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WM 2014


Gründer: Voegi | Mitglieder: 30 | Beiträge: 7
Von: Schnumbi
19.07.2014 | 8868 Aufrufe | 9 Kommentare | 11 Bewertungen Ø 5.1
Die Weltmeisterschaft hautnah
Ein Gespräch mit einem Groundhopper
Eindrücke eines Groundhoppers über Politik und Fußball bei der WM 2014

Heute habe ich schon zum zweiten mal das Vergnügen, das mich Uwe, seines Zeichen, selbstständiger IT-ler und bekennender Rot-Weiß-Erfurt Fan, an seinem Hobby dem Groundhopping, teilhaben lässt. Dieses mal verschlug es den Bayernsympathisanten, wie sollte es anders sein, nach Brasilien zur Weltmeisterschaft.

Servus Uwe. Vor der WM ging es in den Medien ausschließlich nur um die Kriminalität und Armut im Gastgeberland. Deswegen meine erste ironische Frage Uwe. Bist du wieder heil nach Hause gekommen?

Absolut! In einem Stück, immer noch wohl genährt und auch ohne körperliche und seelische Kratzer. Bis auf einen kleinen Zwischenfall mit einer ungewollt offen stehenden Hotelzimmertür hatte ich selbst auch keine nennenswerten persönlichen Erlebnisse. Von einem knappen Dutzend Kollegen habe ich allerdings von Diebstählen in Bussen, Bahnen und Flughäfen gehört. Haben also in der Tat einige Mobiltelefone und Kameras die Besitzer gewechselt. Außerdem war nicht jede Ecke, die ich durchfahren oder durchlaufen bin, wirklich ein optischer Hochgenuss, aber wo auf der Welt ist schon alles schick und leicht verdaulich!?

Aber mal ganz im ernst. Du hast dir im Vorfeld deiner Reise sicher auch Gedanken zur Lage in Brasilien gemacht. Wie hast du deinen Aufenthalt empfunden?

Sich dank der Berichterstattung im Vorfeld der WM keine Gedanken zu machen gelingt wohl nur den erfahrensten Schwellenland-Touristen, lebensmüden Zeitgenossen und Chuck Norris. Aber mal im Ernst, natürlich haben die Geschichten um die Favelas, deren Befriedung, die Demonstrationen, die Streiks, die Probleme bei der Fertigstellung von Stadien und anderen Infrastrukturprojekten und zu Letzt auch noch das Denguefieber nachdenklich gemacht! Erschwerend hinzu kam dann noch die Flut von Absagen aus dem Freundeskreis und die bohrenden Nachfragen, ob man da wirklich hinwill, ob man keine Angst habe usw.! Wie oben schon anklingen lassen, war der Aufenthalt viel entspannter als vorher gedacht.

In der Tat bin ich nicht volltrunken nachts alleine am Strand lang getorkelt, aber 3 Wochen in das Hotelzimmer hab ich mich auch nicht eingeschlossen. Sightseeing, Nutzung sämtlicher Verkehrsmittel im Nahverkehr, 13 Spiele in 12 Stadien, mehr als ein Dutzend Inlandsflüge, mehrere Nächte in Wartehallen bzw. Fun-Zonen von Flughäfen, alles ohne Zwischenfälle überstanden. Darüber hinaus waren gefühlt deutlich mehr internationale Touristen unterwegs als in Südafrika 2010 und so gab es überall interessante Menschen, mit denen man die Wartezeit verquatschen konnte.

Wenn überhaupt ein Wermutstropfen, dann der, dass mir der Kontakt zur einheimischen Bevölkerung nicht so richtig gelingen wollte. Meine fehlenden Kenntnisse der portugiesischen Sprache, die schlechte bzw. geringe Verbreitung der englischen Sprache in der brasilianischen Bevölkerung und eine aus meiner Sicht relativ zurückhaltende Einstellung vieler Leute da unten, zogen durch den Plan einen dicken Strick.

