Fußball-Kolumne - Gegen Rassismus und Verrohung: Stellung beziehen, Haltung bewahren!

Jordan Torunarigha wurde gegen den FC Schalke 04 rassistisch beleidigt.
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Rassismus, Homophobie und Fremdenfeindlichkeit bleiben nicht nur im Fußball ein großes Problem. Gut, dass Trainer, Spieler und Vereine klar Stellung beziehen - auch wenn noch immer zu wenig getan wird. Die Fußball-Kolumne.

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Zwei Dinge haben mich persönlich in dieser Woche sehr beschäftigt - und beschämt. Zum einen die Wahl des FDP-Politikers Kemmerich mit Hilfe der AfD zum Ministerpräsidenten von Thüringen, zum anderen die rassistischen Entgleisungen auf Schalke gegen Herthas Jordan Torunarigha.

Auch wenn man die Ereignisse nicht direkt auf eine Ebene setzen kann, so liefern beide Vorfälle gleichwohl ein erschreckendes Zeugnis über den Zustand unserer Gesellschaft, die eben auch in Thüringen aus den Ebenen der Landespolitik weit in den Sport hineinreicht. "Ich war und bin entsetzt, dass der Rassismus - egal ob in Thüringen oder auf Schalke - wieder Einzug in unsere Gesellschaft hält", meinte daher auch der frühere Schalke-Profi Hans Sarpei.

Zumal gerade die AfD sich schon mehrfach nicht zu schade war, mit den billigsten Vorurteilen Stimmung gegen Spieler mit Migrationshintergrund zu machen. Alexander Gaulands Behauptung, niemand wolle Jerome Boateng als Nachbar, ist nur die bekannteste von fast schon unzählbaren fremdenfeindlichen Entgleisungen aus seiner Partei. Wenn nun in Thüringen ein Ministerpräsident dank der vom Faschisten Björn Höcke geführten Landes-AfD an die Macht kommt, muss das jeden beunruhigen - ganz besonders aber alle Thüringer mit Migrationshintergrund, wie zum Beispiel die Oberhofer Bob-Olympiasiegerin Mariama Jamanka.

Deshalb ist es gut und richtig, dass führende Vertreter des Profisports nun Stellung beziehen statt sich hinter der schon immer falschen Behauptung "Sport ist unpolitisch" zu verstecken. "Wie erklären wir in Zukunft den Fans und unseren Kindern, dass Rassismus und Hass im Stadion ein No-Go sind, während sie in Teilen unseres Landes immer salonfähiger werden. Wie erklären wir den Fans des FC Carl Zeiss Jena, die entschieden gegen Nazis in den eigenen Reihen und antisemitische Schmierereien vorgehen, dass die Entscheider in ihrem Land Leuten wie Björn Höcke etwas schuldig sind?", fragte zum Beispiel Ex-Nationalspieler Benedikt Höwedes in seiner Kolumne auf t-online.

Auch Bremens Trainer Florian Kohfeldt stellte im NDR klar, er persönlich verurteile aufs Schärfste, dass so eine Konstellation überhaupt möglich gewesen sei - "mit einer Partei, die nicht die Werte unserer Gesellschaft widerspiegelt - die für Dinge steht, die wir eigentlich dachten, hinter uns gelassen zu haben".

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Bundesligisten unterstützen Initiativen gegen Fremdenfeindlichkeit

Dass aber Rassismus und Fremdenfeindlichkeit 75 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz in Deutschland eher zu- als abnehmen, machen viele Vorfälle der vergangenen Monate deutlich. Auch im Sport geschieht dies nicht mehr nur abseits des Rampenlichts, sondern immer häufiger auf großer Bühne. Wie etwa beim Länderspiel im März 2019 in Wolfsburg beim Länderspiel gegen Serbien mit den Pöbeleien gegen Ilkay Gündogan und Leroy Sane. Fast noch erschreckender war damals die Tatsache, dass den Wirrköpfen auf den Rängen von niemandem Einhalt geboten wurde.

Auch auf Schalke behaupteten viele Anwesende bis hin zu einem TV-Reporter, man habe von den rassistischen Beschimpfungen gegen Torunarigha nichts mitbekommen - als habe sich der gebürtige Chemnitzer und deutsche U21-Nationalspieler die Affenlaute ausgedacht.

Umso wichtiger ist das klare Zeichen des Vereins, der sich sofort beim Berliner Profi entschuldigte und alles daransetzt, die Übeltäter zu finden und mit Stadionverboten zu belegen "Da gibt es null Toleranz. Mir fehlt jegliches Verständnis für Vollidioten dieser Art", erklärte S04-Sportvorstand Jochen Schneider.

Erfreulicherweise legen die Bundesligisten seit einigen Jahren Wert auf eine eindeutige Positionierung und Haltung gegen jegliche Form von Vorurteilen. So unterstützt Borussia Dortmund, auch als Zeichen gegen die rechten Umtriebe in der eigenen Stadt, zahlreiche Initiativen gegen Fremdenfeindlichkeit und spendete unter anderem eine Million Euro für den Ausbau der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Der FC Bayern kassierte im Vorjahr einen Shitstorm in den sozialen Medien, weil die Allianz Arena zum Christopher Street Day in Regenbogen-Farben illuminiert wurde. Als Reaktion darauf bekräftigte Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge auf der Jahreshauptversammlung: "Wir stehen als weltoffener Verein für Toleranz und Vielfalt, gegen Homophobie und Ausgrenzung."

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DFB und DFL im Einklang mit Höwedes' Forderungen?

Und in Frankfurt betont Eintracht-Präsident Peter Fischer trotz massiver Anfeindungen immer wieder, dass AfD-Sympathisanten nicht gleichzeitig Mitglied im Verein sein können, weil die Ideologie der Höcke-Partei diametral den Werten der SGE entgegensteht. Allerdings hat Fischer vor einer Woche auf einem Sportbusiness-Kongress in Düsseldorf auch sehr deutlich gemacht, dass insgesamt nach wie vor zu wenig getan wird: "Was uns fehlt, ist die kollektive solidarische Durchschlagkraft des deutschen Fußballs. Wir schaffen es nicht, dass wir uns als Liga mit klarer Kante klar bekennen gegen die katastrophalen Veränderungen in der Gesellschaft."

Tatsächlich stellt sich die Frage, ob sich nach den Attacken gegen Torunarigha nicht noch viel mehr Persönlichkeiten hätten zu Wort melden müssen, um der anhaltenden Verrohung Einhalt zu gebieten. Man hätte schließlich gerne gewusst, ob auch DFB und DFL die gleiche Empfehlung wie der ehemalige Schalker Kapitän Höwedes ausgesprochen hätten:

"Fans, die neben dir Affenlaute machen, zur Rede stellen - und ja, auch mal ein Spiel komplett abbrechen, wenn Rufe von der Tribüne kommen. Nur so kann der Fußball seine Kraft nutzen, um in der Gesellschaft etwas zu bewegen. Wenn wir das nicht tun, verlieren wir. Kein Spiel, sondern unser Ansehen und unsere Glaubwürdigkeit."

Dem ist nichts hinzuzufügen.

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