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Die Free Agency der Miami Dolphins: Aufbruch oder doch ein Rückschritt?

Von Jan Dafeld
Die Miami Dolphins haben kräftig investiert.
© getty

Die Miami Dolphins haben in der Free Agency kräftig investiert, besonders die eigene Defense wurde verstärkt. Das Team sollte deutlich besser sein als im Vorjahr, setzt sich somit allerdings auch selbst unter Druck. Manche der Entscheidungen werfen Fragen auf.

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Als Brian Flores im vergangenen Dezember auf die Pläne der Miami Dolphins in der kommenden Free Agency angesprochen wurde, nutzte dieser die Gelegenheit, um etwas Grundsätzliches klarzustellen. "Alle scheinen zu glauben, dass wir so viel Geld auszugeben und zu verpulvern haben werden", betonte Flores. "Wir werden vernünftig und verantwortungsvoll mit unserem Salary Cap umgehen. Wir werden kluge Entscheidungen treffen."

Inwieweit die Dolphins, das Team mit dem meisten Cap Space in der gesamten NFL zum Start der Free Agency vor einer Woche, diese finanziellen Möglichkeiten in der Free Agency auch nur annähernd ausschöpfen würden, war vor einer Woche daher noch fraglich. Miami könnte sich entscheiden, die kommenden Tage und Wochen - mit einigen günstigen Deals als Ausnahme - eher abwartend zu verbringen und sich eine weitere Saison dem Rebuild des eigenen Teams verschreiben, mutmaßten manche Beobachter.

Doch es sollte weniger als einen halben Tag dauern, ehe diese Theorien über einen gemäßigten, eher mit kleineren Schritten vorgetragenen Rebuild vollständig ad acta gelegt werden konnten.

Innerhalb von nur acht Stunden einigte sich Miami mit vier Spielern: Cornerback Byron Jones, Guard Ereck Flowers und die Edge-Verteidiger Kyle van Noy und Shaq Lawson stimmten neuen Verträgen in South Beach zu.

Alleine die vier sollten pro Jahr fast 50 Millionen Dollar Gehalt einstreichen, das Gesamtvolumen der Verträge betrug mehr als 200 Millionen Dollar, mehr als 100 waren voll garantiert. Mit Edge Emmanuel Ogbah, Running Back Jordan Howard, Center Ted Karras, den Safeties Claydon Fejedelem und Adrian Colbert sowie den Linebacker Kamu Grugier-Hill und Elandon Roberts folgten in den darauffolgenden Tagen zahlreiche weitere Spieler.

Miami Dolphins: Ein formidables Cornerback-Duo

Besonders Jones' Deal sticht dabei zwangsläufig ins Auge. Der einstige Erstrunden-Pick, der in Dallas den Schritt vom Safety zum Corner gemacht hatte, unterzeichnete nach zwei starken Jahren bei den Cowboys einen Monstervertrag über 82,5 Millionen Dollar und fünf Jahre, mehr als 50 Millionen Dollar sind ihm garantiert. Jones wurde über Nacht der bestbezahlte Cornerback in der Geschichte der NFL.

Eine fraglos kostspielige Angelegenheit für Miami, das in dem 27-Jährigen allerdings auch einen der besten One-on-One-Cornerbacks der Liga erhält und gemeinsam mit Xavien Howard - der im Vorjahr teuer bezahlt wurde - nun ein formidables Outside-Corner-Duo aufs Feld schicken kann. Die Verpflichtung kann auch als ein weiteres Zugeständnis an Flores verstanden werden.

Dieser nämlich vertraut - ähnlich wie die New England Patriots, für die er bis 2019 noch tätig war - in besonderem Maße auf Man Coverage. Jones, der ein herausragender Press-Man-Corner ist und besonders große und physische Receiver ausschalten kann, sollte sehr gut in dieses Schema machen. Eine gute Secondary gibt dem Defensive Coordinator deutlich mehr Freiheiten an der Line of Scrimmage. Und diese beginnt nun einmal mit den beiden Outside Cornerbacks.