Also alles nicht so dramatisch, wie es im Vorfeld dargestellt wurde. Als Groundhopper hat man ja schon viele Länder oder besser gesagt Grounds besucht. Hat es dich vorher schon mal nach Brasilien verschlagen?

An der Stelle ein ganz klares NEIN! Zwar kann ich mittlerweile 74 Länder als besucht bezeichnen, aber auf den südlichen Teil des amerikanischen Doppelkontinents hatte ich bis zum 12.6.2014 noch nie einen Fuß gesetzt. Daher war die WM auch quasi eine Pflichtveranstaltung für mich.

Du hast es ja bereits angesprochen. 13 Spiele in 12 Stadien. Ein stolzes Programm würde ich mal sagen. Wie war es denn nun tatsächlich um die Infrastruktur und die Fertigstellung der Stadien bestellt?

Hier muss ich mir Mühe geben, mich kurz zu fassen, denn das ist eine ziemlich vielschichtige Geschichte. Ich fang mal mit etwas Positiven an, denn das haben sich die Leute da unten auf jeden Fall verdient, bei allen Unzulänglichkeiten, von denen ich gleich noch ein paar aufzähle. Ich hatte 17 Inlandsflüge (Umsteigeverbindungen einzeln gezählt) und es gab nie Probleme mit dem Gepäck und keinerlei wirkliche Verspätungen. Im Vergleich dazu wurde mein eigentlicher Hinflug mit einer europäischen Airline einen Tag vor Abflug gestrichen und ich auf einen Flug umgebucht, mit dem ich hätte, mein erstes Spiel nicht geschafft. Die gleiche Airline hat es dann auf dem Rückflug immerhin auf 90 Minuten Verspätung gebracht. Daher absolutes Lob und absoluten Respekt für die erfahrenen Leistungen im Lufttransport. Leider kann und muss ich allerdings sehr viele der berichteten Probleme zum Thema Infrastruktur bestätigen.

So endet z.B. in Natal die vierspurige Zubringerstraße vom Flughafen an einer nicht fertiggestellten Brücke vor den Toren der Stadt, ebenfalls in Natal ist der Highway der direkt am Stadion vorbeiführt nicht fertig geworden, in Cuiba kann man direkt vor dem Flughafen eine futuristische Straßenbahnhaltestelle bewundern, der auf der einen Seite noch Gleise fehlen, in Belo Horizonte waren auch einige Straßenbauprojekte nicht rechtzeitig fertiggestellt worden, zwischen Viertel- und Halbfinale stürzte dann tragischerweise auch noch eine Brücke einer Express-Bus-Strecke ein, die ursprünglich auch für den Transport von WM-Besuchern gedacht war. In Salvador waren die Busspuren ebenso wenig fertig, wie die Metro in Salvador, die aktuell nur an wenigen Stunden pro Tag verkehrt, das ganze nach 14 Jahren Bauzeit für gut 7 Kilometer. In Fortaleza hat die Fertigstellung eines neuen Terminals nicht ganz geklappt, so dass dieses zwar da steht aber nicht benutzt werden konnte.

Die Liste ließe sich leider noch eine ganze Weile fortführen, so war die Zufahrt zum Stadion in Recife zum Beispiel eine einzige Katastrophe und dauerte mit Abstand am längsten von allen Spielorten, allerdings fehlen mir da die Details, was eigentlich geplant war und in welchem Grad der Umsetzung es stecken geblieben ist. Auf fast jedem Flughafen waren Filialen bekannter Fast-Food-Ketten im Bau bzw. ganz kurz vor Eröffnung.
Die Stadien an sich konnten alle ohne große Einschränkungen benutzt werden. Die meisten kann man auch mit Fug und Recht als fertig bezeichnen. Bei einigen allerdings war deutlich zu sehen, dass mit sehr heißer Nadel gestrickt wurde..

