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NFL - Tampa Bay Buccaneers: Der lange Weg zurück in den Super Bowl

Cadillac Williams entpuppte sich nach starker Rookie-Saison als klarer Fehlgriff der Tampa Bay Buccaneers.
© getty

Die Tampa Bay Buccaneers stehen erstmals seit 2003 wieder im Super Bowl. Dazwischen lagen zahllose Fehlgriffe auf allen Ebenen. Ein Rückblick auf eine lange Reise, die mit dem Triumph im eigenen Stadion enden soll.

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Die Tampa Bay Buccaneers stehen im Super Bowl! Ein Satz, den man seit 18 Jahren nicht mehr las. Und einer, der für diese Franchise noch immer eher befremdlich wirkt.

Die Bucs von damals waren für sich schon eine Anomalie in einer Franchise-Geschichte, die nicht unbedingt für kontinuierlichen Erfolg steht. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Die Bucs begannen ihre NFL-Zeit mit einer 0-14-Saison und ließen im zweiten Jahr 1977 ganze zwei Siege folgen. Sie waren lange der Bodensatz der Liga.

Um es etwas abzukürzen: Die Bucs hatten vor dieser Saison ganze sechs Playoff-Spiele gewonnen - also so viele wie ihr aktueller Quarterback Ringe hat - und kamen auf eine Gesamtsiegquote von 0,387 Prozent. Das ist, als würde man permanent 6-10 durch eine Saison gehen - selbst 7-9-Experte Jeff Fisher kann da nur die Nase rümpfen!

Bemerkenswert ist daher die Konstanz, die dieses Team Ende der 90er und Anfang der 00er Jahre an den Tag gelegt hatte. Unter Head Coach Tony Dungy (1996 bis 2001 im Amt) und General Manager Rich McKay (1995 bis 2003 im Amt) erreichte das Team viermal in sechs Jahren die Playoffs, vorwiegend mit Quarterback Trent Dilfer und später Brad Johnson.

Um das klar zu sagen: Dungy gewann zwar später mit den Colts den Super Bowl, seine Hall-of-Fame-Aufnahme jedoch stellte er hauptsächlich mit seiner Arbeit in Tampa und der Einführung der Tampa-2-Defense sicher!

Buccaneers: Defense als Erfolgsgarant beim ersten Super-Bowl-Triumph

Dilfer war alles andere als ein Franchise-Quarterback und wurde im Jahr 2001, direkt nachdem er von seiner Defense in Baltimore zum Super-Bowl-Sieg getragen wurde, entlassen. Und auch Johnson galt eher als Game Manager ohne irgendwelche spektakulären Vorzüge.

Doch die waren 2002 beim bislang einzigen Super-Bowl-Triumph der Bucs über die Raiders auch nicht vonnöten. Unter dem neuen Head Coach Jon Gruden und mit einer weiterhin bärenstarken Defense walzte Tampa Bay durch die Playoffs und schlug die Raiders mit MVP-Quarterback Rich Gannon 48:21 - es gelangen allein 5 Interceptions gegen Gannon, davon drei für Touchdowns.

Diese Defense stellte zwei Hall-of-Famer in Linebacker Derrick Brooks und Defensive Tackle Warren Sapp - Safety John Lynch, seines Zeichens heute der GM der San Francisco 49ers, könnte in nächster Zeit auch noch den Trip nach Canton machen. Doch nach diesem Triumph in ihrer besten Saison überhaupt (12-4), gingen allmählich die Lichter wieder aus in Tampa.

Dungy war längst weg, McKay nahm ebenfalls alsbald seinen Hut und die Grundlage des Erfolgs war plötzlich nicht mehr gegeben. Die Bucs erreichten ab 2003 nur noch zweimal die Playoffs (2005, 2007) und warteten dann bis 2020 auf eine erneute Teilnahme.

Geprägt wurden die Folgejahre vielmehr durch zahlreiche Fehlentscheidungen. Auf McKay folgte zunächst Bruce Allen für fünf Jahre, anschließend durfte Eigengewächs Mark Dominik auf den GM-Sessel. Während Allen noch von den Resten von McKays Kader profitierte, war für Dominik kaum noch Talent übrig, auf dem aufgebaut werden konnte.

Buccaneers: Nur wenige gute Picks im Draft

Entsprechend sahen die Drafts dann auch aus. Rückblickend betrachtet muss es fast schon als Highlight betrachtet werden, dass Running Back Cadillac Williams 2005 als fünfter Pick insgesamt kam. Ein Move, dem in der heutigen Zeit nur mit Kopfschütteln begegnet werden würde.

Zu Recht, denn nach seiner Rookie-Saison, die ihn zum Offensive Rookie of the Year machte, knüpfte er nicht mehr an diese Leistungen an und verschwand in der Folge sukzessive in der Versenkung.

Zu nennen ist noch Cornerback Aqib Talib, der in Runde 1 2008 zum Team stieß und in der Folge sogar ein paar richtig gute Saisons hinlegte. Disziplinarische Probleme sorgten jedoch dafür, dass er danach abgeschoben wurde und den Bucs in New England und vor allem in Denver zeigte, wie sehr sie ihn letztlich doch hätten gebrauchen können.

Abgesehen vom Erstrundenpick und Eckpfeiler der Defense Gerald McCoy 2010 (3. Pick insgesamt) jedoch gelang in jener Zeit kaum noch ein guter Griff. Problematisch war vor allem die teils abstruse Ansammlung an fragwürdigen Quarterbacks.