Miami Dolphins: Ein Team nach Flores' Vorstellungen

Doch in der Secondary endeten die Defense-Investitionen keineswegs. Mit Van Noy erhält Flores zudem einen flexibel einsetzbaren Spieler, der sowohl in Coverage als auch als Pass-Rusher wertvoll sein kann und obendrein ein guter Run-Defender ist. Bereits im vergangenen Jahr, noch bevor Van Noy in New England einen Wechsel vom Off-Ball-Linebacker zum Edge Defender vollzog, riet Flores seinem Linebacker Jerome Baker, Van Noys Spiel zu studieren. Flores kennt Van Noy bestens und weiß, wie man ihn einsetzen muss.

Lawson und Ogbah verstärken zudem Miamis im vergangenen Jahr so zahnlose Pass-Rushing-Gruppe, beide haben ihre Qualitäten gegen den Lauf allerdings mindestens im gleichen Maße wie gegen den Pass und sind gute Rotations-Optionen. Die Defensive Line der Dolphins, im vergangenen Jahr mit die größte Schwäche des Teams, soll so einen deutlichen Schritt nach vorne machen. Mit Fejedelem und Grugier-Hill erhält Flores zudem zwei echte Special-Teams-Spezialisten.

"Chris (Grier, Anm. d. Red.), ich selbst und die gesamte Personalabteilung, wir schauen uns alles an, jede Möglichkeit. Chris hat einen Plan A, einen Plan B und einen Plan C für alles", erklärte Flores das eigene Vorgehen. "Das ist gut. Wir tauschen Ideen aus, es ist ein wirklich gutes Arbeitsverhältnis."

Miami schlug keineswegs einfach bei überraschend günstigen Spielern zu, um den Erfolg in der fernen Zukunft anzuvisieren. Die Dolphins bauen bereits ein Team, das den Vorstellungen ihres Head Coaches stark entsprechen soll - und das schon im kommenden Jahr deutlich mehr Qualität auf den Rasen bringen wird.

Miami Dolphins: Van Noy, Lawson und Co. müssen liefern

Dieser Plan bietet sich - zumindest im Grundsatz - durchaus an: Miami hat kaum qualitativ hochwertige eigene Spieler, die in naher Zukunft einen neuen Vertrag benötigen würden, zudem werden die Dolphins keinerlei hochkarätige Free Agents verlassen, sodass das Team in diesem Frühjahr in keiner Weise Acht auf mögliche Compensatory Picks geben muss.

Und dennoch werfen manche der Entscheidungen der vergangenen Woche Fragezeichen auf: Van Noy, Lawson und Ogbah, also alle Neuverpflichtungen für die Defensive Line, haben allesamt ihre bisher stärkste Saison in der NFL hinter sich. Den Beweis, dass sie dieses Niveau langfristig halten können, sind sie bislang allerdings schuldig geblieben.

Anstatt ihren großen finanziellen Spielraum zu nutzen, um etwa Unterschriftsboni zu minimieren und das in Zukunft garantierte Gehalt seiner Neuzugänge niedrig zu halten - ähnlich, wie es beispielsweise die San Francisco 49ers in den vergangenen Jahren getan hatten -, handelten die Dolphins allerdings Verträge mit einer eher ansteigenden Gehaltsstruktur aus. So wird Van Noys Cap Hit 2021 von 6 Millionen auf 15,5 Millionen Dollar ansteigen. Eine Entlassung nach zwei Saisons ist zwar möglich, würde allerdings immer noch für sechs Millionen Dollar Dead Cap sorgen. Lawsons Vertrag dürfte ähnlich strukturiert sein.

In der Praxis bedeutet das: Van Noy und Lawson werden ihr Niveau aus der Vorsaison über die kommenden zwei Jahre mindestens halten, eher sogar steigern müssen, um ihr durchaus bemerkenswertes Preisschild zu rechtfertigen. Das ist durchaus riskant: Flores mag Van Noy aus seiner Zeit in New England kennen, der 28-Jährige wäre allerdings nicht der erste Patriots-Verteidiger, der nach seinem Abgang aus New England enttäuscht.

Miami Dolphins: Fragezeichen rund um die QB-Position

Ähnliches gilt zudem auch für die Offense: Ereck Flowers spielte nach mehreren schwachen Jahren als Left Tackle eine solide Saison als Guard, in Miami soll er dafür nun 2021 zwölf Millionen Dollar und 2022 sogar 13 Millionen Dollar erhalten. Mehr als stattliche Summen, und die Probleme in der Offensive Line sind damit noch lange nicht gelöst. Jesse Davis kann nicht die dauerhafte Lösung als Right Tackle sein, ein Left Tackle mit Starter-Qualitäten fehlt dem Team gänzlich.