Aus dem Boden ragende Gewindestäbe, an denen sicher mal irgendwann irgendwas befestigt werden sollte, Hunderte Bohrlöcher in Wänden, Böden und Verkleidungen ohne das etwas hindurchgeführt oder drin verankert wäre, nicht oder nur teilweise entfernte Schutzfolien auf Scheiben und Verkleidungen zeugten von einer Punktlandung! Trotz diverser Auffälligkeiten muss man festhalten, dass die Stadien allesamt großartige Bauwerke sind und auch absolut geeignet waren darin WM-Spiele auszutragen. Überall gab es sehr gut einsehbare Videowände (in Rio gleich mal 4 riesige Exemplare), sehr gute Beschallungstechnik, funktionierende Einlasskontrollsysteme und unfassbar viele Verpflegungsstände.


Erste Station der DFB-Elf. Mit dem 4:0 Sieg über Portugal, wurde hier der Grundstein für den Weltmeistertitel gelegt.

Da du ja schon einige Welt- und Europameisterschaften besucht hast, wo würdest du aus organisatorischer Sicht, die jetzige, Einstufen?

Musste ich eben schauen, dass ich mich kurzfasse, gilt es hier nicht den überheblichen Mitteleuropäer durchblicken zu lassen. Etwas vereinfacht und überspitzt gesagt wurde versucht fehlende Klasse und Planung durch Masse auszugleichen, was definitiv nicht immer bzw. eher selten gelang. 5,6 verschiedene Gruppen von Militär, Stadtpolizei, Landespolizei, Militärpolizei, usw. demonstrierten offensichtliches Zuständigkeitswirrwarr, Busfahrer hatten keine Ahnung, wo im Stadionumfeld genau die Leute rauszulassen sind, Platzanweiser (die wirklich zuhauf da waren und die eigentlich kein Mensch braucht, der 4 Buchstaben / Zahlen auf dem Ticket lesen und mit den überall aushängenden Plänen abgleichen kann), die keine Ahnung hatten, was sie erzählten, Bierverkäuferinnen, die ganz offensichtlich enorme Probleme mit Kopfrechnen hatten, Bierstände, die grundsätzlich nach Abpfiff ausverkauft waren, obwohl Tausende Leute nach Bier lechzten, bei deutlich über 20 Grad nach Abpfiff prägten sehr oft das Bild.

Der Verkehr in Recife war eine einzige Katastrophe, in Fortaleza war bei meinen beiden Besuchen der Abtransport nach dem Spiel mit 2 Stunden Wartezeit verbunden, ein paar Kollegen, die es eilig hatten, weil der Flug nach Rio anstand, nahmen in der Not ein Motorradtaxi (Jugendliche mit Motorrad und einem zusätzlichen Helm am Straßenrand, logischerweise ohne jegliche Versicherung etc.). So hart, wie es klingt und so leid es mir tut, von der erlebten Organisation her, war das maximal auf einer Stufe mit Südafrika.



Auch das war Brasilien. Soldaten zum Schutz der Weltmeisterschaft


Lass uns mal ganz kurz in die Politik abdriften. Ich persönlich hatte ja schon mit der letzten WM in Südafrika Probleme. Nicht das ich es den Leuten dort nicht gegönnt habe aber mir fehlt die Nachhaltigkeit. Auch in Brasilien gibt es wichtigere Dinge als 12 neue Stadien für zig Milliarden Euro, die hinterher keiner mehr unterhalten kann. Wie hast du die politische Lage vor Ort wahrgenommen?

Lass mich meine Antwort mit einer Gegenfrage beginnen. Wo auf der Welt gibt es keine Dinge, die viele Menschen als wichtiger einstufen würden als 12 Fußballstadien? Mit Russland und Katar kommen zwei Ausrichterländer, wo sicher aus Sicht klar denkender Menschen sicher auch andere Dinge im Vordergrund stehen sollten als der Bau von 10-12 Stadien. Auch in den USA, ihrerseits stärkster Mitbewerber um die Ausrichtung der WM 2022, könnte man mit einem 2-stelligen Milliardenbetrag sicher auch nachhaltigere Dinge tun, als Fußballstadien zu bauen.

