bei meiner Familie sein. Einen Tag, bevor der Flughafen auf Mallorca geschlossen worden ist, bin ich angereist. Jetzt warte ich eben ab.

Wieso Mallorca?

Heidel: Nachdem ich im Februar 2019 meinen Vertrag auf Schalke aufgelöst hatte, nahm ich mir vor, ein Jahr zu pausieren. Nach fast 30 Jahren ohne Unterbrechung im Fußballgeschäft, wollte ich mal wirklich eine Pause, um durchzuatmen. Gleichzeitig hatte ich schon länger die Idee, irgendwann einmal auf Mallorca zu leben. Und als die Überlegungen mit dem Sabbatical nun ernst wurden, haben wir uns entschieden, dass ich zwischen Mainz und Mallorca pendle und meine Lebensgefährtin und unsere kleine Tochter nach Mallorca ziehen. Wir wollten, dass die Kleine auf eine internationale Schule geht. Und die ist hier überragend: Meine Tochter ist sechs und spricht inzwischen Spanisch, Englisch und sogar ein paar Brocken Chinesisch. Jetzt, während der Coronakrise, bietet die Schule täglich von morgens 9 Uhr bis 16 Uhr virtuellen Unterricht an. Das funktioniert prima.

Sie hatten schon vor Ihrer Zeit auf Schalke gesagt, dass Sie sich irgendwann einmal ein Leben in Spanien vorstellen könnten. Nun, da Sie da sind: Bleiben Sie bei Ihrem Sabbatical-Vorhaben oder ziehen Sie Ihren Ruhestand vor?

Heidel: Nein, auf Ruhestand habe ich noch keine Lust. Ich hatte letzten Sommer gesundheitlich Pech, da macht man sich natürlich Gedanken über das Leben und die Konsequenzen daraus. Und das Ergebnis war, dass ich, wenn ich mich richtig erholt habe und sich das Richtige ergibt, auf jeden Fall arbeiten werde.

Christian Heidel: "Ich bin nicht aktiv auf Jobsuche"

Im Fußball?

Heidel: Möglich, aber nicht unbedingt. Ich kann mir grundsätzlich vieles vorstellen. Ich habe eine Ausbildung, habe studiert, war immer in der freien Wirtschaft tätig, bevor ich meine zwei Jobs im Fußball hatte. Grundsätzlich kann ich mir viele Funktionen im Fußball vorstellen, habe aber auch genug Fantasie, um mich auch in anderen Bereichen zu sehen. Ich lasse mir bis zum Sommer Zeit, bis das ganze Dilemma hier vorbei ist, um mir Gedanken zu machen und dann zu entscheiden. Natürlich hängt mein Herz noch immer am Fußball. Aber eines muss ich klar sagen: Ich bin nicht aktiv auf Jobsuche. Ich betreibe keine Eigenwerbung. Das Letzte, was ich in den letzten Monaten seit meinem Weggang auf Schalke wollte, war mich irgendwo ins Spiel zu bringen. Ich hätte in alle Talkshows gehen können, aber ich habe mich bewusst zurückgehalten, wollte nicht den Besserwisser geben und auch keine schlauen Kommentare zum aktuellen sportlichen Geschehen in der Bundesliga abgeben.

Mitten in Ihrem Sabbatical hatten Sie letzten Sommer im Türkeiurlaub einen Schlaganfall am Strand.

Heidel: Bei einem Spaziergang mit meiner Tochter, ja. Der Schlaganfall wurde durch Herzrhythmusstörungen verursacht, die ich nicht ernst genommen habe. Jetzt geht es mir besser als zuvor - ich bin fitter, mache Sport. Gott sei dank hatte der Schlaganfall keinerlei weitere Folgen oder Nachwirkungen.

Ihren Wechsel von Mainz nach Schalke hatten Sie 2016 auch damit begründet, dass zuvor drei Ihrer Freunde gestorben waren und Sie noch mal was Neues ausprobieren wollten. Und nun sowas ...

Heidel: Am Ende waren es sogar vier enge Freunde in einem halben Jahr. Die Entscheidung, vielleicht noch einmal etwas Neues zu machen, fiel tatsächlich bei einer Trauerfeier. Nach dem dritten Todesfall stand ich da und habe über mich selbst nachgedacht. Ich war 52 und sehr glücklich und zufrieden in Mainz. Aber ich habe dann für mich beschlossen, sollte eine interessante Anfrage kommen, darüber nachzudenken. Ich wollte mir nicht, wenn irgendwann einmal der Deckel zugehen würde, vorwerfen müssen, irgendetwas im Leben versäumt zu haben. Schalke war damals noch überhaupt kein Thema. Die Anfrage kam sechs Monate später.

