PDC Darts-WM 2020: Der Dartsport träumt von Olympischen Spielen

Von Michael Siedenhans
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Die Darts-WM 2020, die am 13. Dezember startet, hat auch in Deutschland viele Fans. Warum ist das so? Wann wird Deutschland mal einen Superstar wie Michael van Gerwen haben?

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Betway Sport sprach mit Michael Sandner, Präsident des Deutschen Dart-Verbands, über die Entwicklung in Deutschland und den Traum von Olympischen Spielen.

Herr Sandner, an 13. Dezember 2020 startet die Darts-WM der PDC in London. Werden Sie sich das Turnier live vor Ort in England anschauen?

Nein, das ist für mich zeitlich nicht möglich. Ich verfolge aber natürlich die Übertragungen, schon früher als Jugendlicher, als noch in der Circus Tavern in Purfleet gespielt wurde. Aber live habe ich es tatsächlich noch nie zu diesem Event geschafft.

Was macht dieses Spektakel im Alexandra Palace für Sie so faszinierend?

Für mich ist es der Dartsport an sich, die Präzision, die mentale Stärke in knappen Spielen. Für viele ist es gerade um die Weihnachtszeit herum zum Kult geworden. Dort ist eine Stimmung entstanden, die ein wenig an den Ballermann auf Mallorca erinnert. So teilt sich die Reisegruppe in die Dartbegeisterten, das dartbegeisterte Partyvolk und das Partyvolk.

Ist Titelverteidiger Michael van Gerwen aus den Niederlanden wieder der große Favorit? Wer könnte das Turnier noch gewinnen?

Auch Michael van Gerwen ist jederzeit schlagbar, gerade in den ersten Runden eines Turniers. Umso länger die Spiele werden, umso besser kann er seine lange anhaltende Präzision und seinen Average ausspielen. Weiter in den Favoritenkreis gehören für mich immer noch Dart-Profis wie Gary Anderson aus Schottland oder der junge Nathan Aspinall aus England, aber auch mit Glen Durrant, Daryl Gurney oder Gerwyn Price ist zu rechnen.

Am Turnier nimmt auch der Deutsche Nico Kurz teil. Welche Chancen räumen Sie ihm ein?

Nico Kurz ist ein Top-Talent. Bleibt er ruhig, wird er sein erstes Spiel gegen James Wilson überstehen. Mit Konzentration, und wenn er sein bestes Spiel abrufen kann, kann er für Furore sorgen.

Die Darts-WM wird auch in Deutschland immer populärer. Woran liegt das?

Wie schon erwähnt, sehe ich mir das Spektakel bereits seit Jugendzeiten an. Der Sport ist einfach zu verstehen. 501 Punkte, 3 Pfeile, Zusammenrechnen und von der Punktzahl abziehen und am Ende ein Doppelfeld. Ohne Abseits, ohne Fußfehler oder sonstige schwer zu verstehenden Regeln.

Merken Sie das auch im Verband? Können Sie aufgrund der zunehmenden Popularität des Dartsports mehr Mitglieder und mehr Sponsoren in Deutschland gewinnen?

Zu Beginn der Saison 2019/2020 verzeichnen wir über 15 000 Spieleranmeldungen - ein Allzeitrekord im Deutschen Dart-Verband (DDV). Durch unsere Präsenz im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und in den ersten Bundesländern mit Dart als anerkannter Schulsportart, haben wir große Schritte unternommen, dass Dart auch in den Breitensportvereinen als Sparte angeboten wird. Die Popularität wird natürlich durch die TV-Übertragungen unterstützt. In dieser Zeit haben wir vermehrt Anfragen, wo die Leute auf Turniere fahren können oder wo sich der nächste Verein befindet. Mit Joska Bodenmais haben wir 2019 erstmals einen Trikotsponsor für unsere Nationalteams gewinnen können. Man kann schon sagen, dass die Breite von der Spitze profitiert.

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Nach der Darts-WM übertragen deutsche TV-Sender eigene Events wie die Promi-Dart-WM mit ehemaligen Profi-Fußballern oder TV-Köchen. Nutzt das dem deutschen Dartsport?

Sagen wir es so: Es schadet nicht! Es zeigt, dass Dart mitten in der Gesellschaft stattfindet. Der DDV hatte dem TV-Moderator Joko Winterscheidt angeboten, einen Schiedsrichterschein abzulegen. Leider hat das nie stattgefunden. Also lieber Joko, solltest Du dieses Interview lesen, melde Dich einfach.