Viele Freunde, Kollegen, Hopper-Freunde teilen Deine Meinung, die man ja deutlich der Fragestellung entnehmen kann. Natürlich habe ich mit denen auch im Vorfeld diskutiert und mir auch alleine so meine Gedanken gemacht, ob ein Besuch vertretbar ist, ob ich mit meiner Reise die Lage von irgendjemanden verschlechtere bzw. mit meinem eventuellen Zuhause bleiben irgendjemanden seine Lage verbessere. Ich bin zum Schluss gekommen, dass dem nicht so ist und mit absolut reinem Gewissen dahin gefahren. Nicht dass ich glaube mit meinen 20 Taxifahrten, meinen 10 Schaschliks am Straßenrand, meinem Wasser und Bier auf dem Weg zum und vom Stadion, meinen Restaurantbesuchen etc. viel bewegt zu haben.

Im Gegensatz zu den Ablehnern, Internetnörglern, Feuilleton-Mahnern und WM-Hassern hab ich allerdings Geld an den Mann und an die Frau gebracht und mir ein Bild vor Ort gemacht. Ich kann erzählen, wie es hier aussah, und muss mich nicht auf Spiegel, Stern und Co verlassen, die ja in der jüngeren Vergangenheit mehr damit beschäftigt waren seitenweise Wetten dass??? zu verreißen als ihrem Bildungsauftrag nachzukommen. Ich hab ein mit gut 30000 Brasilianern gefülltes Stadion in Manaus gesehen und deren Begeisterung, dass in ihrer Dschungelstadt mal die Welt zu Gast ist. Ich hab dort Dutzende Schilder gesehen, die hochgehalten wurden und auf denen sich Einheimische für den Besuch bedankt haben und zum Ausdruck brachten, dass sie hoffentlich gute Gastgeber waren.

Sicher ist nicht alles richtig gelaufen, wahrscheinlich werden nicht alle 12 Stadien nachhaltig genutzt, 100% kann man die FIFA für Ihre Intransparenz und Ihre Machenschaften kritisieren, sicher lernt man Brasilien und den lateinamerikanischen Fußball besser und authentischer im Ligaalltag kennen aber hey, was bitte ist das für eine unglaubliche Arroganz, aus der Ferne über so über Entscheidungen eines souveränen Landes zu urteilen. Erlaubt sich irgendein Brasilianer darüber zu urteilen, ob und wenn ja wie sinnvoll es ist, ein Konzerthaus in Hamburg für deutlich über 500 Millionen zu errichten.

Für den Preis gibt es übrigens die 3 Stadien in Manaus, Natal und Curitiba zusammen, und wenn man sich Hamburger Kindergärten, den Wohnungsmarkt, Krankenhäuser, Asylbewerberheime und Pflegeheime anschaut, findet man ganz sicher auch die ein oder andere Verwendung für das Geld. Auch wenn mich das genauso wenig etwas angeht, wie die Kritiker die Investition Brasiliens in die WM, noch ein Satz zum ach so armen Brasilien von mir. Wer in Sao Paulo einmal die Rua Oscar Freire langgelaufen ist, dem sollte klar sein, dass dieses Land ein Umverteilungsproblem hat, welches seine Ursprünge weit weit weit in der Vergangenheit und definitiv vor der Vergabe der WM nach Brasilien hat und was bei ausbleibender gewaltsamer Revolution auch noch lange lange nach dem Finale Bestand haben wird.