Johnson blieb noch bis 2004, dann übernahmen zahlreiche Übergangs-Starter wie Brian Griese, Chris Simms oder Bruce Gradkowski ehe von 2007 bis 2008 mit Jeff Garcia zumindest etwas Konstanz - und Kompetenz - reinkam. Doch ab 2009 durfte dann Erstrundenpick Josh Freeman bis 2012 übernehmen. Freeman allerdings legte in der Folge allerdings auch nur 2010 eine ordentliche Saison (69,5 QBR) hin. Ansonsten präsentierte er sich unterdurchschnittlich bis schlecht.

2013 übernahm Mike Glennon, ehe die ultimative Zwischenlösung Josh McCown für ein Jahr ran durfte.

Cadillac Williams entpuppte sich nach starker Rookie-Saison als klarer Fehlgriff der Tampa Bay Buccaneers.
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Cadillac Williams entpuppte sich nach starker Rookie-Saison als klarer Fehlgriff der Tampa Bay Buccaneers.

Buccaneers: Jason Licht bringt die Wende

Die Wende für diese Organisation als Ganzes kam dann erst ab 2014, als der frühere Patriots-Funktionär Jason Licht als GM übernahm. Der löste zwar nicht auf Anhieb das Head-Coach-Vakuum - nach Grudens Abgang 2008 versuchten sich Raheem Morris, Greg Schiano, Lovie Smith und Dirk Koetter -, doch es gelang ihm immerhin, konstant die Qualität im Kader zu steigern.

Nachdem Dominik immerhin noch Linebacker Lavonte David (58. Pick 2012) zum heutigen Team beigesteuert hatte, fand Licht mit seinem ersten Pick direkt Wide Receiver Mike Evans an siebter Stelle 2014. Es folgten dann 2015 neben Top-Pick Jameis Winston auch noch Left Tackle Donovan Smith, Guard Ali Marpet sowie der langjährige Starting-Linebacker Kwon Alexander.

Natürlich leistete sich Licht auch spektakuläre Fehlgriffe, allen voran Kicker Roberto Aguayo mit dem 59. Pick 2016, aber seine guten Griffe überwiegen dann doch. 2017 folgten Tight End O.J. Howard und Slot-Receiver Chris Godwin, 2018 dann Defensive Tackle Vita Vea, Guard Alex Cappa und 2019 Star-Linebacker Devin White. Mehrere Drafts mit langfristigen Startern.

Da auch 2020 ein voller Erfolg war mit Right Tackle Tristan Wirfs und Safety Antoine Winfield Jr. muss der GM schon jetzt als Vater des aktuellen Erfolgs angesehen werden.

Was fehlte, war schließlich die Sahne auf der Torte - ein wirklich guter Head Coach und natürlich ein noch besserer Quarterback.

2019 wurde mit Bruce Arians eben jener Coach gefunden. Und das Team war da bereits eines der besseren in der NFL. Sie erzielten die drittmeisten Yards der Liga und die viertmeisten Punkte. Zudem stellten sie eine historisch gute Rush Defense. Dennoch langte es am Ende nur zu einer 7-9-Bilanz.

Buccaneers: Die Sahne auf der Torte

Was fehlte also? Nun, Winston legte zwar eine insgesamt imposante Saison mit 5109 Yards und 33 Touchdowns hin. Er warf aber auch satte 30 Interceptions und die Bucs kamen schließlich auf 47 Turnovers insgesamt. Viel zu viele, um in der NFL mitzuhalten.

Winstons finale Saison in Tampa war somit ein passender Abschluss einer chaotischen Epoche in Tampa Bay, aber auch für Winston selbst. In seinen nur vier Jahren in Tampa saß er eine Sperre wegen sexueller Belästigung einer Uber-Fahrerin ab. Das, nachdem ihm schon auf dem College Vergewaltigung einer Kommilitonin sowie später Diebstahl in einem Restaurant vorgeworfen wurde.

Die Vergewaltigung wurde ihm nie nachgewiesen, auch weil die in Florida zuständige Polizei eher zurückhaltend mit der Untersuchung ihres Football-Stars umgegangen war. Doch selbst diese äußerst problematische Vorgeschichte hielt Tampa Bay nicht davon ab, Winston an Position 1 zu draften. Und rein sportlich zahlte sich dies eben nicht aus.

Nicht erst 2019 sparte er nicht mit grandiosen Pässen, die aber immer wieder von krassen Turnovers konterkariert wurden. 2018 wurde er daher sogar mal von Ryan Fitzpatrick verdrängt, als der eine seiner legendären Phasen hatte. 2020 wurde Winston schließlich ohne Gegenwehr gehen gelassen.

Was fehlte, war ultimativ wirklich nur noch einer wie Brady, den Licht noch aus der gemeinsamen Patriots-Zeit kannte.

2020 ist damit das folgerichtige Ende einer langen chaotischen Phase, die erst durch einen wiederholten Regime-Wechsel ein systematisches Ende fand. Ob Super-Bowl-Sieg oder nicht am Sonntag wird die größte Herausforderung für die Bucs nun sein, dieses Mal den ohnehin schon bestehenden Erfolg zu konsolidieren und nicht in ein weiteres Loch zu fallen.

Buccaneers: Vergleich Tom Brady vs. Jameis Winston

SpielerSpielePassquote (Prozent)YardsTouchdownsInterceptionsPasser Rating
Winston*14,461,33947,424,217,686,9
Brady (2020)1665,746334012102,2

*) Durchschnittswerte über vier Jahre in Tampa Bay.

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