Miamis Quarterback würden seine Aufgaben unter diesen Umständen in der kommenden Saison nicht gerade erleichtert werden - wer auch immer diese Rolle letztlich einnehmen wird. Noch stehen Ryan Fitzpatrick und Josh Rosen als Starter und Backup bei den Dolphins unter Vertrag, in der Free Agency wird das Team hier nicht mehr aktiv werden.

Ob, und wenn ja an welcher Stelle, Miami seinen Quarterback der Zukunft im kommenden Draft zu finden gedenkt, steht derweil noch in den Sternen. Die Dolphins halten den fünften Pick, zudem verfügt das Team über genügend Draft-Kapital, um sich einen höheren Pick sichern zu können. Tua Tagovailoa wird dabei ebenso mit der Franchise in Verbindung gebracht wie Justin Herbert.

Einige Beobachter halten es sogar für möglich, dass Miami in diesem Jahr noch auf seinen neuen Quarterback verzichten und weitere Picks sammeln könnte, um sich im kommenden Jahr dann entweder Trevor Lawrence oder Justin Fields sichern zu können.

NamePositionEx-TeamVertrag
Byron JonesCBDallas Cowboys5 Jahre, 82,5 Mio. (54 Mio. garantiert)
Kyle van NoyEDNew England Patriots4 Jahre, 51 Mio. (30 Mio. garantiert)
Shaq LawsonEDBuffalo Bills3 Jahre, 30 Mio. (21 Mio. garantiert)
Ereck FlowersGWashington Redskins3 Jahre, 30 Mio. (20 Mio. garantiert)
Emmanuel OgbahEDKansas City Chiefs2 Jahre, 15 Mio. (7,5 Mio. garantiert)
Jordan HowardRBPhiladelphia Eagles2 Jahre, 9,8 Mio. (4,8 Mio. garantiert)
Clayton FejedelemSCincinnati Bengals3 Jahre, 8,6 Mio. (3 Mio. garantiert)
Ted KarrasCNew England Patriots1 Jahr, 4 Mio. (4 Mio. garantiert)
Kamu Grugier-HillLBPhiladelphia Eagles1 Jahr, 3 Mio. (2 Mio. garantiert)
Elandon RobertsLBNew England Patriotsnoch nicht bekannt

Miami Dolphins: Verstärkungen, bloß keine Fehlinvestitionen

Noch ist Miamis Offseason noch lange nicht am Ende: Das Team verfügt nach wie vor über genügend Cap Space, um einen weiteren hochkarätigen Spieler unter Vertrag zu nehmen, mit drei Erstrundenpicks im Draft werden die Dolphins dort zudem noch einige Baustellen angehen können.

Die Richtung, in die sich die Franchise in der kommenden Saison bewegen soll, haben Flores und Grier in der vergangenen Woche allerdings bereits vorgegeben: Die Zeiten der Dolphins als Verliererteam sollen sich schon wieder gen Ende neigen, Miami will erfolgreicher sein als noch in der Vorsaison, der Umbruch soll deutlich beschleunigt werden - und vielleicht sogar mehr.

Tom Brady hat die Patriots verlassen, die New York Jets und auch die Buffalo Bills scheinen zumindest nicht unantastbar. Völlig undenkbar scheint daher sogar der Division-Titel nicht: 2008 gewannen die Dolphins die AFC East mit elf Siegen, nachdem sie die Vorsaison noch mit einer 1-15-Bilanz beendet hatten.

Noch erwartet allerdings niemand einen Division-Sieg von den Dolphins, das Team befindet sich immer noch im Wiederaufbau. Die teuren Investitionen der Free Agency sollten sich allerdings auf dem Platz bemerkbar machen. Jones, Van Noy, Flowers und Co. müssen Verstärkungen, keine Fehlinvestionen für die Dolphins sein. Andernfalls hätte der Rebuild des Teams in der vergangenen Woche einen herben Rückschlag erlitten.

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