Diese Straße ist laut Marktforschungsinstituten die achtluxuriöseste Straße der Welt und die zweitluxuriöseste in Amerika nach der 5th Avenue in New York. Da Sao Paulo definitiv alles andere als eine Touristenhochburg ist, scheint genug Geld im Umlauf zu sein, um Hunderten Designershops am Leben zu halten. Die Krone setzt dem Ganzen ein Nespresso - Store auf. In Brasilien sinnlos überteuerte Kaffee-Kapseln kaufen!? Die Situation wurde und wird durch die paar Milliarden (klingt bitter ist aber so bei nem BIP von über 2 Billionen) für die WM null, null verändert. Dann schon eher dadurch, dass auf der ganzen Welt über die Missstände und Lebensbedingungen weiter Teile der Bevölkerung berichtet wurde und das ausschließlich aufgrund der WM!

Aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse meinerseits war es recht schwer einen guten Einblick über die politische Lage zu bekommen, wobei ich mir nicht sicher bin, wie objektiv die örtlichen Medien während der WM berichten würden bzw. dürften. Ein Blick in die Bevölkerung der Innenstädte und Stadien, ich schließe Favelas explizit aus, weil ich da nur mal ganz kurz drin war, zeigte mir ein deutlich positives Bild. Außer in Sao Paulo, wo ich Augenzeuge einer Demonstration von 1-200 Leuten wurde, habe ich alles in allem Hunderttausende Brasilianer gesehen, die gefeiert und sich an der WM erfreut haben. Die Hunderttausende beziehe ich aus 13 Spielen mit zum Teil Brasilianer Anteil von deutlich über 50% (Cuiba, Curitiba, Manaus, Rio), auf mehrere gut besuchte Fan-Feste und auf Public Viewing in Manaus.

Wow ehrliche und sehr interessante Einblicke, die du uns da schilderst. Kommen wir auf das Wesentliche, den Event zu sprechen. Fußball ist ja eine Art Heiligtum in Brasilien. Wie hast du die Stimmung im Stadion oder den Fanmeilen erlebt? Ist das vergleichbar mit Europa?

Da ich wie gesagt bisher noch nicht das Vergnügen hatte in Brasilien Fußball live zu erleben, stützten sich meine Erwartungen auf Videos, Fanzines und Erzählungen von Hopperkollegen, die hier schon den Ligaalltag erlebten. Und die waren dementsprechend hoch. Diese wurden um Teil übererfüllt, zum Teil nicht, was aber nüchtern betrachtet ziemlich logisch ist. Unter anderem wohnte ich dem Spiel Russland - Südkorea in Cuiaba bei.

Da waren 80% Brasilianer im Stadion, die nachvollziehbarerweise nicht hysterisch waren und supporteten als ginge es um ihr Leben. 2,3-mal im Spiel wurde dann aber das Lied Eu Sou Brasileiro angestimmt, was sicher bei vielen Spielen auch im TV zu hören gewesen ist und da konnte es einem schon kalt den Rücken runter laufen, mit welcher Hingabe da alle mitgesungen haben. Ein Spiel der Brasilianer live im Stadion zu verfolgen blieb mir leider verwehrt aber beim Public Viewing konnte ich einen sehr guten Eindruck von dem, von Dir angedeuteten Heiligtum gewinnen.
Dank meines unfreiwillig verlängerten Aufenthalts in Manaus verfolgte ich das Achtelfinalspiel der Seleção gegen Chile inmitten Zehntausender Brasilianer auf dem zentralen Platz in Manaus. Was da während des Spiels abging, war von den Emotionen her schon ne ganze Ecke schärfer als aus der Heimat gewohnt. In der Stadt war 2 Stunden vor dem Spiel (Samstag, 11 Uhr Vormittag) jeder Laden, jede Gaststätte geschlossen, ein Taxi zu bekommen unmöglich alles versammelte sich in kleinen Bars mit Fernseher oder eben auf dem Marktplatz.