Heidel über Schlaganfall: "Als ob ein Laster durch mein Hirn fahren würde"

Sie gingen zu Schalke, Sie verließen Schalke. Dann der Schlaganfall. Kam da der Gedanke "Jetzt trifft es also Dich"?

Heidel: Ja, ich hatte eine Riesenangst. Es ratterte und knirschte plötzlich ohne jede Vorwarnung in meinem Kopf. Ich hatte das Gefühl, als ob ein Laster durch mein Hirn fahren würde. Das unangenehmste Gefühl in meinem Leben, obwohl ich null Schmerzen hatte. Und ja, ich dachte: "Ok, das war es jetzt." Ich hatte aber das riesige Glück, in Belek in eine überragende Klinik mit einem super Professor zu kommen, der alles richtig machte und mich dann an meine Freunde in der Uni-Medizin in Mainz übergab. Es wurden sofort die richtigen Maßnahmen eingeleitet und mir ging es auch sehr bald wieder sehr gut. Viele, die mich im Krankenhaus in Mainz besuchten, waren überrascht, dass man mir eigentlich gar nichts anmerkte. Ich habe mich schnell erholt. Es ging mir so schnell wieder so gut, dass nicht mal klar war, ob ich überhaupt in eine Reha musste oder sollte, was ich aber unbedingt wollte. Ich habe mich dann quasi selbst eingewiesen.

Christian Heidel und Clemens Tönnies (re.): "Clemens Tönnies ist mein Freund."
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Christian Heidel und Clemens Tönnies (re.): "Clemens Tönnies ist mein Freund."

Wo haben Sie die Reha absolviert?

Heidel: Auf Mallorca, als einziger Nichtspanier in der Gruppe. Die anderen Patienten haben mich teilweise mit "Doctore" angesprochen, weil sie zu Beginn dachten, ich sei ein Arzt und würde in meiner Pause da auf dem Laufband ein bisschen trainieren. Ich hatte als einziger Patient keine Einschränkungen. Ich habe in der Reha auch auf einmal festgestellt, dass mir Joggen Spaß machen kann. Dafür habe ich 45 Jahre gebraucht.

Heidel: "Die Krankheit hat mich noch stabiler gemacht"

Was hat sich noch geändert?

Heidel: Ich bin ja eigentlich schon ein sehr impulsiver Mensch, aber seit dem Schlaganfall regen mich viele Dinge nicht mehr so auf wie zuvor. Ich glaube, man lernt das Leben und die Menschen, die einem wichtig sind, noch mehr zu schätzen. Die Erkrankung hat mich noch stabiler gemacht, auch wenn sich das merkwürdig anhört. Und ich habe schon auch ein anderes Bewusstsein bekommen, für wen ich da bin - ich war ja vorher nie da, war immer unterwegs, ständig auf Arbeit.

Hatten Sie sich eigentlich schon vor Ihrem Schlaganfall mit Schalkes Aufsichtsratschef Clemens Tönnies ausgesprochen?

Heidel: Ich habe seit meinem Weggang von Schalke einen sehr guten Kontakt mit Clemens Tönnies und hatte nie ein Problem mit ihm. Er hat mir im letzten Jahr sehr geholfen und war der erste Besucher im Krankenhaus. Clemens Tönnies ist mein Freund. Es ist alles in allerbester Ordnung.

Heidel: "Habe Schalke nicht im Stich gelassen"

Es wirkte aber schon etwas irritierend: Nachdem Sie Ihren Rücktritt bei Schalke eingereicht hatten, rief er Ihnen hinterher, Sie hätten den Verein und den Trainer im Stich gelassen. Das nächste, was man dann hörte, war, dass er nach Ihrem Schlaganfall seinen Privatjet in die Türkei geschickt hatte.

Heidel: Wenn man mit Schalke auf Platz 13 steht, ist es doch klar, dass man keine Lobeshymnen erwarten darf. Ich glaube zwar nicht, dass ich den Verein, die Mannschaft und den Trainer im Stich gelassen habe, aber ich habe auch andere Meinungen zu akzeptieren. Das ist für mich in Ordnung, sowas gehört zu unserem Geschäft. Schalke ist da sowieso nicht ganz einfach, es standen ein paar Monate später auch Wahlen zum Aufsichtsrat an und dann muss man sich auch kritische Worte gefallen lassen. Auch von einem Freund. Aber ich habe bei meinem Weggang auch gesagt, dass ich mich zunächst nicht äußern werde. Schalke war im Abstiegskampf und brauchte Ruhe. Nach Vizemeisterschaft, Champions-League-Qualifikation, Umsatz- und Gewinnrekorden haben wir leider aus unterschiedlichen Gründen eine sehr schlechte Saison gespielt.

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