Und wie profitiert davon die Dart-Bundesliga?

Die Bundesliga bietet Spitzensport und kann ein Sprungbrett für Spitzenspieler sein. Leider wird fast nie erwähnt, dass die deutschen Spieler, die im Ally Pally auf der Bühne stehen, allesamt in der Bundesliga des DDV gespielt haben oder noch spielen oder durch die Jugendarbeit des DDV gegangen sind. Max Hopp war Europameister mit dem DDV, Martin Schindler war viele Jahre in der DDV-Jugend und ist in der Bundesliga bei Vikings Berlin gemeldet, genau wie Gabriel Clemens beim DV Kaiserslautern. Der deutsche WM-Teilnehmer Nico Kurz ist mit dem DC Dartmoor Darmstadt aktueller Deutscher Mannschaftsmeister.

Das Dartspiel hat in Deutschland immer noch das Image eines Kneipensports. Wie kann dieser Eindruck verbessert bzw. verändert werden?

Der Sport ist nunmal aus der Kneipe gekommen, wie auch Billard. Die Bereiche der Trainerausbildung, die Anerkennung als Schulsportart oder auch die Mitgliedschaft im DOSB belegen die sportliche Entwicklung. Zu unseren Ranglistenturnieren kommen mehrere hundert Spieler. Da wird schon lange nicht mehr in der Kneipe, sondern in großen Sporthallen gespielt.

Und wie fördert der Verband die Entwicklung vom Hobby- zum Spitzenspieler, damit eines Tages auch ein Deutscher Weltmeister werden kann?

Zum Deutschen Dart-Verband gehören 13 Landesverbände, die allesamt Ranglistenturniere und Vereinsspiele veranstalten mit der DDV-Bundesliga als höchste Spielklasse. Dazu gibt es Pokalwettbewerbe und das German Masters. Außerdem bilden wir seit Jahrzehnten Nationalteams für Herren, Damen und Jugend, die internationale Turniere bestreiten. Seit letztem Jahr erhalten wir vom Deutschen Olympischen Sportbund erstmals finanzielle Unterstützung, um unseren Kaderathleten weitere Lehrgänge und Wettkämpfe zu ermöglichen. Das ist der organisatorische Rahmen. Letztlich liegt es aber in einer Einzelsportart auch immer an individuellem Talent, Trainingsfleiß, Disziplin und der Möglichkeit, sein Hobby zum Beruf zu machen. Wer Vollzeit arbeiten muss und nur nebenher seinen Sport betreiben kann, ist grundsätzlich im Nachteil gegenüber den etablierten Profis. Max Hopp ist diesen Weg gegangen, war Jugendweltmeister und ist erst 23 Jahre alt. Er hat das Potential.

Können Sie sich vorstellen, dass eines Tages der Dartsport in das Programm der Olympischen Spiele aufgenommen wird? Wäre das ein wichtiger Impuls, um als Breitensport anerkannt zu werden?

Ja, das ist für mich vorstellbar. Der Weltverband WDF arbeitet derzeit an der Anerkennung durch das IOC. Als Breitensport sind wir in Deutschland längst anerkannt. Wir sind seit 2010 Mitglied im Deutschen Olympischen Sportbund, sind Mitglied der Nichtolympischen Verbände (NOV) und ebenso in der Interessengemeinschaft Individualsportarten. Der nächste wichtige Schritt wäre für den Dartsport eine Einladung zu den World Games. Ich bin mir sicher, dass es für viele Dartspieler höchstmotivierend wäre, alle vier Jahre einen Olympischen Moment erleben zu dürfen.

Noch eine persönliche Frage zum Abschluss: Wann und warum hat Sie die Faszination des Dartsports gepackt?

Das ist bald 30 Jahre her. Begonnen hat es in einem kleinen Irish Pub in Garmisch-Partenkirchen. Dort warf ich meine ersten Pfeile und bekam von meinen Eltern zu Weihnachten mein erstes Dartset geschenkt. Dann habe ich trainiert und in vielen Teams in Bayern und Baden-Württemberg gespielt. Aktuell spiele ich beim TSV Glashütten.

Zur Person:

Michael Sandner ist Sportökonom und Sozialbetriebswirt und arbeitet als Heimleiter der Hoecke-Lauermann-Stiftung in Franken, die Menschen mit geistiger Behinderung betreut. Seit 2018 ist er Präsident des Deutschen Dart Verband e. V., dem anerkannten Sportfachverband für Dart im Deutschen Olympischen Sportbund.