Dort herrschte die ganze Zeit unfassbare Anspannung, die sich erstmals bei der Hymne hysterisch entlud und beim Führungstreffer nach 18 Minuten explodierte. Aus der Masse heraus wurden umgehend Raketen gezündet, Plastestühle, Bierbecher, Hüte, Mützen flogen durch die Luft und jegliche Art der Emotionsäußerung war zu bestaunen. So intensiv, wie das Führungstor bejubelt wurde, so groß war dann auch die Fassungslosigkeit beim Gegentreffer. Die sich dann abspielenden Szenen führten auch dazu, dass ich beschlossen und später auch umgesetzt habe, eine eventuelle Verlängerung und Elfmeterschießen im Hotel zu verfolgen.

Insgesamt wurde das Ganze hier schon eine Ecke intensiver gelebt als von vorherigen Turnieren bekannt. Es gab kaum einen Ort an dem man nicht durch Fahnen, Girlanden, Busfahrern und Kellnern in Trikots, Straßenverkäufern, die Rasseln, Tröten usw. an den Mann bringen wollten, an den Event erinnert wurde.

Mythos Maracana. Heute ein moderner Fußballtempel



Ich glaube für dich war die WM nach dem 1/8 Finale zu Ende. Du hast 13 Spiele Live im Stadion verfolgen können. Welches war für dich das attraktivste Spiel und insgesamt gesehen, wie würdest du die Qualität der diesjährigen Weltmeisterschaft einordnen?

Trotz einiger recht lahmer Kicks hatte ich das Glück mit Deutschland - Portugal und Australien - Niederlande zwei sehr schöne Spiele gesehen zu haben. Zum Abschluss gab es im Achtelfinale dann Argentinien - Schweiz, was in ungeahnter Qualität gespielt wurde und vom Spielverlauf her dramatischer und spannender nicht hätte sein können. Selbst nach der vermeidlichen Vorentscheidung durch das Tor der Argentinier in der Nachspielzeit, gaben die Eidgenossen noch einmal gas und trafen Aluminium.

Das waren mit Sicherheit die Highlights. Insgesamt habe ich das Niveau als deutlich geringer als z.B. bei der letzten EM in Polen und der Ukraine angesehen. In den KO - Spielen, die ich dann am Fernseher verfolgt habe, war aber dann ganz guter Fußball zu sehen und ausgenommen von der Traumvorstellung der Deutschen gegen den Gastgeber auch immer für Spannung gesorgt.

Du sprichst es an, Brasilien gegen Deutschland oder dann auch das Spiel um Platz 3 Brasilien gegen Holland. Was denkst du, woran sind die Gastgeber am Ende so kläglich gescheitert? Die Erwartungshaltung oder ist der brasilianische Fußball aktuell einfach nicht besser?

Ey, was wird denn das jetzt? Ich bin Hopper, kein Fußball-Experte Nee mal im Ernst, die Erwartungshaltung war sicher ungleich größer als wie bei einer WM in Südkorea / Japan. Die Öffentlichkeit da unten, die Medien, das Team selbst, alle waren euphorisch, siegesgewiss und es gab in den Tagen kein ein anderes Thema. Wie lange im Vorfeld das schon so war und in welcher Ruhe oder eben auch nicht, sich das Team vorbereiten konnte, weiß ich nicht.

Beim Spiel gegen Deutschland kam erschwerend hinzu, dass die Elf mit dem Adler auf der Brust einen absoluten Sahnetag erwischt hat und alles passte. Das Hollandspiel würde ich aus jeder Analyse aussparen, nach dem Debakel und der Enttäuschung nach dem Halbfinale, konnte man eigentlich nichts mehr von dem Team erwarten. Viel mehr hat sich ein Scheitern schon im Achtelfinale gegen Chile angedeutet, welches ich unter Zigtausenden beim Public Viewing in Manaus verfolgte und wo sich die Selecao schon richtig schwer tat und weder schönen, noch zwingenden Fußball, zeigen konnte.

Am Ende der Weltmeisterschaft kam es dann, wie es viele nicht erwartet haben. Auch ich traute der deutschen Mannschaft, zwar ein gutes Turnier zu aber nicht dem ganz großen Wurf. Es war ein packendes Finale gegen Argentinien. Wie hast du dieses Endspiel erlebt?

Die wahrscheinlich unspektakulärste und vielleicht unerwartete Antwort überhaupt! Alleine zu Hause am Computerbildschirm. Zur Auswahl standen mehrere Dinge, mit den Fußballkollegen im Vereinsheim, mit den Eltern, schließlich hat der Vater mich vor über einem Vierteljahrhundert erst auf den Fußball gebracht, mit nem guten Freund oder auf einer der selbst in Erfurt zahlreich vorhandenen Public Viewing - Veranstaltungen. Nach dem ganzen Trubel der letzten Wochen hatte ich auf Letzteres keine Lust, in Anbetracht der Tatsache, dass Verlängerung und Elfmeterschießen nicht ganz aus der Welt waren, wollte ich auch meinen Eltern nicht zu lange die Bude dreckig trampeln und von einer alkoholisierten Masse wollte ich mir keinesfalls den möglichen WM-Titel zerreden lassen. Ungefähr genauso wenig wie ich beim Scheitern massenhaft Sprüche hören wollte, dass das ja schon lange klar war und es ein Wunder ist, überhaupt so weit gekommen zu sein.

Das sogenannte Gaucho-Gate lassen wir mal bewusst weg, darüber wurde schon alles gesagt und geschrieben. Abschließend Uwe, was sind deine nächsten Ziele oder Träume? Welche Grounds willst du noch besuchen?

Träume klingt bissel hochtrabend, nichts ist in der heutigen Welt so weit weg oder so schwer zu erreichen, dass ich es als Traum bezeichnen würde. Ziel trifft es eher, wenn auch das noch ein bissel zu sehr nach fest geplantem und verbissenem Hinterhereifern klingt. Im Januar steht der nächste Asien-Cup an. Da ich den die letzten beiden Male, 2007 in Malaysia, Vietnam, Thailand und Indonesien sowie 2011 in Katar besucht habe, dies beide Male sehr nett war und dieser 2015 im mir noch fehlenden Australien stattfindet, werde ich alles daran setzen, hier wieder dabei zu sein.

Frankreich 2016 mit einigen neuen Stadien ist natürlich ne reizvolle Angelegenheit, und wenn die Ticketsituation nicht völlig abartig wird, bin ich dann, hoffentlich wieder mit einigen Kollegen, auch dabei. In der Zwischenzeit gilt es mein Langzeitziel (da hast Du jetzt doch ein richtiges Ziel), in allen UEFA-Mitgliedsländern Fußballspiele gesehen zu haben, endlich mal zu erreichen. Mit den Färöern, Aserbeidschan und Georgien fehlen nur noch 3 und fallen hoffentlich noch 2014. Ansonsten ein paar Spiele mit dem RWE fahren, die Bayern in Europa begleiten und die vierten Ligen in Deutschland vervollständigen. Reicht erst einmal, oder? Mist, ich hätte echt so gern was zur Gauchgate-Afffaire gesagt

Ich glaube das würde hier den Rahmen sprengen Abschließend möchte ich einfach danke sagen. Danke, dass du uns an deinen, vor Ort gesammelten Eindrücken, hast teilhaben lassen und ich werde weiter verfolgen, wo du dich so auf der Welt rumtreibst. Apropos Rumtreiben. Kann man deine Grounds die du schon alle besucht hast, irgendwo nachlesen? Gibt es eine Art Karte von dir und deinen Spielorten?

Das gibt es in der Tat. Irgendwann Mitte 2000 haben sich ein paar reisefreudige Fußballinteressierte die Frage auch gestellt und ich hab dann mal Kraft meiner Wassersuppe www.groundlager.de aus dem Boden gestampft. Dort kann jeder der will seine Stadionbesuche sammeln und ja, die kann man sich auch auf einer Karte anzeigen lassen.

Nichts zu danken, hoffentlich sieht man sich demnächst mal wieder in der Allianz-Arena und kann ein paar Worte wechseln.

Das sollten wir doch hinbekommen. Am 22.August wäre ich zum Saisonauftakt vor Ort.

Ein kleiner Überblick der besuchten Grounds von Uwe.

KOMMENTARE
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ausLE
MODERATOR
26.07.2014 | 14:58 Uhr
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ausLE : 
26.07.2014 | 14:58 Uhr
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ausLE : 
das ist schön Schnumbi, daß Du sie kennst.
Aber dann schreib sie doch hier rein
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Schnumbi
25.07.2014 | 21:54 Uhr
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Schnumbi : 
25.07.2014 | 21:54 Uhr
0
Schnumbi : 
Huch hier schreibt ja noch jemand

Ich kenne die Meinung. Sie wäre aber definitiv zulang geworden und kürzen oder einen 2.Teil wollte ich nicht machen
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ausLE
MODERATOR
25.07.2014 | 16:28 Uhr
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ausLE : 
25.07.2014 | 16:28 Uhr
0
ausLE : 
da sind ja viele grüne Punkte
Klasse!
Wie auch das Interview.

Mich würde aber seine Meinung zum Gaucho-Dings interessieren

Ich bin Hopper, kein Fußball-Experte

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Schnumbi
23.07.2014 | 09:49 Uhr
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Schnumbi : 
23.07.2014 | 09:49 Uhr
0
Schnumbi : 
@Effe:

Vielen Dank für dein Lob.

Hier kannst du auch den ersten Blog über Uwe und seine Reisen lesen. Dort steht auch beschrieben wie wir uns kennengelernt haben.

http://www.spox.com/myspox/group-blogdetail/Das-Gespraech-I-II,180382.html
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Effe11
22.07.2014 | 22:15 Uhr
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Effe11 : 
22.07.2014 | 22:15 Uhr
0
Effe11 : 
Klasse. Erstmal Dank an schnumbi. Wenn ich das richtig verstanden habe kennt ihr euch aus der AA. Ich finds einfach großartig, dass sich jemand sowas leisten kann. Auch ich bin selbstständig aber leider kann ich außer jeden Samstage in der Bundesliga und die auswärtsfahrten in der CL zeitlich nicht mehr machen. Uwe dir weiterhin viel Spaß bei deinem Hobby und viele tolle eindrücke dort wo du dich so rumtreibst. Vor euch beiden -Schnumbi für den Blog- Hut ab!
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Schnumbi
20.07.2014 | 19:31 Uhr
2
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Schnumbi : 
20.07.2014 | 19:31 Uhr
0
Schnumbi : 
@Roy

vielen dank.

ja das ist schon sehr beachtlich und man muss diesem hobby schon sehr verfallen sein.
2
RoyRudolphusAnton
20.07.2014 | 19:18 Uhr
0
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20.07.2014 | 19:18 Uhr
0
Ein tolles Gespräch mit sehr interessanten und detaillierten Aussagen. Beachtlich, wie der Groundhopper die Situation in Brasilien aufnahm - und für mich vollkommen unerklärlich, wie man faktisch in allen UEFA-Mitgliedsländern gewesen sein kann, um Fußballspiele zu verfolgen. Der Mann hat ein Hobby, Respekt
Vielen Dank für die Mühe, schnumbi!
0
FranchelsFabregas
19.07.2014 | 15:37 Uhr
1
0
19.07.2014 | 15:37 Uhr
0
Sehr interessantes Interview über aein außergewöhnluiches Thema, 9 Punkte
1
Schnumbi
19.07.2014 | 15:20 Uhr
0
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Schnumbi : 
19.07.2014 | 15:20 Uhr
0
Schnumbi : 
Viel Spaß beim Lesen!!
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